Einundzwanzigster Auftritt

[493] Johann allein.


JOHANN. Bald hätt' ich vergessen, die Spieltisch' muß ich arrangieren. Nimmt aus einer Tischlade Karten und Markenschachteln. Da werden s' Whist spielen. Legt Karten und Markenschachteln auf die beiden hinteren Tische. Und da Tarock.[493] Legt Karten und Markenschachteln auf die beiden vordem Tische. Ich hab' auch einmal g'spielt, sehr stark, wie ich noch kein Geld hab' g'habt. Jetzt aber, seitdem ich was hab', is mir das Geld eine viel zu ernsthafte Sache, als daß ich drum spielen könnt'. Und 's is auch was Fades, das Kartenspiel'n; ich begreif nicht, wie man da was dran finden kann. Man verliert Geld und Zeit. Zeitverlust ist auch Geldverlust, also verliert man doppeltes Geld und kann nur einfaches gewinnen. Wo ist da die Raison? Und doch behaupten so viele, sie spiel'n nach der Raison. Wie is das möglich, da das Spiel an und für sich keine Raison ist! Daß das Spiel nicht Sache des Verstandes ist, das zeigt sich ja schon aus dem ganz klar, daß die g'scheitesten Leut' beim Spiel oft so dumm daherreden. Man muß nur ins Kaffeehaus gehen und zuschaun, da muß man dann ein' Degout krieg'n, da begreift man gar nicht, wie's möglich war, daß man selber jemals mitg'spielt hat.


Lied


1.

Ist das etwas Ang'nehms, wenn ich mich hinhock'

Und spiel' von halb drei bis um neune Tarock?

Der eine spielt schmutzig, der andere schlecht,[494]

Das ist ja grad, daß man aus der Haut fahren möcht'.

Der macht drei, vier Ultimo in einem Nu,

Drauf paßt er als erster, hat d' Hand voll Atout.

Der sticht den Pikkönig, man schimpft übers Glück,

Nach vier Stich' heißt's: »Verzeihn Sie, ich hab' noch a Pik.«

Der denkt sich: »Pagat ansag'n? Wird's ratsam sein?«

Und schaut seinem Nachbarn in d' Karten hinein.

Man kriegt oft kein ord'ntlichs Blatt, nit zum Erleb'n,

Endlich steig'n tous les trois auf; jetzt heißt's, 's is vergeb'n.

Da finden d' Leut' dran a Vergnüg'n,

Ich, offen g'sagt, nit, ich müßt's lüg'n.


2.

Das Whistspielen vor allem, das is gar ein Genuß;

Ich hab' noch kein Robber g'sehn ohne Verdruß.

Nix reden! Das is d' erste Regel dabei.

Das sagt jeder, macht aber a unsinnigs G'schrei.

Der springt bei ein' jedem verdalkten Levee

Mit alle Mordtausendel'ment in die Höh'.

Der schreit: »Sie hab'n Treff! Warum hab'n Sie's nit g'spielt?«

Der sagt: »Korrigier'n S' mich nit, sonst werd' ich wild.«[495]

»Mit Ihnen Whist spiel'n, das ist sehr angenehm,

Ich glaub', mit dreizehn Atout noch verpatz'n S' ein' Schlemm.«

»Sei'n S' stad«, sagt der andere, »tuschier'n Sie mich nicht«,

Und wirft seinem Partner fast d' Karten ins G'sicht.

Da finden d' Leut' dran a Vergnüg'n,

Ich, offen g'sagt, nit, ich müßt's lüg'n.


3.

Der schönste Genuß aber tut außaschaun,

Wenn man a Spielpartie kriegt mit a paar alte Fraun,

Es ist nit zum glaub'n, was all's für ein'n Diskurs

Bei einer solchen Pref'ranz der Mensch anhör'n muß!

Die erzählt den Verdruß, den s' mit die Dienstboten hat;

Die zerlegt alle häuslich'n Verhältniss' der Stadt;

Wenn s' ausspiel'n soll, greift s' g'schwind noch einmal in Sack,

»Erlauben S', mon cher!« und schnupft wieder Tabak;

Die andere hat Ängsten und spielt ganz verwirrt,

Weil im Zimmer a Mopperl ihr Pintscherl sekkiert.

Und g'winnt man sechs Groschen, so machen s' ein' aus

Und beim Zahl'n heißt's: »Ich hab' meinen Beutel zu Haus!«

Da finden d' Leut' dran a Vergnüg'n,

Ich, offen g'sagt, nit, ich müßt's lüg'n.[496]


4.

's Hasardspiel, das muß man erst kennen aus 'n Grund,

Das is nicht nur z'wider, das bringt ein' auf 'n Hund.

Da setzt mancher oft noch sein letzt's bissel Geld,

Glaubt, einmal muß's einschlag'n, und allweil is's g'fehlt,

Jetzt setzt er sein' Ring und jetzt setzt er sein' Uhr,

Den Verlust wieder 'rein z' kriegen, aber kein' Spur,

Jetzt setzt er sein' Rock, um doch etwas z' krieg'n,

Der Bankgeber tut auch den Rock noch einzieg'n,

Da treibt ihm Verzweiflung die Augen heraus,

Denn er muß zu sein' Weib und acht Kindern nach Haus.

D' Familie, die weint, und d' Familie, die schreit,

Sind voller Hunger und krieg'n nix für heut.

Da finden d' Leut' dran a Vergnüg'n,

Ich, offen g'sagt, nit, ich müßt's lüg'n.


5.

Hunderteins spiel'n d' Fiaker, und d' Unterhaltung ist groß,

Da hauen s' in Tisch hinein ärger noch als d' Ross'.

Da schreien s': »Million nein! Wer hätt' sich das denkt!«

Wenn man fragt: »Was ist g'schehn?«

– »Der hat'n Maxel ausg'henkt!«[497]

's tun viele ihr Geld zum Halbzwölfespiel trag'n,

Den Tag drauf um halb zwölf haben s' nix als ein' leer'n Mag'n.

Da spielen a paar Strohmandl an ein' Tischerl klein

Und vergessen dabei, daß s' selbst Strohmandln sein.

Ich kenn' nur ein einziges Spiel, was mich g'freut,

Nämlich das Spiel, was Ihrem Vergnügen geweiht.

Wenn man da reüssiert, spielt man g'wiß nicht umsunst,

's winkt einem hoher G'winn, und der ist Ihre Gunst.

Das läßt sich mit Gold nit aufwieg'n,

Daran find' ich's größte Vergnüg'n.


Ab durch den Saal links.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 493-498.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Zu ebener Erde und erster Stock
Zu ebener Erde und erster Stock
Zu ebener Erde und erster Stock

Buchempfehlung

Anonym

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Das chinesische Lebensbuch über das Geheimnis der Goldenen Blüte wird seit dem achten Jahrhundert mündlich überliefert. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Richard Wilhelm.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon