Eilfte Scene

[67] Die Vorigen. Datterich.


DATTERICH macht nach allen Seiten Verbeugungen. Sollt' mei Gäjewatt widder Vamuthe allenfalls unerwatt sei, so kann ich doch net zweifle, daß se hechst willkomme sei werd, indem ich so glicklich bin, eine Nachricht iwwerbringe zu kenne, die des Glick zweier mir sehr deierer Persone begrind't. Sieht lächelnd Marie und Schmidt an, die vor Erstaunen starr und stumm sind. Meiner Vawendung is es endlich gelunge –

KNIPPELIUS. Alleweil sag ich: net meeglich!

DATTERICH ergreift Schmidt's Hand. In diesem liewenswerdige Familjezerkel bring' ich-der mei uneigenitzigste Glickwinsch, liewer Schmidt. Mit Biederkeit. Sei still, ich valang kahn Dank; was ich duh konnt', haw' ich gedah, un hab's gern gedah: du bist recebirt. Ich gradelir'. Allgemeines Staunen.

DATTERICH wendet sich zu Dummbach. Ich muß nor winsche, sehr vaehrungswerdiger Herr Dummbach, daß sich die bolidische Wolke äwe so von Eiroba zerstreie ließe, als wie ich des beneidenswerthe Glick hatt, die Wolke des Grams von diesem liewende Paar zu vascheiche. Ich bitt' mer die Erlaubniß aus, Ihne von Zeit zu Zeit mei Ufwardung mache zu derfe, un mich von Ihne iwwer diejenige Adickel der Zeidung belehrn zu losse, die ich net begreife kann.

SCHMIDT der Miene macht zu sprechen, wird von Knippelius und Marien daran verhindert.

DUMMBACH hustet. Soll mer sehr – ich winscht –

DATTERICH sehr höflich zu Knippelius. Ihr fernere Freindschaft wern-Se mer gleichfalls net enziehe, Herr Knippelius. Ich war vohrt an eine Ort, da haw-ich zu meim greeßte Vagnihge gehehrt, daß Ihne ihr Flahsch des beßt in ganz Dammstadt is. Obwohl ich des schon friher gewißt hab, so hat mich's doch sehr erfreit, Ihne ihr Lob aach von Annern zu hehrn.

KNIPPELIUS. Des howwe-Se gewiß uf der Bolezei gehehrt.

DATTERICH ohne aus der Fassung zu kommen. Allerdings bin ich vohrt in Geschäfte dort gewäse, äwe wäje dene liewenswerdige charmante junge Brautleit hier, um die Sach zu beschleunige.

KNIPPELIUS. Ich mahn, ich hett Ihne in Gesellschaft von Bolezeidiener uf's Bihro geh sähe?[68]

DATTERICH. Meeglich. Ich hatt mit dem Ahne Ebbes zu spreche.

KNIPPELIUS. Um Vagäbung, wann ich mich net sehr err, do howwe-Se aach uf der Britsch gesässe?

DATTERICH unerschüttert. Kann sei. Ich war von dem Eifer, meim Freind zu diene, un von eme Spaziergang – ich sag Ihne, e kestlich Wasser in dene drei Brunne! – dergestalt eschoffirt, daß ich mich e Bisje gesetzt hab, um mich auszuschnaufe. Wendet sich wieder zu Schmidt. Dir, liewer Schmidt, kann ich net Glick genug winsche. Heirathe, haaßt mer in die Lotterie gesetzt: Du host des groß Loos gewunne.

SCHMIDT der die ganze Zeit über Zeichen von Ungeduld und Ärger von sich gab, entrüstet. Wie kumme mir dann widder zu dem Du? Gehn-Se zu Ihne ihrm dicke Bennelbächer un zu Ihne ihrm derre Sperwes un duhze-Se-se, Sie schlechter denkender Mensch, un wann-Se kinftig nor soge, daß-Se mich jemals gekennt hette, do vaklag ich Ihne!

DATTERICH verletzt. Is Des die Stimme der Freindschaft? Belohnt mer en redliche Freind so?

KNIPPELIUS. Mache-Se, daß-Se fort kumme, es geht schon gäje Awend, un wann e Dieb bei Ihne eibricht, so misse-Se sich vor-em scheeme.

DATTERICH mit edlem Stolze. Es macht Ihne keine Ehr, Herr Knippelius, iwwer ein vom Schicksal Verfolgte zu spotte, äwe so wenig, als der Umstand, daß-Se Ihr Stimm mit der von eine ungedreie Freind vereinige.

DUMMBACH besonnen. Ich muß leider aach e Wort eninschwätze; es is mei Schulligkeit. Soviel mir bekannt is, Herr Datterich, genieße-Se in der hiesige Stadt un de umliegende Ortschafte net des best Renommeh, sonnern erfreie sich eines iwwele Ruf's.

DATTERICH legt die Hand auf's Herz. Ich bin besser, als mei Ruf, des vasichr' ich Sie.

DUMMBACH fortfahrend. Da ich nu viel uf en gute Nohme halt un aach kahn Wei odder sonstig Gedränk im Keller hob, so werd's Ihne wohl net sehr schwer falle, mich mei Zeidunge aach kinftig vor mich läse zu losse. Macht einen Diener.

DATTERICH macht gleichfalls einen Diener. Ganz nooch Ihne ihrm Beliewe.

FRAU DUMMBACH. Sein-Se doch aach so gut un schicke-Se dem Schmidt sei Stiewel widder, wo-Se ohhawwe; ich kenn-se an dem Riester, wo am linke is.[69]

SCHMIDT. Ich will s'em schenke.

DATTERICH. Ich pfleg solche Geschenke nicht zu accebdirn un wer-se Ihne mit erschter Geläjenheit dorch mein Borsch zuricksende. Iwwrigens seh' ich, daß Undank der Welt Loh is; no, in meim amtliche Wirke is mer'sch jo net besser gange. Ich kann mich dreeste. Erlauwe-Se mer nor noch e poor Worte, dann will ich Ihne von meiner Gäjewatt befreie. Zieht sich gegen die Thüre zurück. Sie, Herr Schmidt – Freind kann un mag ich Ihne net mehr nenne – Sie, Herr Schmidt, Sie krijje von eine gewisse Jemand en anonyme Pandoffel zur Haussteier, um die Sanftmuth Ihrer zukinftige Frah Gemahlin zu bezeichne.

SCHMIDT tritt entrüstet auf ihn zu. Kerl, unnersteh' dich!

DATTERICH. Sie scheine zu vagesse, daß unser Schmolles ufgehowwe is, mein Herr.

KNIPPELIUS hält Schmidt zurück. Ruhig, loss'en, er hot Eselsfreiheit.

DATTERICH. Sehr vabunde, Herr Knippelius. Fohrn-Se nor gedroost fort, weibliches Rindvieh von ehrwerdigem Alter zu schlachte: an meiner Rekommandation soll's Ihne, uf Ehr, net fehle.

KNIPPELIUS. Sie wern noch froh sei, wann-Se olt Kihflahsch zu kaue hette.

DATTERICH. Kennt' der Fall sei: alsdann wer ich so frei sei un mich an Ihne wenne. Sie, Herr Dummbach, läse-Se Ihrer Frah nor recht aus de Zeidunge vor, dann Sie wern sonst so leicht Niemand finne, wo so ahfellig is un hehrt Ihne zu. Wann Sie so fortfahrn, so erläwe mer noch die Frahd, Ihne zum Mitglied der gelehrte Gesellschaft zu Hofheim ernennt zu sähe; ich gradelir' zum Voraus.

DUMMBACH. E unbescheidener Mensch!

FRAU DUMMBACH. Er soll sich sein Rock flicke, ich will-em e Klingel Zwern dazu gäwwe.

DATTERICH verneigt sich. Ich wer'sch mit Dank ohnemme. Wos Sie nu betrifft, Freilein Dummbach, so nemm' ich mer die Freiheit –

SCHMIDT springt hervor. Ja, duhst-de des Maul uf!

DATTERICH fortfahrend. So nemm' ich mer die Freiheit –

SCHMIDT. Nemme-Se mer'sch net iwwel, Herr Dummbach – Faßt Datterich.[70]

DUMMBACH ruhig. Ganz un gor net.


Datterich wird von Schmidt zur Thür hinausgeworfen.


KNIPPELIUS. Der is awwer enausgefloge, wie e Schatte.


Quelle:
Ernst Elias Niebergall: Datterich. Berlin 1963, S. 67-71.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Datterich
Datterich. Lokalposse in sechs Bildern in der Mundart der Darmstädter
Der Datterich im Darmstädter Biedermeier

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Prinzessin Brambilla

Prinzessin Brambilla

Inspiriert von den Kupferstichen von Jacques Callot schreibt E. T. A. Hoffmann die Geschichte des wenig talentierten Schauspielers Giglio der die seltsame Prinzessin Brambilla zu lieben glaubt.

110 Seiten, 4.40 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon