64. Am 26. Sontag nach Trinitatis

[242] Hebr. 11.


Auff den 18. Psalm

O Herr, der du mir Macht und Stärck thust geben.


Wer recht thun wil, der muß deß Glaubens Gaben,

Ohn welchen wir nichts richten können, haben.

Der Glaube macht, daß wann man was nicht sieht,

Jedennoch weiß, daß es gewiß geschieht.


Der Glaube macht, daß wir bestätigt werden

Und Zweiffels frey, daß dieser Bau der Erden,

Lufft, Himmel, See, was irrgend wird geschaut,

Was lebt und schwebt, auß nichts sey auffgebaut,


Daß er, der Herr, der über uns regieret,

Der Wolcken Zelt hab' herrlich außgezieret,

Der Erden Grund auß nichts mit nichts gelegt,

Der nirgends ruht und dennoch alles trägt.


Durch Glauben ward der Abel angenommen,

Diß Opffer ist für Gottes Anlitz kommen,

Nicht Cains Schein; allein der Glaube nam

Den Enoch weg, daß er gen Himmel kam.


Durch Glaubenskrafft hat Noah angehöret

Deß Herren Wort und sein Gebott geehret,

Wie streng' es war, hat sich ihm gantz vertraut,

Hatt für sein Hauß den Kasten auffgebaut.


Die Welt war noch mit Wasser nicht umbschlossen,

Es hatte sich die Lufft noch nicht ergossen,

Doch gieng er hin und fand Gerechtigkeit

Bey seinem Gott in grosser Zorneszeit.


Durch Glaubenskrafft kundt' Abraham erwerben

Den neuen Ort, so Gott ihm gab zum Erben.

Er ließ es stehn, das liebste Vatterland,

Und gieng dahin, wo er war unbekant.


Deß Glaubens Krafft hat ihn bewegt zu ziehen,

An End und Ort, den Gott ihm selbst verliehen,

Hat dem getraut, der alles schaffen kan,

Wie Isaac und Jacob auch gethan.


Der Glaube bleibt für andern Sachen allen,

Ohn ihn allein kan niemand Gott gefallen;

Den pflantzet vest in eure Hertzen ein

Und laßt ihn nicht, wann ihr wollt selig seyn.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 242-243.
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