Achtzehnter Auftritt

[290] Frau von Cypressenburg, dann Constantia.


FRAU VON CYPRESSENBURG allein. Der junge Mann schwindelt auf der Höhe, auf die ich ihn gehoben, wenn ich ihn durch Vorlesungen meiner Dichtungen in überirdische Regionen führe, wie wird ihm da erst werden.

CONSTANTIA aufgeregt zur Mitte eintretend. Übel, sehr übel find' ich das angebracht.

FRAU VON CYPRESSENBURG. Was hat Sie denn?

CONSTANTIA. Ich muß mich über das gnädige Fräulein beklagen. Ich find' es sehr übel angebracht, einen Spaß so weit zu treiben. Sie hat mich ausgezankt, ich hätt' sie wegen den Haaren des Jägers angelogen; ich glaubte anfangs, sie mache einen Scherz; am Ende aber hat sie mich eine dumme Gans geheißen.

FRAU VON CYPRESSENBURG. Ich werde sie darüber reprimandieren. Übrigens ist der Mensch nicht mehr Jäger; ich habe ihn zum Sekretär ernannt, und man wird ihm die, seinem Posten schuldige, Achtung erweisen.

CONSTANTIA. Sekretär!? Ich bin entzückt darüber, daß er vor Ihnen Gnade gefunden. Die schwarze Sekretärkleidung wird ihm sehr gut lassen zu dem schwarzen Haar.

FRAU VON CYPRESSENBURG. Was spricht Sie da?

CONSTANTIA. Schwarze Haare, hab' ich gesagt.

FRAU VON CYPRESSENBURG. Mir scheint, Sie ist verrückt; ich habe noch kein schöneres Goldblond gesehen.

CONSTANTIA. Euer Gnaden spaßen.

FRAU VON CYPRESSENBURG. Ist mir noch nicht oft eingefallen, mit meinen Untergebenen zu spaßen.

CONSTANTIA. Aber, Euer Gnaden, ich hab' ja mit eigenen Augen –

FRAU VON CYPRESSENBURG. Meine Augen sind nicht weniger eigen, wie die Ihrigen.[290]

CONSTANTIA äußerst betroffen. Und Euer Gnaden nennen das blond?

FRAU VON CYPRESSENBURG. Was sonst?

CONSTANTIA. Euer Gnaden verzeihen, dazu gehören sich wirklich eigene Augen. Ich nenne das das schwärzeste Schwarz, was existiert.

FRAU VON CYPRESSENBURG. Lächerliche Person, mache Sie Ihre Schwänke jemand anderm vor.

CONSTANTIA. Nein, das ist, um den Verstand zu verlieren.

FRAU VON CYPRESSENBURG nach rechts sehend. Da kommt er. – Nun? ist das blond oder nicht?


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 290-291.
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