Zweiter Auftritt


[693] Vorige. Ultra.


ULTRA in seiner natürlichen Gestalt zur Mitte eintretend, zu Frau von Frankenfrei. Gnädige Frau, ein Ultra, der keinen Absolutismus außer den der Liebenswürdigkeit anerkennt, legt sich Ihnen zu Füßen.

REAKZERL beiseite. Der hier? der Radikale! –

FRAU VON FRANKENFREI. In dieser mir von Ihnen zuerteilten Machtvollkommenheit, verurteile ich Sie für Ihre Saumseligkeit –

ULTRA. Zu was Sie wollen, denn ich bin des Pardons gewiß, wenn ich Ihnen Ursache und Resultat meiner Verspätung sage.

REAKZERL. Sie wagen es, in Krähwinkel zu erscheinen? Sie? den der Herr Bürgermeister ausgewiesen.[693]

ULTRA. Ja, das war noch vor der Freiheit, da haben die Bürgermeister noch die Leute ausgewiesen, jetzt danket mancher Gott, wenn er sich selbst ordentlich ausweisen könnt'.

REAKZERL drohend. Herr, halten Sie Ihre Zunge im Zaume!

ULTRA. Das hab' ich in früheren Zeiten nicht immer getan, jetzt is schon gar keine Idee!

REAKZERL. Frau von Frankenfrei, ich begreife nicht, wie Sie in Ihrem Hause, welches sogar der Herr Bürgermeister beehrt, einem Menschen Zutritt gestatten –

ULTRA. 's is wahr, der Bürgermeister und ein Mensch kommen in dasselbe Haus, is halt a g'mischte Gesellschaft.

REAKZERL mehr gegen Frau von Frankenfrei. Dieselbe Bemerkung hab' ich früher im stillen gemacht, als ich unter den Damen sogar die Nachtwächterstochter erblickte.

ULTRA. Hören Sie, die is ein braves Mädl, Sie beleidigen also nur die übrigen, wenn Sie da etwas Gemischtes herausfinden wollen.

FRAU VON SCHNABELBEISS. Mein Herr, ich bitt' mir's aus, meine Tochter ist auch dabei, und eine Geheimratstochter wird doch gegen eine Nachtwächterstochter ein immenser Unterschied sein.

WALPURGA gekränkt. Ich hab' mich ja nicht aufgedrungen.

FRAU VON FRANKENFREI zu Walpurga, welche die andern Mädchen freundlich trösten. Beruhigen Sie sich –

FRAU VON SCHNABELBEISS noch zorniger. So weit sind wir noch nicht mit der Gleichheit. Mein Seliger war Geheimer Rat, und ich werd' Ihnen schon noch zeigen, was eine Geheime Rätin ist.

ULTRA. Schauen Sie, erstens muß ich Ihnen sagen, für eine Geheime Rätin schreien Sie viel zu stark. Und dann ist gottlob die Zeit vorbei, wo das »Geheimer Rat« eine Auszeichnung war. Ein guter ehrlicher Rat darf jetzt nicht geheim sein, 's ganze Volk muß ihn hören können, sonst is Rat und Ratgeber keinen Groschen wert.

FRAU VON SCHNABELBEISS. Das ist zu arg!! – Luft! – ich ersticke! –[694]

REAKZERL drohend zu Ultra. Sie führen eine Sprache – Herr, trauen Sie mir nicht –

ULTRA. Gewiß nicht; Sie sind Reaktionär, und denen is nie zu trauen, übrigens sag' ich Ihnen, Sie verzopfter Kanzleimann, wenn Sie glauben –

EIN BEDIENTER ohne Livree, zeigt sich meldend an der Türe. Der Herr Bürgermeister kommt.

REAKZERL beiseite. Dem Schlingel bleibt auch schon die Herrlichkeit im Halse stecken.


Ultra zieht sich zurück.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 693-695.
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