Eilfter Auftritt

[307] Flora, dann Titus, dann Salome.


FLORA allein. Diese Nachricht is auf Krämpf' herg'richt't, und ich hab' den Menschen so grob behandelt. Jetzt heißt's umstecken und alles dransetzen, daß ich Frau Balbiererin werd'; es wär' ja nur auf'm Land ein Malheur, in der Stadt kann man's schon aushalten mit ein'm rotkopfeten Mann. Dort kommt er; Nach links sehend. Ich will mich stellen, als ob's mich reuet. – Was stellen! ich bin ja wirklich vor Reue ganz außer mir.


Quodlibet-Terzett.


FLORA.

Titus! Titus!

TITUS aus dem Hintergrunde links.

Die Gärtnerin ruft mich zu sich.

FLORA.

Ach, Herr Titus, hören S' mich;

TITUS.

D' Gartnerin rufet mich zu sich?[307]

FLORA.

Ach, Herr Titus, hören S' mich;

's laßt mir kein' Rast und keine Ruh'.

TITUS.

Was S' z' sag'n hab'n, reden S', ich hör zu.

FLORA.

Bereuen kann man nie zu fruh.

TITUS.

Der Abschied, hör'n Sie, war schmafu.

FLORA.

's laßt mir kein' Rast und keine Ruh'.

TITUS zugleich.

Was S' z' sag'n hab'n, red'n S', ich hör' zu.

FLORA.

Bereuen kann man nie zu fruh.

TITUS zugleich.

Der Abschied, hören Sie, war schmafu.

FLORA.

Bereuen kann man, nein, das kann man nie zu fruh.

TITUS zugleich.

Der Abschied, hör'n Sie, der war wirklich sehr schmafu.

FLORA.

Tun Sie nicht von mir sich wenden,

Und mir Hasses Blicke senden;

Nicht vertrag' ich's.

TITUS.

Na, was is denn?

FLORA.

Ich vergehe. –

TITUS.

Versteht si.

FLORA.

Weh' mir!

TITUS.

Wird man von solchen Leuten[308]

Malträtiert, das greift ans Herz;

Fern von eurem flachen Lande

Schließ' ich andre Liebesbande;

In d' Schweiz zieht der Verkannte;

Dort heilt a Kuhdirn den tief'n Schmerz.

FLORA.

Meiner Gall' war i früher nicht Meister,

Vergeben Sie und sein Sie nicht hart;

Es rächen sich die großen Geister

Ja immer nur auf edle Art.

TITUS.

Nein, größere, süßere Rache,

Wie die Ehre, wie die Liebe sie fordert –

FLORA.

Willst du schon wieder gehn?

TITUS.

Ja, ich will gehn, froh und frei,

Nie deinen Tempel sehn.

FLORA.

Ach, du kannst nicht begreifen, nicht fühlen,

Welche Qualen die Brust mir durchwühlen,

Diese Flammen, die nie mehr zu kühlen,

Wie von Reue das Herz mir bricht!

Ja, dich nenn' ich mein teures Leben,

Dich mein einziges, glühendes Streben;

Willst du grausam mir nimmer vergeben,

Erwidern die Tränen mit Hohn,

Willst du grausam mir nimmer vergeben,

Erwidern nur Hohn, –

TITUS.

Umsonst die G'schicht, hast nix davon radara –

SALOME kommt.

Ich hab' wahrlich keinen Grund,

Ein lustig's G'sicht zu machen,

Und doch öffnet sich mein Mund,

Herzlich jetzt zu lachen.

Wie der dicke Herr im Schloß[309]

Sich benimmt, is g'spaßi,

Da hat er's gegeb'n ganz groß,

Droben is er dasi. – Hahaha!

SALOME.

Was is das, jetzt bei der?

FLORA.

Was will denn die da?

TITUS.

D' Salome,

Soll die mich hier als Flegel sehen?

SALOME.

Zum Malheur, –

FLORA.

Titus! Grob därfen S' jetzt nit sein.

TITUS.

Wenigstens zum Schein –

FLORA.

Wir sind nicht mehr allein.

TITUS.

Will ich all's verzeih'n.

FLORA.

Ich muß wieder erringen,

TITUS zugleich.

Schwerlich wern S' mich erringen.

FLORA.

Was ich verlor, was ich verlor,

SALOME zugleich.

's soll nicht sein.

TITUS zugleich.

Denn wohlgemerkt –

FLORA.

Und was mein Glück allein ja –

TITUS zugleich.

Ich hab' nur g'sagt zum Schein.

FLORA.

Was mein Glück allein, allein.

TITUS zugleich.

Nur g'sagt zum Schein, zum Schein.[310]

TITUS.

Ach, sie im Netz zu sehen,

Ach, ich muß es gestehen,

Ja, leicht wär' es geschehen,

Doch nein, nein, nein, ich will das nicht,

Die Liebe dideidldidum,

Erfüllet dideidldidum

Mich gar nicht dumdidldidum,

Für sie durchaus nein,

Ach sie im Netz zu sehen,

Ich muß es gestehen,

Leicht wär' es geschehen,

Doch nein! ihrer Liebe Sehnen

Still beglückt zu krönen

Darf ich nicht entbrennen, nein!

FLORA.

Man schmeichelt sich mit Hoffnung oft,

Zu Wasser wird, was man gehofft,

Bei mir soll's nicht zu Wasser wer'n,

Das Glück hat halt die Witwen gern,

Wenn man glaubt, man hat das Glück

Schon sicher im Haus,

Husch, husch, husch, im Augenblick

Beim Fenster rutscht's hinaus.

Man schmeichelt sich mit Hoffnung oft,

Zu Wasser wird das, was man hofft,

Mir soll's nit zu Wasser wer'n,

Das Glück hat mich zu gern.

SALOME.

Mein Bruder, der Jodl, singt so:

Ja, mit die Madln da is richti, richti, richti,

Allemal a rechter G'spaß,

Tun s' vor'n Leuten noch so schüchti, schüchti –

Was man z' denken hat, man waß's,

Und ich bin a schöner Kerl, Kerl, Kerl,

G'wachsen wie a Pfeifenröhrl, -röhrl, -röhrl,

Unter den Männern schon die Perl, Perl, Perl,[311]

Drüber laßt sich gar nix sag'n,

Ich hab' Rosomi im Schädel, Schädel, Schädel,

Darum bin i stolz und bettel', bettel', bettel',

Nit erst lang um so a Mädl, Mädl, Mädl,

Obs d' nit doni gehst von Wag'n, von Wag'n, von Wag'n,

Obs d' nit doni gehst vom Wag'n.

ALLE DREI.

Bald wird's anders werden,

Couragiert auf den Weg,

Der zum Ziel uns führt,

Fortmarschiert, so lang, bis's besser wird.

's Glück is rund,

Darum geht's auf der Welt so bunt,

Ohne Grund

Liegt man g'schwind öfters drunt.

FLORA, SALOME.

Wir sein nix als –

TITUS.

Wir sein nix als – Wir sein nix als –

FLORA, SALOME.

Narren des Schicksals,

TITUS.

Narren des Schicksals, Narren des Schicksals,

FLORA, SALOME.

Wenn man sich alles, wenn man sich all's,

TITUS.

Wenn man sich all's, wenn man sich all's

ALLE DREI.

Gleich zu Herzen,

Wenn man sich alles z' Herzen nimmt,

Wenn nur frohe Hoffnung glimmt,

Endigt alles gut bestimmt,

Ta, ta, ta. Dum, dum, dum.

FLORA, SALOME.

's laßt sich drüber nix sag'n

Mit ein'm orndlichen Mag'n.[312]

TITUS.

Mit ein'm orndlichen Mag'n.

ALLE DREI.

Man kann alles ertrag'n,

Kann man alles ertrag'n.


Flora rechts, Titus hinter dem Schloß und Salome links gegen den Hintergrund ab.

Verwandlung.


Gartensaal im Schlosse mit Bogen und Glastüren im Hintergrunde, welche die Aussicht auf eine Terrasse und den mondbeleuchteten Garten eröffnen, rechts und links eine Seitentür. Lichter auf den Tischen zu beiden Seiten.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 307-313.
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