Vierunddreißigste Szene


[598] Thomas; Vorige.


THOMAS ist schon früher im Hintergrunde gestanden und kommt bei den letzten Worten rasch hervor. Da brauchen wir keinen Puffmann dazu, das weiß ich am besten.

DIE BÜRGERSLEUTE erstaunt. Der Thomas?

MASSENGOLD UND DIE ANDEREN. Was will der Mensch?[598]

PUFFMANN niedergedonnert, für sich. Der Thomas! – Die letzte Hoffnung liegt im Brunn'.

THOMAS zu Puffmann. Also Sie sein der schwarze Herr mit die lichten Taler? Drohend. Na, Sie, g'freun S' Ihnen!

MASSENGOLD zu Thomas. Red' Er, denn die Sache –

THOMAS. Er hat sich am siebenten September Schlag achte ins Wasser stürzen wollen.

ALLE mit Staunen. Was?

THOMAS. Bei Eschenau, keine hundert Schritt vom Brückel, ich hab' ihn beim Schössel z'ruckg'halten, wie er sich grad den Anlauf g'nommen hat. Weil er aber so, g'lästert hat über mein' Sohn seine Braut, so werf' ich ihn jetzt selber ins Wasser hinein. Geht auf Puffmann los.

PETER ihn zurückhaltend. Ruhig, wir haben die Satisfaktion, die wir brauchen.

PUFFMANN für sich, mit Beziehung auf Thomas. Hat der das g'sagt, um mir durchz'helfen oder – Zu Thomas leise. red', du unheimliche Erscheinung, weißt du wirklich nichts von mir als den Selbstmord, den du mir aufdisputierst?

THOMAS. Was soll ich denn noch wissen?

PUFFMANN mit unterdrückter Wut, für sich. Ha, er weiß nichts! – Der Mitwisser meiner Dokumentsradierung hat nur in meiner Einbildung existiert, und ich hab' ihm solche Opfer gebracht!

MASSENGOLD mit Staunen und einiger Rührung. Mein Puffmann wollte sich entleiben und ein entseelter Leichnam werden!? – Ja, aber warum? –

PUFFMANN. Warum? – Verlegen und verwirrt für sich. Bankrottes Hirn, fällt dir gar nix ein? Zu Massengold. Aus – aus Verzweiflung!

MASSENGOLD. Wie das?

PUFFMANN für sich. Wegen was bin ich denn verzweifelt?[599]

PETER für sich, Puffmanns Verlegenheit betrachtend. Mit dem muß es noch ein kurioses Nisi haben; denn daß der aus Liebe –

PUFFMANN indem er die letzten Worte, welche Peter gesprochen, gehört hat und dadurch auf eine Idee gebracht wird, beiseite. Liebe, richtig, der Zimmermann wirft mir 's Hölzel! – Laut zu Wassengold. Unglückliche Liebe war der Grund –

MASSENGOLD. Liebe? – Und der Gegenstand?

THOMAS zu Massengold. Wahrscheinlich logiert wer im Schloß Eschenau, weil er grad in der Nachbarschaft so gern ertrunken wär'. Euer Gnaden nehmen's nicht übel, aber wir ordinären Professionisten treffen dann und wann den Nagel auf 'n Kopf.

MASSENGOLD. Ha, jetzt wird mit alles klar! Außer meiner entflohenen Mündel wohnte niemand dort als Cousine Ottilie!

OTTILIE auffahrend. Ich?!

PUFFMANN für sich. G'horsamer Diener!

MASSENGOLD strenge zu Ottilie. Leugnen Sie es nicht!

PUFFMANN nach kurzer Überlegung, für sich. Das muß ich ergreifen, ich riskier' nix dabei. – Laut zu Massengold. Euer Hochherrlichen Gnaden, es is so, wie Euer Gnaden zu erraten beliebten.

PETER zu den Anwesenden, Klara bei der Hand nehmend. Zweifelt jetzt noch wer an ihr?

ALLE. Niemand!!

KLOPF. Sie is unschuldig!

THOMAS. Klara!

KLARA entzückt. Thomas! – O Gott –! Peter mit Freudentränen um den Hals fallend. Bruder!

PETER. Bist jetzt wieder glücklich?

KLARA. Glücklich sein is viel, aber ich hör' auf, unglücklich zu sein – das is noch weit mehr.

THOMAS zu Klara. Morgen kommt der Josef, das wird ein Josefi-Tag!

PETER. Im vollsten Sinn des Wortes ihr erster Frühlingstag nach einem schweren Winter.[600]

MASSENGOLD zu Puffmann. Aber wie konnte Sie das zum Selbstmord treiben?

PUFFMANN mit Beziehung auf Ottilie. Ist diese Liebe nicht unglücklich genug?

MASSENGOLD. Sie wäre es, wenn ich nur strenger Gebieter und nicht auch milder Verwandter, wohlwollender Gönner wäre.

PUFFMANN um Vorwand zu finden, sich ihr zu nähern, mit scheinbarer Zärtlichkeit. Ottilie! – Eilt zu ihr und sagt ängstlich. Sie werden mich doch ausschlagen, hoff' ich?

OTTILIE leise zu Puffmann. Kann ich's, ohne neuerdings Verdacht zu erregen, ohne neuerdings in Todesangst –

PUFFMANN leise. Aber ich bitt' Ihnen –

PETER. Klara, auf 'n Sonntag is dein' Hochzeit.

MASSENGOLD zu Peter. Sie werde mit ihrem Bräutigam in meiner Schloßkapelle am selben Tage wie Cousine Ottilie und Puffmann getraut. Zu Puffmann. Übrigens kann ich Ihre Verbindung, die ich des Eklats wegen toleriere, doch nicht zu sehr protegieren. Ottilie hat kein Vermögen und bekommt auch nichts von mir.

THOMAS. Oh, der Puffmann hat Geld genug!

PETER. Und Liebende brauchen wenig.

PUFFMANN. Himmel, ich krieg' die Alte!

PETER. Sehn S', die Straf' Gottes!

PUFFMANN für sich. Die zwei Zimmermänner zimmern mir meinen Sarg.

PETER zu Puffmann. Wenn Sie wieder einmal mit unbedeutende Leut' in Berührung kommen, dann vergessen Sie ja die Lektion nicht, daß auch am Unbedeutendsten die Ehre etwas sehr Bedeutendes ist.


Der Vorhang fällt.

Ende


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 4, Wien 1962, S. 598-601.
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