19. Am Sontage Reminiscere

[216] 1. Thess. 4.


Auff den 102. Psalm

Mein Gebett, o Herr, erhöre.


Ich ermahn' euch jetzund wieder

In dem Herren, liebste Brüder,

Laßt auß euren Hertzen nicht,

Was für guten Unterricht

Wir euch haben mitgegeben,

Wie ihr sollet thun und leben,

Auff daß ihr noch hier auff Erden

Möget mehr als irrdisch werden.


Denckt für andern Sachen allen

Gott dem Höchsten zu gefallen,

Wie ihr denn wol habt gehört,

Daß wir treulich euch gelehrt,

Daß ihr unsers Herren Willen

Müst bedacht seyn zu erfüllen,

Müst die Wercke von euch legen,

Die uns seinen Zorn erregen.


Er befihlet zu vermeyden

Ueppigkeit und schnöde Freuden;

Ihm ist böse Liebeslust

Vor den Augen Koth und Wust;

Darumb solt ihr nicht versehren

Euren Leib, das Faß der Ehren,

Wie die blinden Heyden brennen,

Die noch Gott noch Himmel kennen.


Niemand gehe falsch im Handeln,

Will er für dem Herren wandeln:

Denn er schickt in alles Land

Seine Rach und starcke Hand.

Unsrer Sinnen schöne Gaben,

Die wir einig von ihm haben,

Sind uns nicht umbsonst gegeben,

Sondern wol und recht zu leben.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 216.
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