Dritte Scene

[23] Die Vorigen. Zwei Spielleute, ein Geiger und ein Clarinettenbläser, treten auf.


SCHMIDT. Des is dem Paganini sei Bruda.

DATTERICH. Wos? Ei der kann's noch besser; dann der Paganini geit blos uf ahner Seit, un Der uf drei.

SPIRWES. Ja, un gibt's doch wolfeler.

BENNELBÄCHER. Mer wollen-en en Grosche gäwwe, daß se ufhehrn.

MARIE zu ihren Eltern. Horcht-er? sie spiele en Kerwewalzer, den how-ich uf der Bessunger Kerb vorm Johr mi'm Kall gedanzt.

FRAU DUMMBACH zu ihrem Mann. Er laut fast grood, wie der Straußisch Walzer, der uf unserer Hochzeit gespielt worn is.

DATTERICH zu Schmidt. Hawwe-Se kahn klahne Grosche? Ich mehkt net wächsele lasse.


Schmidt gibt ihm den Groschen.


DATTERICH zu den Spielleuten. He! Bscht! Freind, mit Eierer Gei!

DER GEIGER kommt näher. Solle mer emol spiele: »in der Stadt Mainz war ein Soldat?«

DATTERICH. Ich wohlt, Ihr wehrt bei em. Da is e Grosche: wann-er gar net gespielt hett, hett-er sechs Kreizer krickt.

DER GEIGER steckt den Groschen ein. Sie vastehn kah Kunst.

DATTERICH. Gebt uns e sterker Drommelfell, dann vastehn mer-se ehr.


Der Geiger geht brummend an den andern Tisch.


DUMMBACH. Ihr hobt eier Sach recht gut gemacht. Da! Gibt ihm Geld. do dafor spielt-er uns noch de Lauderbacher.


Die Spielleute beginnen ihre Musik wieder.


DATTERICH. Trinke-Se schnell aus, meine Herrn, die Kerl geie un blose uns de Eppelwei noch sauerer. Hält sich die Ohren zu. Wann se ufhern, meine Herrn, sage se mersch, dann ich hab mei Ohrn net gestohle.

SPIRWES. Wos der Kerl an seiner Klanett kaut!


Datterich fängt an zu pfeifen.


DER GEIGER tritt giftig auf ihn zu. Uhze Sie sich mit annern Leit, wann-Se wos wisse wolle! Gucke- Se en annern Wähk, wann-Se[24] unsa Spiel net hehrn wolle odder ich haag Ahm die Gei uf die Badderie, daß er des Zawwele krickt, Sie –

DATTERICH kaltblütig zu den Andern. Guckt emol de beleidigte Kinstlerstolz! Zu dem Geiger. Ich will Eich emol en Roth gäwwe: kinftig fihrt als Bahwoll nach un dahlt-se an die Zuherer aus, eh-Er mit Eierm Concert ohfangt, dann werd sich Kahner die Ohrn zuhalte, mei liewer Kratzmichel.

DER GEIGER. Sie sinn mer vieler zu schleecht –

DATTERICH. Geit Eich hahm und vaderbt des Wetta net!

SCHMIDT. Laßt Eier Grobheite un geht Eiern Wähk!

DATTERICH. Macht e Paus, Liewer, die hebt ich von Eich am Allerliebste.

DER GEIGER boshaft. Jetz grood net. Er winkt seinem Begleiter und die Musik beginnt von Neuem; Datterich hält sich die Ohren zu; die Musikanten gehen spielend ab.

DATTERICH ruft ihnen nach. Halt! Kommt iwwermorje zu mer, ich hab Meis in meiner Stub, Ihr sollt mer e halb Stunn musezirn, daß se kabutt gehn!

SPIRWES zu Datterich. Der hot Ihne emol de Krage erausgemocht.

BENNELBÄCHER. Ich hett mersch von so eme Bellmann net gefalle losse.

DATTERICH. Was wollt ich dann mit-em mache? So e Mensch is kah Gäjestand for mein Zorn: je mehr so Ahner um sich speit, desto mehr Spaß macht mer'sch. So wollt ich's grad hawwe.

DUMMBACH. Mer mahnt Wunner, wos der for e diffensil Gehehr hett. Der Mann hatt ganz Recht: ich loß mer aach mei Mettieh net stumpirn.

FRAU DUMMBACH. Es zickt owwer do, wie all nix guts. Mer wolle uns liewer in e Stubb setze.

MARIE. Ja, sonst howwe-Se morje widder en Backe, so dick.

DUMMBACH. Mer mahnt, ihr Weibsleit wehrt von merwe Daaig. No, so kummt! Sie gehen ab.

DATTERICH zu Schmidt. War des Diejenige, welche –


Schmidt nickt mit dem Kopfe.


DATTERICH. Net iwwel. Wann's Ihne Spaß macht, will ich Ihne emal morje e Mädche weise – es is e Bäsche von mer: da gucke-Se[25] sich die Aage blind, un, wos des Best is, sie hat Majes un ihr Vadda sitzt im Gemahnderath.

BENNELBÄCHER. Herr Datterich, ich hab kah Geld mehr bei mer, wolle-Se mer gefelligst die nein un dreißig Kreizer gäwwe, wo-Se mer am vawichene Mondaag schullig gebliwwe sinn?

DATTERICH stellt sich, als höre er es nicht. Der alt Dummbach is werlich der greeßt Zeidungsna(rr), den mer zwische-m Rhei un Mai finne kann.

BENNELBÄCHER. Guck, do will des Oos nix hehrn!

DATTERICH. Meine Herrn, ich stimm davor, daß mer noch e Bisje uf's Dippels Hof geht, do is äwe e Bergsträßer, der sucht seines Gleichens, uf Ehr.

BENNELBÄCHER. Wann ich mit soll geh, de gäwwe-Se mer die bewußte nein un dreißig Kreizer.

DATTERICH. Des hätt ich vagesse. No komme-Se nor, uf dem Dippelshof solle Se's hawwe – Zu Schmidt. Sie gehn doch aach mit uns?

SCHMIDT. No ja; eigentlich sollt ich mich e Bisje mehr um de Herr Dummbach bekimmern, er hot gern, wann ich-en e Bisje unnerhalt.

DATTERICH. Wann-Se e Zeidung wehrn, hett-er Ihne noch liewer.

SPIRWES. Worum soll dann net do gebliwwe wern?

DATTERICH deutet hinter die Coulissen. Dort gucke-Se! Kenne-Se Den?

SPIRWES steht schnell auf. Der Deiwel, des is jo der grob Bengler. Alleh, meine Herrn, dem mag ich net in die Kralle falle.

DATTERICH. Haw-ich's net gesagt? Der kennt Ahm die Seel aus dem Leib reiße un mit Fihße druf erum drähte, so en Gift hat er, wann mer emal e Rechnung e halb Johr lenger steh leßt. Wos e Glick, daß er uns net kennt, dann es is e schähler Giwick.

SPIRWES. Ja, Gottlob, uf zwanzig Schritt kann er en Mensche net von eme Schaaf unnerscheide.

DATTERICH. Es gibt Mensche, bei dene kann ich aach de Unnerschied net finne, un wann ich an ihrer Seit geh. Er geht an Spirwes Seite nebst den übrigen ab.


Der Vorhang fällt.


Ende des zweiten Bildes.

Quelle:
Ernst Elias Niebergall: Datterich. Berlin 1963, S. 23-26.
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