Licht und Feuer

[19] Wenn wir jetzt Abends im Dunkeln ein befreundetes Haus verlassen, wo wir einige Stunden nur im Familienkreis oder in größerer Gesellschaft zubrachten und wir haben uns nicht sehr verspätet, so verabschieden wir uns an der Vorsaalthür und gehen die mit Gas – oder doch mindestens mit Petroleumlampen – erleuchtete Treppe hinab. Auf der Straße brennen überall Gaslaternen – höchstens verlöscht ein sparsamer Magistrat von 10 oder 11 Uhr an eine um die andere – aber wir sehen genug, um jeden Begegnenden, jede bedenkliche Wegstelle früh genug wahrzunehmen. Wenn wir dann unsre Hausthür erreicht haben, so empfängt uns auf's Neue die beleuchtete Hausflur. Haben wir unsre eigne Wohnung verschlossen und ist es in ihr finster, so hilft uns nicht allein, wenn wir sie geöffnet, der von außen hereinfallende Schein – sondern es bedarf nur eines Griffes nach dem bereitgelegten Zündhölzchen – so haben wir Licht und fühlen uns wohnlich in den heimischen Räumen.

Wer von dem heutigen Geschlecht wundert sich nicht, solch einen alltäglichen Vorgang so umständlich geschildert zu finden? Wer ist heute noch froh darüber oder gar dankbar dafür, auf erleuchteten Treppen und Straßen zu wandeln und mit der kleinsten Handbewegung mittelst eines unscheinbaren Hölzchens sich zu Licht zu verhelfen?[19] Und doch sind es noch nicht funfzig Jahre her – da gehörte dergleichen in die Feenmärchen und unerfüllbaren Wünsche!

Sagte man da seinen Freunden gute Nacht, so ward man noch von ihnen selbst oder einem dienstbaren Geist feierlich die Treppe hinabgeleuchtet denn sie war für gewöhnlich finster und nur zu außergewöhnlichen Gelegenheiten, wenn man Besuch erwartete und eingeladen, war hier und da ein Talglicht herausgesetzt oder ein Oellämpchen, das immer schweelte, wie im Faust, oder eine große hängende Treppenlampe angezündet, welche Massen von Oel consumirte. Auf den Straßen brannte hier und da an einer Ecke eine Oellampe, die nur einen spärlichen Schimmer verbreitete. Als man sie später quer über die Straße zog an langen Ketten, daß sie in der Mitte des Weges hingen, diese beleuchtend, aber bei jedem Wind bedrohlich hin und herschwankend, so war dies schon ein großer Fortschritt.

Allein bei so bewandten Umständen empfahl es sich, noch eigner Beleuchtung sich zu versichern. Da besaß denn jede Patrizierfamilie eine große Laterne, die sie sich bei Ausgängen zu Abend oder Nacht von dem Diener oder der Dienerin vorantragen ließ. Es war dies ein sehr respectables Gebäude, meist ein Gestell von Zinn oder Messing mit einer thurmähnlichen durchbrochnen Erhöhung, durch welche die nöthige Luft einzog und an dessen höchster Spitze sich auch der Ring zum Tragen befand. Die ovale Hinterseite und die vorn sich als Thür öffnende Seite waren von geschliffenem, gewölbten Glas, zuweilen mit einem hervorspringendem Glasknopf in der Mitte, die schmalen Seiten aus Metall reflectirten[20] das Licht, das von zwei dicken kurzen Wachskerzen auf blanken Düllen am Fuß der Laterne ausging. Natürlich war es ein Hauptstolz für Besitzer und Träger, wenn Glas und Metall daran immer spiegelblank geputzt waren und es hatte für alle Begegnenden etwas Imponirendes, wenn im Straßendunkel eine solche respektable Beleuchtungsmaschinerie auftauchte – man dachte immer, daß dann auch eine stattliche Herrschaft folge – ich erinnere mich selbst mancher Verhöhnung in meiner Kindheit, wenn man sich in dieser Beziehung getäuscht hatte und ein kleines Schulmädchen hinter der kolossalen Laterne mit den zwei Kerzen auftauchte, welche der Schreiber meines Vaters mir vortrug, wenn ich Abends von einer Schulfreundin heim geholt ward. Oft schlossen sich auch in bescheidner Weise andre Nachtwandlerinnen an, die nicht mit Laternen versehen waren. Wer keine Dienerschaft hielt, besaß eine solche oder ähnliche, wenn auch kleinere oder minder elegante Laterne – auch die einfachsten Stalllaternen kamen oft genug zum Vorschein – sich vortragen zu lassen, mußte dies Geschäft selbst übernehmen und zu diesem Zweck erging sich die Industrie allmälig in immer neuen Formen und Einrichtungen. Da gab es runde Glas-Cylinder-Hängelaternen mit einem Pappfutteral, das man, wenn man sie zum Leuchten benutzte, in die Höhe zog, indeß der Cylinder mit dem Licht auf einem Blechbrettchen nur durch Schnüre mit dem Futteral verbunden war – sie schwankten ewig und da man sie oben an einem Ring, darin die Schnüre endigten, tragen mußte, so verbrannte man sich sehr leicht Handschuh und Finger, auch baumelten sie im Wind, oder wenn man schnell gehen wollte, sehr unangenehm hin und her und verlöschten[21] leicht. Eleganter und zweckmäßiger waren die Cylinder in Messing oder lackirtem Blech, das den Hänkel hinten hatte und zwei Flügelthüren öffneten, die innen blank das Licht reflectirten, auch hatte man sie eckig in Buchform u.s.w., auch rund mit einem Stock unten, nach Art der Wagenlaternen. Da sie bei jedem Ausgang beräucherten, voll Wachs tropften u.s.w., so war das Laternenputzen auch eine jetzt ungekannte Sorge der Frauen – denn eine im schlechten Zustand befindliche Laterne – mochte sie nun eine Duodez- oder Folio-Ausgabe sein, ließ auf mangelnde Accuratesse der ganzen Wirthschaft schließen. Bei einer großen Gesellschaft sah man in den Vorzimmern ganze Reihen stattlicher Laternen stehen, von Dienern und Dienerinnen mit Stolz entzündet – und in kleinen Privatkreisen, wenn man mit seinen eignen Laternchen ging, war es noch ein Abschiedsamüsement, sie selbst zu entzünden und dann mit ihnen in der Hand wie Leuchtkäfer fort und nach allen Weltgegenden auseinander zu fliegen. Es gab darunter auch sogenannte »Blendlaternen«, bei denen man selbst gar nicht gesehen ward und welche auf die Begegnenden ein unerträglich blendendes Licht warfen.

Aber, wie schon erwähnt, man bediente sich der Laternen auch weil auf Hausfluren und Treppen keine Beleuchtung herrschte und weil man, wenn man nach Hause in die leere Wohnung kam – doch nicht erst Licht zu machen brauchte.

Licht machen! Ja, das war zur Zeit unsrer Großmütter eine Kunst, die nur wenige verstanden – und wenn sie eine Magd mietheten, so war mit eine der ersten Fragen die: ob sie auch Licht machen könne?[22]

In jeder Küche stand damals meist auf einem Sims über dem Herd ein länglich viereckiges Kästchen von weißem Blech, dasselbe enthielt vier Gegenstände, die man haben mußte, um Licht zu machen: einen Stahl, ein Stück Feuerstein, Schwefelfaden und in einer nach unten mit Blech geschlossenen Abtheilung, eine braunschwarze trockne Masse, die man »Zunder« hieß. Dieselbe ward hergestellt meist aus – alten Strumpfsocken, welche man deshalb in jeder Haushaltung sorgfältig aufhob und die von der Hausfrau oder Köchin am Licht so weit gesengt oder gebrannt wurden, daß sie schwarzbraun aussahen und leicht auseinanderfielen. Da aber dieser Stoff den Funken nicht auffing »nicht fing«, wie man kurzweg sagte, wenn der Verbrennungsprozeß zu weit oder auch zu wenig vorgeschritten war, so gehörte schon eben so viel Geschick als Erfahrung dazu, das richtige Maß zu halten. Wollte man also Licht haben, so schlug man mit Stahl und Feuerstein zusammen über dies Zunderkästchen bis einer der heraussprühenden Funken da hineinfiel und als glühendes Pünktchen sich darin so lange verhielt, bis es gelang mit Hilfe des Athmens den daran gehaltenen Schwefelfaden ein blaues Flämmchen zu entlocken und damit das bereitstehende Licht zu entzünden – pustend und hustend, denn der Schwefeldampf kam meist in die Kehle – und so geschah es manchmal, daß ein unfreiwilliges Husten und Nießen das Licht wieder auslöschte und die Arbeit von Neuem beginnen mußte.

Es war wie gesagt keine leichte Arbeit – es gehörte Geschick dazu und gutes Material, namentlich auch was den Zunder betraf – derselbe zog leicht Feuchtigkeit an und fing dann schwer – die Feuerzeuge galten daher[23] bei Vielen als Wetterpropheten, und nicht ohne Grund, besonders in Winter, wenn es kalt war, aber in ein paar Tagen Thamvetter zu erwarten stand, ward der Zunder feucht und es dauerte lange, ehe das göttliche Licht zum Vorschein kam.

War es nun schon unendlich peinlich, wenn man schnell Licht bedurfte, nicht allein beim Nachhausekommen, sondern vielleicht wenn Besuch kam oder die Kinder schrieen oder der Hausherr klingelte oder sonst ein Ereigniß in der Dämmerung schnell Licht erheischte, oder auch am frühen Morgen, die Magd in der Küche nicht nur Minuten, oft viertel und halbe Stunden lang picken und anschlagen zu hören, ohne daß es zu einem Resultat kam, so war es noch schlimmer sich selbst vergeblich zu mühen und sich über sich selbst ärgernd, noch als ungeschickt verlacht zu finden. Wie viel Verdruß und Aufenthalt in Haus und Wirthschaft entstand nicht allein nur dadurch »daß man kein Licht brachte«!

Ich habe diese Zeit nur als Kind, das noch nicht einmal in die Schule ging, erlebt – und sie währte in meiner Vaterstadt vielleicht nur darum noch etwas länger, weil die ersten Schnellfeuerzeuge, da sie als gefährlich galten, nicht gleich eingeführt wurden, – aber ich habe die Erinnerung daran so treu behalten, weil ich eben noch an zu viel Momente zurückdenken kann, in welchen man in der Küche vergeblich picken und pinken hörte, wo bald der Stahl, bald der Schwefel, bald der Zunder, bald der Feuerstein, bald das Ungeschick verwünscht wurden, und wo dann im Winter die Mutter oft selbst von einem Ofen zum andern lief oder uns Kinder schickte, nachzusehen ob nicht irgendwo noch ein Fünkchen in der Asche[24] glimme, das angeblasen werden konnte, daran noch einen Schwefelfaden zu entzünden. Und auch jenes großen Momentes erinnere ich mich noch, wo es meinen fünfjährigen Kinderhändchen gelang, selbst Licht anzuschlagen – ich bildete mir so viel darauf ein, jubelte und hatte eine so schöne Empfindung wie von einem Wagniß und einem Triumpf zugleich, wie etwa später bei dem Anblick meines ersten gedruckten Gedichtes. –

»Ich habe Licht gebracht!« das war ein stolzer Ausruf – er war mir fast wie eine weihevolle Prophezeiung – wer hat jetzt noch eine Vorstellung solcher innerster Befriedigung, da es es für Jedermann nur eines Griffes bedarf, sich Licht zu verschaffen!

Nur allein um dieser Schwierigkeit willen brannte meine Mutter Nachtlicht und zwar nicht in der Schlafstube, weil es sie da störte, sondern im Nebenzimmer – aber es war da doch gleich bei der Hand. Und wenn ich an diese primitiven Nachtlämpchen denke! Anfänglich verfertigte sie die Großmutter und später auch die Kinderhand. Aus einem kleinem Stückchen Schreibpapier wurden sie geschnitten und ihnen ein Docht gedreht, und dann schwammen und brannten sie lustig die ganze Nacht auf einem kleinem Näpfchen mit Oel. Später kamen ähnliche in den Handel, die mit Wachs getränkt waren und auf dem Oel schwammen, das man auf ein Glas Wasser gegossen.

Etwa Mitte der zwanziger Jahre wurden die Schnellfeuerzeuge erfunden – es war ein kleines Blechgeräthe, roth angestrichen wie die Feuerspritzen. Darin stand ein Fläschchen mit Asbest und Vitriol, daneben eine Partie Schwefelhölzchen, die man in jenes tauchte. Aber auch[25] sie waren vom Wetter abhängig, sie kamen aller Augenblicke einmal in's Stocken, kamen bald in den Ruf der Launenhaftigkeit und fingen auch gern im Thauwetter nicht, weil sie Feuchtigkeit anzogen. So mußten sie aller Augenblicke einmal in die Apotheke wandern, um frisch gefüllt und corrigirt zu werden. Dasselbe war mit der Platina-Zündmaschiene der Fall, den elegantesten, geruchlosesten und idealsten Feuerzeug, das man sich denken konnte. Man brauchte nur auf den Schnepper einer Messingplatte zu drücken und mit einem kleinen Schuß kam eine blaue Flamme heraus, an welcher sich ein angehaltener Fidibus sofort entzündete. Nebenbei bildeten sie ein elegantes Zimmermöbel, da man das Glas, darin sich die Füllung befand, meist in einen zierlich gestickten Ständer unterbrachte. Aber sie waren eben nur für den Salon gemacht, zu aristokratisch für die Küche und überhaupt sehr kostspielig. Hatte man sie einmal ein paar Tage nicht benutzt, so kamen sie aus dem Gange und die neue chemische Füllung war sehr theuer – da auf einmal ward das Phosphorhölzchen erfunden – es ist nicht viel über zwanzig Jahre her – und alle Noth hatte ein Ende.

Es war eine That, so weltbewegend, so befreiend, so symbolisch wie die Anlegung der Eisenbahnen. »Die große Rennbahn der Freiheit« nannte ein österreichischer Dichter, Karl Beck, damals die Eisenbahn – das Streichhölzchen aber, der Lichtbringer, ließ nun eben keinen Winkel mehr unbeleuchtet, ermächtigte jede Hand, selbst die jedes Kindes, nun Licht zu machen. Es drang in das Haus, es half die Wirthschaft, die Küche reformiren – es erlöste Tausende, Millionen von Frauen von der Sorge[26] um Licht. Sie konnten fortan ruhig schlafen – sie wußten, daß sie beim Erwachen am frühen Morgen nicht gleich mit einer schweren, problematischen Arbeit zu beginnen hatten, sie konnten gleich wohlgemuth an ihr Tagewerk gehen.

Aber wir kennen ja alle das erlösende Streichhölzchen, das man indeß doch erst mit großer Bedenklichkeit aufnahm und dem man allerhand Uebles nachzusagen wußte, bis es Bürgerrecht errang!

Wir wollen wieder zurückkehren in die Zeit, da man noch nichts von ihm ahnte und darum sich oft Prometheus zu sein wünschte, der den zündenden Feuerbrand vom Himmel herabholte, oder wo man oft genug die Vestalin im Hause spielte, das heilige Feuer zu hüten auf dem eignen Herd, weil es so schwer war – es wieder anzuzünden.

Und wie beleuchtete man denn seine Räume? Wenn Gäste kamen allerdings mit theuren, weißen Wachskerzen, die ein schönes reines Licht verbreiteten, aber doch keine strahlende Helle, wie man sie jetzt verlangt. Für gewöhnlich aber saß eine ganze Familie bei einem Talglicht, oder im seltenen Falle bei zwei dergleichen, zusammen. Sie waren zwar nicht mit den jetzigen zu vergleichen, sondern um Vieles besser, aber sie mußten aller Augenblicke einmal geputzt werden, sonst brannten sie trüb und dunkel. Die »Lichtputze« ist nun auch bereits in's Fabelbuch geschrieben sammt all den »Lichtputzschiffchen«, die sonst zu einem Paar von Leuchtern gehörten und die man auch gern mit zierlichen Stickereien und Malereien unter Glas versah oder mit Perlen stickte und umwandt.

Das Oel brannte anfänglich nur in blechernen oder[27] messingenen Küchenlampen mit einem Docht aus gedrehten Baumwollenfäden, nachher kamen kleine Studierlampen auf mit gleich einfacher Construction und meist Schirmen von grünem Papier, die man auf dem Studirtisch eines Gelehrten für unerläßlich hielt – ein Ereigniß für die Salonbeleuchtung waren dann die so genannten Astral-Lampen, die nicht wie so viele ähnliche Oellampen an der einen Seite des Cylinders einen schwerfälligen, immer nach einer Seite dunkle Schatten werfenden Kasten hatten, sondern wo sich das Oel in einem Ring befand, der zugleich die Glocke trug. Es wechselte in den Lampen System mit System bis die Rundbrenner der Geweck'schen und Moderateurlampen aufkamen, die wir heute noch haben, wo sie nicht das billige, aber feuergefährliche und zwar mit stechend heller Flamme, aber doch immer dunstig brennende Petroleum verdrängte oder das reine Licht des Gases, das seinen Weg von der Straße erst in die Hausfluren und Verkaufsgewölbe auf die Treppen und in die Geschäftslokale, endlich aus den Sälen in die Salons, Wohnzimmer und Küchen fand. Wenn an die Stelle des Lichterziehens und -Gießens, des Leuchter- und Lichtputzen-Putzens, da dieselben für den Hausgebrauch meist von Messing waren und die Lichte immer liefen, wie später auch die Spermaseti-Stearin-Parafin-Lichte, welche ein Mittelglied zwischen Talg und Wachs bildend, beides als Beleuchtungsmaterial verdrängten, später das Putzen und Reinigen der Oel- und dann das der Petroleumlampen trat – beides ein Geschäft, das Geschicklichkeit und Vorsicht erfordert und darum am besten von den Hausfrauen selbst besorgt wird – so ist dagegen die Gasbeleuchtung eine solche, die im Haus fast gar keine oder nur sehr[28] geringe Arbeit macht – und welche Fortschritte haben wir nicht noch auf diesem Gebiet zu erwarten! Wenn uns das Gas nicht nur leuchtet, sondern auch zum Kochen dient, wenn Luft- Wasser- und Dampfheizung in immer neuen Methoden schließlich alle Ofenheizung verdrängen wird – wie viel weibliche Arbeitskraft wird da vollends im jedem Hauswesen frei und kann – ja muß – sich andern Arbeitsgebieten zuwenden!

Und wenn wir uns vorher vergegenwärtigten, wie Mutter und Großmutter in die Feuerungsstätten, die Defen, guckten und bließen, ein Fünkchen aufzustöbern, so wollen wir ihnen doch auch in die Stätten folgen, worin sie kochten!

Die Küchen waren in den meisten Häusern mit Steinen, Sandsteinen, auch mit Ziegeln ganz oder zur Hälfte getäfelt und darum der Fußboden äußerst kalt. Das Viertel der Küche meist nahm ein großer viereckiger Herd ein, mit einer Vertiefung in der Mitte zur Feuerung. Darüber erhob sich der schräg aufsteigende rußige Rauchfang, der oben offen zur Esse führte. Man kochte da also am offenen Feuer mit Holz. Natürlich wurden alle Töpfe rußig und mußten sorgfältig zugedeckt werden, damit es den Speisen nicht ebenso erging. Auf einem Dreifuß stand immer ein fest geschlossener, stets schwarzer Wasserkessel – und man kann sich denken, wie besonders bei Wind und Wetter, mindestens der Rauch und Ruß in die Küche schlug, oft aber auch Schnee und Regen ihm folgten und das Feuer löschten. Da war denn ein geistreicher Kopf auf den Gedanken gekommen eine eiserne Klappe in dem Rauchfang anzubringen, die man mittelst einer eisernen Kette beliebig ganz oder nur etwas schließen[29] konnte, so daß man also jenes that, wenn man kein Feuer hatte und so die Küche wärmer hielt und doch gegen den schlimmsten Zug und Sturm sicherte. Neben den Herd hatte man früher nur einen Bratofen – dann aber trat an die Stelle desselben die stattliche Kochmaschine mit mehreren eisernen Röhren, endlich folgte auch der Kochherd mit inwendiger Feuerung und eingelassenen Oeffnungen und Ringen für die Töpfe. Aber man hielt noch lange an dem alten Vorurtheil fest, daß sich viele Speisen nur am offenen Feuer schmackhaft herstellen ließen und es dauerte wieder sehr lange, ehe man sich entschloß, die kolossalen Rauchfänge wegzureißen, um kleine, geschlossene Kamine an deren Stelle anbringen zu lassen. Eigentlich nun erst waren die Küchen zu stubenartigen Lokalen umgewandelt, in denen Hausfrauen und Mägde nicht mehr ihre Gesundheit riskirten.

Aber wie sah es nun mit der übrigen Heizung aus? Es gab kolossale Kachelöfen von Thon, die von außen geheizt wurden und zwar mußte man sich dazu einer Ofengabel bedienen – eines Instrumentes, das die Leserinnen wahrscheinlich nur aus dem »Faust« kennen. Es glich eben den Heugabeln, die Zinken und die Hälfte des Stils war von Eisen, die letzte Hälfte desselben, die man anfaßte, von Holz, etwa einen Meter lang. Damit mußte man dann das Holz in den Bauch des Ofens bringen. Man nahm meist ein Gebund Reißig, steckte brennenden Kien hinein und beförderte es so an Ort und Stelle, dann warf man Holz nach und brachte es mit der Gabel in Ordnung, zuletzt gern einen Eichenknorren, der viele Stunden brannte und tüchtig wärmte. Zuweilen kochte man auch etwas an derselben Stelle und die Geschicklichkeit[30] war nicht gering, die dazu gehörte, ein Töpfchen oder einen Tiegel mittelst der Gabel in solcher Entfernung an die rechte Stelle zu bringen, ohne es umzuschütten und ebenso glücklich es wieder herauszuholen. Später erfand man dann Kochöfen, mit Röhren von außen, die dann gleich zweien Herren dienten: das Zimmer wärmten und das Küchenfeuer ersparten und doch die Hausfrau nicht in Verlegenheit brachten, weil im Zimmer selbst eben kein Topf noch Speisegeruch bemerkbar ward. Es kamen dann die Oefen mit eisernen Kasten und Rost, dann die gußeißernen in allen Größen und Nuancen und dann so fort bis zu unsern Regulier- und andern Oefen. Freilich ward nun alles sparsamer und bequemer, reinlicher und ästhetischer, aber doch nur in gewissen Beziehungen. Denn ich darf nicht vergessen auch des Guten der alten Zeit zu gedenken. Die Oefen freilich erhielten fortschrittliche und zweckmäßigere Construction – daß aber die Steinkohlenfeuerung die Holzfeuerung verdrängte, war doch nur, da letztere immer theuerer ward, ein Fortschritt im Interesse der Oekonomie – sonst wahrlich nicht! Wie viel schneller wärmte das Holz, wie poetisch prasselte es, wie rein war die Luft, die es durchflatterte, wie ohne Geruch und Ruß. Als da die Steinkohle kam mit ihren Schwefeldämpfen, mit dem Ruß, der an Alles sich legte und Alles schwärzte – wie haßte man sie doch, wie meinte man doch zu ersticken, wenn sie brannte und mit welchen Schrecken sah man Tapeten, Möbels, Silber, Gardinen, kurz Alles leiden unter ihrem Dunst! Welchen Verdruß bereiteten Torf und Steinkohlen durch die Nothwendigkeit, den Ofen so oft kehren zu lassen, durch die viele Asche – und nun noch dazu Asche, die Niemand mochte, während die reine[31] Holzasche vortheilhaft verkauft oder im Hause selbst zu Lauche verwendet werden konnte. Aber man mußte sich darein ergeben, daß, da die Wälder überall ausgerottet und zurückgedrängt wurden, die gütige Mutter Erde ihren Schooß aufthat und die reichsten Stein- und Braunkohlenlager in Bereitschaft hatte, den Holzmangel weniger fühlbar zu machen – gerade wie sie später die Petroleumquellen sprudeln ließ, als die Maschinen der Industrie das Oel für den Hausgebrauch vertheuert hatten.

Wir hoffen, auch das Petroleum ist wieder nur ein Uebergang zu etwas Neuem. Wie niedlich und sauber sehen sie aus diese kleinen Kochmaschinen in allen Größen von Petroleum – aber die Dunstatmosphäre, die sie um sich verbreiten und die bald die ganze Wohnung durchzieht und uns Kopfschmerzen macht, läßt auch hier Verbesserungen wünschenswerth erscheinen; und da es auf dem Gebiete der Industrie, Mechanik und Chemie nur vorwärts heißt, so erlöst uns vielleicht bald wieder ein neuer Fortschritt – von dem quälenden Geruch, der mit dem Petroleum in alle Wohnungen eingezogen und von der Feuersgefahr, die in seinem Gefolge, noch mehr fast als in dem des Spiritus, der sein Vorgänger war, mindestens bei Kaffee- und Theemaschinen und da immer noch siegreich seine Stellung behauptet. Auch diese Maschinen kannten unsere Vorfahren nicht, auch die erste Kaffeemaschine, wie unzuverlässig und unbequem sie sich auch handhabte, ward als ein Wunderwerk angestaunt, ein Emancipationsmittel aller Alleinstehenden, Frauen wie Männer von der Dienerin, der das Frühstück zu besorgen oblag oder von der Nothwendigkeit eine oigene »Herdstelle« zu besitzen und der Umständlichkeit, sich selbst Feuer zu[32] machen. Wer weiß, kommen nicht bald neue Apparate die Kocharbeit den Frauen immer bequemer und einfacher und ästhetischer zu machen und – immer mehr aufzuheben und damit die Nothwendigkeit gesundheitswidrige, anstrengende, mühevolle und unästhetische Arbeit zu verrichten – oder auch es dadurch, selbst der verwöhnten Dame leicht zu machen, ohne Dienstmädchen die eigne kleine Haushaltung zu besorgen und dadurch so viel billiger und ruhiger zu leben, als dies möglich ist mit fremder Hilfe, – denn eben das durch die Welt Kommen und überall fertig werden Können ohne fremde Hilfe zu bedürfen, ist auch nur ein erstrebenswerthes Ziel und die Grundlage der wahren Emancipation.[33]

Quelle:
Louise Otto: Frauenleben im Deutschen Reich: Erinnerungen aus der Vergangenheit mit Hinweis auf Gegenwart und Zukunft, Leipzig 1876, S. 19-34.
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