Erster Auftritt


[691] Frau von Frankenfrei, Frau von Schnabelbeiss, Frau Pemperl, Frau Schabenfellner, Walpurga, Babette, Kathi, Adele, Herr von Reakzerl, Sperling.

Die Gesellschaft konversiert, die Frauen sitzen auf den Kanapees und Fauteuils, die beiden Herren machen den Damen die Cour. Die Mädchen sind miteinander im Gespräche begriffen.


REAKZERL zu Frau von Frankenfrei. Und Sie sollten wirklich keinen besondern Zweck damit verbinden? meine Gnädige –[691]

FRAU VON FRANKENFREI. Womit? –

REAKZERL. Mit dem splendiden Dejeuner womit Sie uns bewirtet haben.

FRAU VON FRANKENFREI. Ihre angenehme Gesellschaft zu genießen, ist das nicht Zweck genug? Und wenn Sie einen besondern wollen, so wäre es der, Ihre allerseitigen Äußerungen über die neue Gestaltung der Verhältnisse zu vernehmen.

BABETTE. Da verstehen wir wohl gar nichts.

ADELE. Von solchen Verhältnissen nämlich –

FRAU VON SCHNABELBEISS. Ach, die Politik, die leidige Politik!

WALPURGA. Ich hör' gar kein anderes Wort zu Haus.

FRAU PEMPERL. D' Politik ließ ich mir noch g'fallen, aber die Freiheit!

ADELE entzückt. Es ist etwas Herrliches um die Freiheit!

FRAU VON SCHNABELBEISS. Ob du schweigen wirst, du weißt ja gar nicht was das ist.

SPERLING. Als Poet hab' ich nichts gegen die Freiheit, sie gewährt den Dichtern ein weites Feld zur Tummlung ihrer Pegasusse.

REAKZERL. Der Staatsmann muß sie unbedingt verdammen, denn alles faselt jetzt schon von Menschenrechten; der subalterne Beamte sogar wagt Äußerungen, wenn er sich malträtiert fühlt.

FRAU PEMPERL. Die Freiheit ist einmal das, was die Männer ruiniert.

FRAU SCHABENFELLNER. Wie die s' benutzen, wer kann ihnen denn nachgehen auf jeder Wacht? 's Nachhausekommen haben sie sich ganz abgewöhnt.

FRAU PEMPERL. Heute haben s' a Sitzung, morgen a Katzenmusik, den andern Tag ein Verbrüderungsfest, und sooft ich den Meinigen ans Herz drücken will, sagt er, er muß patrouillieren gehen.

KATHI. Mir g'fallen die Männer erst, seitdem sie alle Säbel tragen.

ADELE. Wenn erst Studenten hier wären.[692]

FRAU VON SCHNABELBEISS. Sprichst du schon wieder von Dingen, die du nicht verstehst?

SPERLING. Mir hat die Freiheit ein kleines Gedichtchen entlockt, welches ich der Gesellschaft mitzuteilen mich bewogen fühle. Liest aus einem Blättchen Papier.


An die Freiheit


Ei ei, ei ei,

Wie sind wir so frei,

Das ist uns ganz neu,

Sonst nur Sklaverei,

Jetzt Freipresserei,

Volksregiererei,

Drum Jubelgeschrei,

Wie sind wir so frei,

Ei ei, ei ei.


Es ist unmöglich über diesen großartigen Gegenstand etwas Zarteres zu schreiben.

REAKZERL. Herr von Sperling, solche Gedichte dürften Se. Herrlichkeit im hohen Grade mißbilligen.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 691-693.
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