[123] JUDITH.
Du Kühnster Heldt,
Der jemals Lantz vnd Schildt
Geführet hat, der alles Landt erfüllt,
So weit die Welt von grossen Thaten sagt:
Wie sol doch deine Magdt
Das vnverhoffte Glück in ewigkeit verschweigen,
Daß du sie anzusehn die Gnad jhr wilst erzeigen?
HOLOFERN.
Sol die zu meinen Füssen liegen,
Die meinem Hertzen ob kan siegen?
O Edle Fraw, du Außbund aller Zier,
Du findest jetzt nicht Mayestät allhier,
Nicht Waffen, sondern Liebeßflammen.
Ach stelle diese Demuth ein!
Es schickt sich nicht zusammen
Verliebt vnd Prächtig sein.
Wird deine Trew sich deiner Schönheit gleichen,
Vnd du mich meinst, wie dich mein Hertze liebt,
So wil ich deiner Gunst vom halben Theyle weichen
Deß Zepters, welches mir mein Sieg vnd Stärcke giebt.
Man sol von dir forthin vmb meinetwillen wissen,
Wo Oxus vnd Eufrat vnd Ister selber flissen.
JUDITH.
Herr, deine grosse Freundligkeit
Benimbt der Hoheit nicht:
Die Sonn erleuchtet weit vnd breit
Auch Thäler, nicht nur Höhen;
Jedennoch bleibt jhr klares Licht
Am Himmel allzeit stehen.
Dich lieben, fürcht ich nur, das wil mir kaum gehören.
Ich wil alß Dienerinn dich mit Gehorsamb ehren.
HIRCAN.
Sie gehen fort. Wer hat doch weit vnd ferren
So Schönes Weib, so einen grossen Herren
Zugleich gesehn? O der gewündtschten Nacht,
Die diß Pancket vnd was drauff folget, macht![123]
Wolan jhr lieben Rottgesellen,
Indessen wir hier wachen,
So laßt vns auch vns Lustig machen!
Auff, rufft mit mir den lieben Wein Gott an,
Der Frölich ist vnd Frölich machen kan!
CHOR DER WACHE.
Was thustu jetzund oben,
Du Sohn der Semele?
Komm her vnd laß dich loben!
Jach! Evoe!
Komm her vnd gieb zum besten
Die Süsse Rebenbach
Den angenehmen Gästen!
Evoe! Jach!
Der Feldtherr liegt Gefangen,
Schifft auff der Venus See;
Hilff ihm den Port erlangen!
Jach! Evoe!
Weil deine Milch nicht springet,
Da bleibt die Liebe nach;
Du bist, der Wollust bringet!
Evoe! Jach!
Ein Nüchternes Gehirne,
Das fühlet Angst vnd Weh;
Erhitze du die Stirne!
Jach! Evoe!
Viel besser ist ein Becher
Als Leidt vnd Vngemach:
Komm her, du Sorgen Brecher!
Evoe! Jach!
Komm Bassareu, komm Bache,
Komm Vater Bromie!
O Evan, O Jache!
Jach! Evoe!
Buchempfehlung
Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.
278 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro