An Flavien

[104] B.N.


Wenn meine feder nicht mit rosen-zucker quillet/

Wenn eckel und verdruß aus allen zeilen steigt/

So dencke/ daß der schmertz mein schreiben itzt umhüllet/

Und dir die traurigkeit auff armen blättern zeigt.

Zwey wörter: gute nacht! verrücken hand und sinnen/

Die liebe macht nicht mehr mein hertze geister-voll/

Und alles/ was mir noch kan in die feder rinnen/

Ist/ daß ich/ schönste/ dich nicht länger sprechen soll.

Ach wie betrieglich sind doch hoffnung und gedancken!

Wie schwer verbinden sich doch lieb und mögligkeit!

Was anfangs uns gelückt/ kan noch im ende wancken/

Und morgen donnert offt/ was heute sonnen streut.

Mein lieben war bißher ein paradieß gewesen/

Ein garten/ den ich offt verwundert angeschaut/

Der mich so blumen ließ wie palmen-früchte lesen/

Wenn ihn dein freundlich-seyn mit zucker überthaut.

Die nelcken blühten mir auff deinen zarten wangen/

Dein amber-voller mund trug purpurnen jesmin/

Und machte/ daß ich offt mehr safft und krafft gefangen/

Als bienen honigseim aus hyacinthen ziehn.

Der hals schwamm voller milch von reinen lust-narcissen/

Die brüste fiengen an mit rosen auffzugehn/

Und wilst du mein gelück in einer zeile wissen?

Dein auge/ Flavia/ war auch mein tausendschön.

Diß alles hat der sturm der zeiten mir entzogen/[104]

Und wie der sonnen licht durch nebel unterdrückt/

Nachdem ein ander mich an anmuth überwogen/

Und dein verliebtes hertz aus meiner hand gerückt.

Du fiengst ihn selber an mit liljen zu beschütten/

Und halffest ihm mit lust auff des gelückes schooß;

Doch alles konte noch bey weitem nicht verhüten/

Daß ich zuweilen auch nicht einen blick genoß.

Itzt aber must du gar aus meinen augen scheiden/

Wie will mein paradieß nicht endlich untergehn!

Denn wenn du Pommern wilst mit deinen rosen kleiden/

So werden künfftig hier nur scharffe dornen stehn.

Was werden? ich bin schon von aller lust verlassen/

Denn himmel und gewalt reist ihren garten ein/

Und heist den liebes-stock vor traurigkeit erblassen/

Mich aber ohne trost/ und ohne blumen seyn.

Das süsse löffel-kraut/ das meinen geist getrieben/

Entzeucht mir seine krafft/ wie du dein angesicht;

Und was mir endlich noch von allen übrig blieben/

Ist nur ein blümichen/ das heist: Vergiß mein nicht.

Diß leg ich/ schönste/ dir zu deinen marmel-füssen/

Ach strahl es/ wie du pflegst/ mit holden augen an;

Weil diß mein leiden doch alleine wird versüssen/

Wenn deine liebe mich nur nicht vergessen kan.

Mehr fordert nicht mein hertz/ wohl aber meine flammen/

Die/ weil ich seuffzen kan/ nicht werden untergehn;

Denn ihre hitze schlägt von weitem auch zusammen/

Und sucht/ was glück und zeit itzt heissen stille stehn.

Ich brenne/ doch der mund muß wider willen schweigen;

Mein feur soll voller qual/ nicht aber redend seyn/

Sonst würd ich dir den schmertz so wie mein hertze zeigen/

Und mehr als thränen-saltz zu deinen füssen streun.

Ach allerschönstes kind/ erkenne mein gemüthe/

Und schau zuweilen mich noch in gedancken an!

Denn hab ich ärmster nur die strahlen deiner güte/

So weiß ich/ daß der tod mir wenig schaden kan.

Ich sterbe mit gedult in meinen harten stricken/[105]

Wenn deine flamme nur noch meinen geist bewegt;

Denn dieses soll mich auch im tode noch erquicken/

Daß mich die blosse treu zu meinem grabe trägt.

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster Teil, Tübingen 1961, S. 104-106.
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