Vierter Auftritt


[331] Kauz. Frau von Erbsenstein.


KAUZ auffallend dick, aber sehr elegant gekleidet. Schön guten Morgen, Frau Nièce!

FRAU VON ERBSENSTEIN. Der Morgen kann gut und schön sein, ich bin aber bös und wild!

KAUZ. Bös, das kann sein, aber wild –? Im Gegenteil, ich find', daß dieser Anzug –

FRAU VON ERBSENSTEIN. Ach, der Herr Onkel g'fällt mir; wenn ich per »wild« red', so werd'n Sie doch nicht glauben, daß ich mein Äußeres meine; an mir kann doch nur die Laune, die Gemütsstimmung wild sein.

KAUZ. Ich weiß – ich weiß. Für sich. Wenn die Frau nur nicht gar so eitel wär'! Laut. Unter andern, Nièce, find'st du nicht, daß ich heut' etwas blaß ausseh'?

FRAU VON ERBSENSTEIN. Nein!

KAUZ. O ja, es muß vom schlechten Schlaf sein, ich hab' in mein G'sicht so etwas Hergenommenes, und das macht mir so ein hingebendes Aussehen, so –

FRAU VON ERBSENSTEIN. Setz' sich der Herr Onkel nichts Traurig's in Kopf.

KAUZ. O ich kränk' mich nicht drüber, im Gegenteil diese blassen Tage haben gar bunte Folgen, denn sie machen einen ohnedem interessanten Mann erst ganz unwiderstehlich.[331]

FRAU VON ERBSENSTEIN lachend. Jetzt hör' der Herr Onkel auf.

KAUZ. O ich weiß, du glaubst ich zähl' gar nichts mehr.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Konträr, ich glaub' Sie müssen sehr viel zählen, sehr viel Geld aufzählen, wenn Sie was gelten wollen.

KAUZ. Und was is weiter? gibt's denn eine Lieb', die ganz ohne Eigennutz is? der sentimentalste Jüngling muß oft sein schlankesten Gehrock versetzen, damit er die uneigennützige G'spusin auf'n Saal führen kann, warum soll ich, ein Mann, aus dem die Natur vier Jünglinge bilden könnte, nicht auch verhältnismäßig generos sein. Im weiblichen Herzen gibt's nie einen ganzen freien Eintritt, und daß ich splendid bin, setzt meine Liebenswürdigkeit noch nicht herab.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Es kommt halt alles auf eine Auslegung an.

KAUZ. Übrigens, in meinem Alter –

FRAU VON ERBSENSTEIN. Wie alt ist denn der Herr Onkel?

KAUZ. Erst soundso viel Jahre, das is ja noch kein Alter, bin dabei ein mordhafter Tänzer.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Gewiß mordhaft!

KAUZ. Ich bin ein kecker, leichter Reiter.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Ihr Pferd wird anderer Meinung sein.

KAUZ. Ich werd's doch besser verstehen, als a Roß!

FRAU VON ERBSENSTEIN. Statt sich selber zu loben, wär's g'scheiter, Sie täten über ein andern schimpfen, da könnt' ich doch einstimmen.

KAUZ. Über wem soll ich denn schimpfen?

FRAU VON ERBSENSTEIN. Über meinen saubern Bräutigam, der am Verlobungstag auf sich warten laßt.

KAUZ. No, es sind ja die Gäst auch noch nicht da, nun, dann sucht so ein junger Mensch sich dadurch interessant zu machen, daß er warten läßt auf sich, das is eine Taktik, die wir sehr häufig anwenden.

FRAU VON ERBSENSTEIN sieht ihn nach der Seite an, unterdrückt was sie sagen wollte, und fährt fort. Wenn ich denk', was der[332] Mensch getrieben hat vor 6 Jahren, wie ich den Erbsenstein geheirat hab', da war ja gar kein Tod, den er sich nicht hat antun woll'n.

KAUZ. 's hat a Weil gedauert bis er zur Vernunft kommen is.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Ich hab'n damals nicht mögen, weil er gar so ein Tschappel war, er is es eigentlich noch, so übertrieben furchtsam und schüchtern. –

KAUZ. Na ja, wenn man jung ist, wie lang is es denn her, daß ich so schüchtern war?

FRAU VON ERBSENSTEIN sieht ihn an wie oben und fährt fort. Kaum hört er, daß ich Witwe bin, stürzt er zu meinen Füßen, daß die Parketten krachen, ich laß mich erweichen, und jetzt –

KAUZ. Jetzt bist du ihm gewiß, und wenn wir einmal wissen, die kommt uns nicht mehr aus, so werden wir nachlässig, das haben wir jungen Leut', das is schon so.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Herr Onkel, wenn Sie sich immer unter die jungen Leut rechnen, so werden S' mich vertreiben mit die jungen Leut.


Will fort.


KAUZ. Na, na, sei nur g'scheit und bleib da.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Mir fallt grad Verschiedenes ein, wegen meiner Abendtoilett, da muß ich – auch erwart' ich eine Stickerin, die mir meine Nanett rekommandiert hat.

KAUZ. Stickerin? jung, hübsch?

FRAU VON ERBSENSTEIN. Das weiß ich nicht, übrigens was geht das Ihnen an, ob sie jung oder hübsch –?

KAUZ. Ich hab' nur fragen wollen, ob sie geschickt ist, ich will mir seidene Schnupftücheln sticken lassen, in ein Eck meinen Namen, in die andern Amoretteln oder Tauberln oder so was. – Gott sei Dank, in der Lieb schwing' ich mich zu höhere Gegenstände auf und hab's nicht nötig mich zu Näherinnen oder Stickerinnen herabzulassen; auch hab ich ja die Einkäuf', die du gemacht hast, noch nicht g'sehn, du mußt also schon erlauben, daß ich dich in dein Zimmer begleit'.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Na, so komm' der Herr Onkel.

KAUZ für sich. Ich geh' ihr nicht vom Hals bis ich die Stickerin[333] seh', in meinem Herzen sind noch eine Menge vorrätige Dessins. Laut. Ich sollt' von Rechts wegen bös sein auf dich, wie kannst du glauben, ich werd' Ideen auf eine Stickerin –

FRAU VON ERBSENSTEIN. Na, von Ihnen hört man allerhand.

KAUZ. Pfui, pfui! Mit Frau von Erbsenstein Seitentür rechts ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 331-334.
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