Dreizehnter Auftritt


[398] Eulenspiegel, dann Heinrich, dann Lenchen von innen.


EULENSPIEGEL. Dasmal haben s' mir warm g'macht! Die verdammten Kleider hätten mich bald in eine schöne Verlegenheit 'bracht.

HEINRICH aus dem Kasten kommend. Ist die Luft rein?

EULENSPIEGEL. Kommen S' nur heraus!

HEINRICH. Höre das Unglück, Lenchen ist ja eingesperrt, und der Alte hat den Schlüssel bei sich.

EULENSPIEGEL. Jetzt stehn wir frisch.

HEINRICH. Biete deine ganze Schlauheit auf, daß ich und mein Lenchen aus dem Hause kommen.

EULENSPIEGEL. Ja, das is leicht g'sagt – geben S' acht bei der Tür, daß wir nicht überrascht werden. Trägt einen Tisch zur Türe, wo Lenchen eingesperrt ist.[398]

HEINRICH. Was willst du tun?

EULENSPIEGEL. Im Notfall muß die Lenerl durch das Guckerl ober der Tür heraus. Er steigt auf den Tisch. Mamsell Lenerl, machen S' das Fenster auf. Klopft an das über der Türe befindliche Fenster.

LENCHEN von innen. Ich kann ja nicht hinauf.

EULENSPIEGEL. Steigen S' auf ein' Tisch und stellen S' allenfalls noch ein' Sessel drauf, wenn's nicht hoch genug sein sollt'.

LENCHEN von innen. Gleich, gleich!

HEINRICH verläßt seinen Posten an der Mitteltüre. O Lenchen, nur ein einziges Wort der Liebe!

EULENSPIEGEL zu Heinrich. Ob S' dort stehen bleib'n wer'n oder nicht?

HEINRICH eilt wieder zur Mitteltüre und horcht.

LENCHEN hat mittlerweile von innen das Fenster ober der Türe geöffnet.

EULENSPIEGEL zu Lenchen hineinrufend. Ziehen S' nur g'schwind die Kleider an. Er gibt den mitgebrachten Bündel zum Türfenster hinein. Jetzt kommt's nur noch drauf an, daß ich dem Alten den Schlüssel aus 'n Rock praktizier'.

HEINRICH. Es kommt jemand.

EULENSPIEGEL steigt vom Tische herunter und rückt ihn schnell auf den vorigen Platz. Nur g'schwind wieder in Kasten hinein, Mussi Heinrich!

HEINRICH verbirgt sich im Wandschrank.

EULENSPIEGEL. Ich fahr' auch derweil ab. Eilt in die Seitentüre links.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 398-399.
Lizenz:
Kategorien: