Die 2. Scena.

[119] JUDITH.

Sonne, Zier der Erde,

Die du zu der Nachtrhue schreitest,

Vnd die müden Pferde

In die See zum Trincken reitest:

Zürne nicht, daß du mich siehst

In deß Rawen Volckes Händen,

Das ein Feind deß Höchsten ist.

Ich verhoffe zu vollenden

Für das Landt vnd Billigkeit,

Was mein Sinn jhm fürgenommen,

Ehe du zur Morgen Zeit

Widerumb herauff wirst kommen.

BAGOS.

Was sagst du zu der Sonne,

Du Sonne dieser Welt,

Der Menschen Lust vnd Wonne,

Der kein Gestirne nicht die Gegenwage helt?

Klagest du, daß jetzt der Abend vns beraubet jhrer Zier?

Laß sie jmmer vntergehen; scheinest du doch bey vns hier.

JUDITH.

Recht zusagen was ich mache, mich bedünckt, der Sonnen Licht

Sey ein Bildnüß deines Herren: weil mein Antlitz aber nicht,

Wie es wündtscht, jhn sehen kan,

Schawt es diß sein Vorbild an.

BAGOS.

Eben dieser, den du lobest, Judith, wil auffs Nachtmal hier

Viel deß Volckes Edle Helden bey sich wissen neben dir.

Komm; dann dein vnd sein begehren stimmet gäntzlich vberein.

Wündtschest du jhn stets zu sehen, so gefellst du jhm allein.

JUDITH.

Ich arme Magd, was für Verdienst vnd sachen

Sind doch an mir, darauff ein solcher Held,

Die Furcht vnd Krafft der Welt,

Ihm darff Gedanken machen?

Wiewol ich nun der Gunst mich Vnwerth schätze,

So stell ich sie doch nicht zurücke:

Sein Wollen ist mein Glücke,

Sein Wincken mein Gesetze.

BAGOS.

Ich wil mit dieser Post zu meinem Herren eylen;

Du wollest dich allhier ein wenig nur verweilen.


Quelle:
Judith-Dramen des 16./17. Jahrhunderts. Berlin 1933, S. 119-120.
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