Vierzehnte Szene


[534] Thomas; Voriger.


THOMAS von links auftretend und Peter erblickend. Peter –!

PETER. Oho! So spät noch?

THOMAS. Weißt, ich möcht' deiner Schwester gern eine Überraschung machen, das heißt, morgen kauf' ich ihr eine prächtige Überraschung, und das hätt' ich ihr heut' gern g'sagt.

PETER. Um die Zeit? Nein, das is kein G'schick!

THOMAS. Hör' auf, sie is ja mein' künftige Schwiegertochter!

PETER. Eben deswegen! A künftige Schwiegertochter is gegenwärtig noch gar keine, und die Nachbarschaft sieht nur, daß in der Dunkelheit ein Mann aus und ein geht. –

THOMAS. So dunkel is gar keine Nacht, daß ich gefährlich ausschaun könnt'; und ein Madl, wo in vierzehn Täg'n d' Hochzeit is –

PETER. Und wenn's in vierzehn Minuten wär', so wär's a g'wagte Sach'. Das Licht hat die größte Geschwindigkeit in der ganzen Natur, drum hat auch das üble Licht, was auf ein Wesen fallt, so eine schnelle Verbreitung. – Übrigens hab' ich dir schon g'sagt, wegen Brautgeschenk',[534] du hast kein Geld zu verschwenden, du mußt auch an deine Zukunft denken.

THOMAS. Oh, das tu' ich so dann und wann.

PETER. Dann und wann is z' wenig! Ich hab' einmal einen alten Isabellenschimmel an ein' Ziegelwagen g'sehn, seitdem bring' ich die Zukunft gar nicht mehr aus 'n Sinn.

THOMAS. So was is wohl traurig; – bei ein' Schimmel is noch das Gute, daß er gar nicht denkt –

PETER. Und beim Menschen is das Üble, daß er erst zum Denken anfängt, wenn er ein Schimmel wird.

THOMAS. Du weißt ja noch gar nicht, ich hab' jetzt einen reichen Freund! Wenn mein Sohn ankommt, so führ' ich ihn bei ihm als Bräutigam auf, daß er auch –

PETER. No, sei so gut, fang so was an!

THOMAS. Warum? Sich Freunde sammeln und gar reiche Freunde, das is ja –

PETER. Das Dümmste, was ein Bräutigam tun kann. Ich hab' eine Antipathie gegen die Freunde, die so gern Hochzeiten aushalten, Wirtschaftsbeiträge liefern, erste Bub'n aus der Tauf' heben, und ich weiß schon, warum.

THOMAS. Jetzt mag der keine Freund'!

PETER. Oh, ich hab' zwei, die ich schon mag, bewährte tüchtige Kerln, die plagen sich für mich, die Freund', daß mir nix abgeht, sind den ganzen Tag bei der Hand, für mich zu arbeiten, nehmen sich auch an um mich, schlagen den nieder, der mir was tun will –

THOMAS. Und die zwei Freund', sind das keine Reichen?

PETER. Nein, Arme sind's – Seine Arme weisend. die zwei. Mit denen hab' ich mich und mein' Schwester erhalten, mit denen hab' ich das, was ihr der Vater hinterlassen hat, vermehrt, daß sie ein anständiges Heiratsgut hat.

THOMAS freudig gerührt. Mit dem sie meinen Sohn vom Militär loskauft.

PETER. Es ist eigentlich nur eine Transferierung, von seinem Regiment kommt er unter ihres.

THOMAS. Dort nehmen s' einen Ersatzmann an.[535]

PETER. Ihr aber wär' kein Mann Ersatz, da muß es akkurat dein Josef sein.

THOMAS. Mein Sohn kann von Glück reden, so einen Schwagern z' krieg'n und so a Braut.

PETER. 's letzte lass' ich gelten.

THOMAS. Geh, sollst auch heiraten, vielleicht machst auch so a Glück.

PETER. Hm, das wird's nicht tun; – mir haben die Lehrer in der Schul' schon 's Glück abg'sprochen. »Das is a g'scheiter Bub!« – haben s' gesagt, und da is 's schon vorbei. Schau s' nur an beim Gipsmann, so a Fortuna; die hohle Kugel, über der sie schwebt, is das Sinnbild von ihre Favoritköpf'.

THOMAS. Und wenn's auch just nicht ein Engel wie die Klara is; denn die is eigentlich zu gut, zu edel für unsereinen –

PETER. Das is a dalkete Red'! Das wär' sehr traurig, wenn der Unbedeutende nicht auch Anspruch auf ein braves Mädl hätt'; und bei diesem Anspruch bescheiden sein, wär' eher eine Niederträchtigkeit als eine Tugend. In gar vielem kann und soll sich der Mensch behelfen, sich mit dem Minderen begnügen, wenn er 's Bessere nicht haben kann. Wer's auf kein' Paperl bringt, der spendiert sich zwei Laubfrösch' vors Fenster – wer kein'n Kammerdiener hat, kauft sich ein' Stiefelknecht um sechs Groschen – wer nicht als nobler Kridatar auf seine neugekaufte Villa in d' Schweiz kann fahren, der geht dem Schuster mit a paar Juchtene durch – wer eine Neapelreis' z'kostspielig find't, um den feuerspeienden Vesuv zu sehen, der schaut sich um a zornige Kräutlerin um – kurz, für alles hat der Geringere ein Surrogat und kann das Echte dem Höhern überlassen; – aber was den Punkt der Familienehre betrifft, da steht der Unbedeutende dem Größten gleich und hat ebensogut das Recht, das Makelloseste zu begehren. Jetzt komm auf a Glas Wein.


Beide gehen ins Wirtshaus ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 4, Wien 1962, S. 534-536.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Unbedeutende
Der Unbedeutende
Der Unbedeutende: Posse Mit Gesang in Drei Akten (German Edition)