Sechster Auftritt


[335] Kauz. Frau von Erbsenstein. Voriger.


FRAU VON ERBSENSTEIN. Ah, Herr Schnoferl –

KAUZ. Unser charmanter Agent.

SCHNOFERL. A Diener, gnädige Frau, Zu Kauz. ebenfalls a Diener, ich komm' Ihnen das zu wünschen, was Sie nicht brauchen, nämlich Glück, das haben S' so schon,[335] Glück wünschen sollt' man einem Menschen, wenn's ihm schlecht geht, da hätt 's Gratulieren doch ein Sinn.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Oh, Freund, der Schritt, den ich jetzt tu', is so riskiert –

SCHNOFERL. Wie können Sie das sagen, es is ja bei Ihnen nicht zum erstenmal, daß Sie heiraten, ein klarer Beweis, daß Sie den Ehestand überhaupt goutieren; und dann sind Sie, aufs gelindeste ausgedrückt, der Inbegriff aller Vollkommenheit, er is ein lieber guter Kerl, bei solchen Ingredienzen kann die Sache nur zum Glück –

KAUZ. Ja, mit die Heiraten geht's oft wie beim Krapfenbachen, man nimmt alles mögliche dazu, und sie g'raten doch nicht.

SCHNOFERL. Aha? und doch haben Sie mir oft Reprements wegen meiner langwierigen Jungg'sellenwirtschaft geben.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Da hat der Onkel recht g'habt. Sie hätten sich schon lange eine Lebensgefährtin – und selbst jetzt noch, Sie sind immer noch ein Mann –

SCHNOFERL. Ja, ein Mann bin ich freilich noch, aber was für einer, nicht der ich war, und da bin ich viel zu g'scheit, als daß ich mir einbild', es wird sich eine reißen um meine beaux restes. Wenn sich einmal rote Nasen und Platten vereinigen, der Schönheit den G'nackstreich zu versetzen –

KAUZ. Nur nicht zu bescheiden, Sie können noch immer auf das Beiwort liebenswürdig –

SCHNOFERL. Beiwort? geben Sie sich keine so grammatikalische Blöße, »liebenswürdig« ist im strengsten Sinn des Worts ein Zeitwort, weil es gänzlich der Abwandlung unterliegt, in der halbvergangenen Zeit heißt's passé, in der völligvergangenen schiech, und in der längstvergangenen grauslich.

KAUZ. Na, es muß ja nicht grad eine Venus sein, Sie wer'n schon eine finden in Ihrer Par

SCHNOFERL. G'horsamer Diener, wenn eine mir nur halbwegs g'fallen soll, so muß sie ohne Vergleich schöner sein, als ich.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Schau, schau, is der Schnoferl so heiklich.[336]

KAUZ. Dann müssen Sie auch bedenken, wenn Sie a Frau hätten, so wären Sie viel ein rangierterer Mann, denn Sie wären ein besserer Wirt.

SCHNOFERL. Ich bin gar kein Wirt, denn ich zehr' von meinem Eigenen, und das tut kein Wirt, wenn ein Wirt was verzehren will, schaut er sich um was Besseres um.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Also kommen Sie nicht immer aus mit Ihrem Einkommen?

SCHNOFERL. Wie man's nimmt, zwischen Auskommen und Einkommen is es schwer das gehörige Verhältnis herzustellen, denn 's Geld kommt auf schwerfälligen Podagrafüß herein, und fliegt auf leichten Zephyrflügeln hinaus. Übrigens geht mir just nix ab, außer dann und wann die 3000 fl., die ich in einem vorlauten Anflug von Kapitalistengefühl Zu Kauz. bei Ihnen angelegt hab', die ich schon öfters gebraucht hätt', die Sie mir aber nicht bezahlen können, seitdem Sie um 120000 Gulden b'stohlen worden sind.

KAUZ. O erinnern Sie mich nicht daran, das war –

SCHNOFERL. Ein harter Schlag, daß Ihnen bei dem Schlag nicht der Schlag troffen hat, das is der schönste Beweis, daß Sie, trotz Ihrer Korpulenz, gar kein Talent zur Apoplexie haben. 120000 Gulden auf einmal, wann eim s' so a Dieb noch ratenweis stehlet, tät's nit so weh, aber –

KAUZ. 's war grad, wie Sie wissen, der Anteil, den ich meinen Seitenverwandten von der in Empfang genommenen Erbschaft hab' auszahlen sollen, die muß ich jetzt so gut's geht nach und nach befriedigen, 's is eigentlich ein Glück für die Leut, daß sie 's Geld nicht auf einmal bekommen, so können sie's nicht auf einmal durchschlagen, Sie kommen aber schon auch noch dran! –

SCHNOFERL. Ich bitt', ich hab's nicht deswegen g'sagt, Sie sind ja keiner von die, die sich durch eine Art Falliment bereichert haben.

KAUZ. Im Gegenteil, ich hab' gar nichts, und leb' bloß von dem Überfluß meiner Nièce.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Na, na, Herr Onkel gar so arg –[337]

SCHNOFERL. Ich hab' den ganzen Gegenstand nur berührt, weil ich auf der Spur bin zu beweisen, daß damals unschuldigerweis' der Verdacht auf den armen Menschen – Ihren –

KAUZ schnell unterbrechend, leise zu Schnoferl. Da reden wir später davon, wenn wir allein. Laut. Schauen S' lieber, daß Sie meine Nièce a bisserl aufheitern.

SCHNOFERL. Ja, ja, ich hab' früher schon bemerkt eine kleine Sonnenfinsternis an dem Himmel dieser Seraphszüge, dieser Cherubsphysiognomie.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Keine Schmeicheleien, lieber Schnoferl.

SCHNOFERL. Von Schmeicheleien kann da nicht die Rede sein, wo die Wahrheit bei der knickrigen Sprache vergebens um Ausdrücke bettelt, ich wollt' der Adelung lebet noch, ich versprechet ihm ein Trinkgeld, daß er mir Worte erfindet, die dieser Reize würdig wären.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Gehn S', wern S' nicht fad.

SCHNOFERL für sich. Fad! diese Silbe enthalt 3000 Maß Wasser für den Krater des hier tobenden Vulkans! Aufs Herz deutend.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Nicht mit Worten, mit Taten sollen Sie mir Ihre Freundschaft beweisen!

SCHNOFERL. Mit Taten? Ich bin bereit mit Gefahr meines Lebens –

FRAU VON ERBSENSTEIN. Nicht Ihr Leben, aber Ihre Freundschaft zu meinem Bräutigam wird in Gefahr kommen, Sie müssen ihn verraten, mir sagen, wo er steckt, was er tut, was er treibt?

SCHNOFERL. Ich hab' gehofft ihn hier zu Ihren Füßen zu finden, denn Männer sind immer zu Füßen, wenn sie auf eine Hand spekulieren.

KAUZ schmunzelnd. Ja, ja, das ist so unsere Art.

SCHNOFERL. Aber jetzt ist es akkurat ungefähr beiläufig ein Monat, daß ich ihn nicht zu G'sicht kriegt hab'.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Grad so lang is es, daß seine Besuche bei mir immer kürzer wer'n, immer –[338]

SCHNOFERL. Hm, bei Ihnen ist er also nicht, bei mir ist er auch nicht – dieses Zusammentreffen von Umständen, würde für einen Beweis gelten, daß er woanders is.

FRAU VON ERBSENSTEIN. Dieses Anderswo zu ergründen ist Ihre Aufgab.

KAUZ. Aber Nièce, sei doch g'scheit, wir Männer müssen ja alle a wenig austoben, zum Solidwerden is ja nachher Zeit.

FRAU VON ERBSENSTEIN zu Schnoferl. Sie müssen das Innerste seines Herzens erforschen.

KAUZ. Ein Herz erforschen, is denn das a G'schäft für'n Herrn Schnoferl?

SCHNOFERL. O ja, denn ich bin Winkelagent, und welcher Gegenstand in der Welt hat mehr Winkeln als das menschliche Herz!

FRAU VON ERBSENSTEIN. Sie können ihm gradheraus sagen, er braucht sich wegen meiner gar nicht zu genieren.

NANETT zur Mitteltüre meldend. Herr und Frau von Blümerl –

FRAU VON ERBSENSTEIN. Schon gut, ich komm' gleich!


Nanett ab.


FRAU VON ERBSENSTEIN immer aufgeregter, fortfahrend zu Schnoferl. Es kost ihm nur ein Wort, und er hat seine Freiheit wieder, und er soll ja nicht glauben –

DOMINIK zur Mitteltüre meldend. Frau von Stutzmann mit die Fräulein Töchter –

SCHNOFERL. Die Stutzmannischen Töchter?

KAUZ. Jetzt rucken s' ein, die Gäst. –

FRAU VON ERBSENSTEIN ärgerlich zu Dominik. Auf was wart't Er denn, ich komm' ja gleich!


Dominik ab.


FRAU VON ERBSENSTEIN immer aufgeregter, zu Schnoferl fortfahrend. Und er soll ja nicht glauben, daß sich eine Frau, wie ich, kränkt um einen Mann, der ihren Wert nicht zu schätzen weiß, nicht einmal ärgern kann sich so eine Frau wie ich –

KAUZ für sich. Das is schön von ihr, daß sie sich nicht ärgert!

FRAU VON ERBSENSTEIN. Denn, Gott sei Dank, eine Frau wie ich, hat nicht nötig –

NANETT zur Mitteltüre meldend. Die Bitzibergrische Familie![339]

FRAU VON ERBSENSTEIN sehr ärgerlich. Na, na, sag' ich, ich komm' schon.


Nanett ab.


SCHNOFERL. Die Bitzibergrischen!

FRAU VON ERBSENSTEIN. Nein, wenn die Gäst' wüßten, wie z'wider sie einem oft sind, es ließ sich gar kein Mensch mehr einladen auf der Welt.


Mitteltüre ab.


SCHNOFERL indem er gedankenvoll der Frau von Erbsenstein nachblickt. Die Bitzibergrischen!


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 335-340.
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