Die Frauenfrage

[154] Und wohin nun mit diesen Allen, die sonst das Haus beschäftigte: den erwachsenen Töchtern, den Unverheiratheten – deren Zahl um so mehr wächst, als die Männer sehen, wir kostspielig es ist, verheirathet zu sein – den Wittwen?

Diese Frage ist als sogenannte »Frauenfrage« mit in das Programm der Gegenwart gesetzt worden, ganz dicht neben die sociale Frage.

Es ward darüber bereits viel geschrieben und geredet, sodaß im letzten Jahrzehnt ein ganzer Zweig der Literatur entstanden, für den sogar eine besondere Fachrubrik im Meßcatalog eingerichtet worden ist –: wir wiederholen hier nicht weitläufig das Allbekannte und gedenken dessen, was die Gegenwart in dieser Beziehung entstehen sah und sieht, nur flüchtig, weil wir einfach auf die 10 Jahrgänge einer Zeitschrift verweisen können, die diesen Interessen gewidmet ist: »Neue Bahnen«, Organ des Allgemeinen deutschen Frauenvereins, herausgegeben von Louise Otto und Auguste Schmidt. Hier findet[154] man alles Bezügliche näher erörtert und geschildert und kann sich auf den Laufenden über all das erhalten, was auf diesem Felde gestrebt, geleistet und errungen wird. Ebenso verweisen wir zur Ergänzung unsres vorliegenden Buches auf die kleine Schrift: »Zweck und Wirksamkeit des Allgemeinen deutschen Frauenvereins seit seiner Gründung am 18 Oct. 1865« und auf die größere »Das Recht der Frauen auf Erwerb« von Louise Otto (Hamburg, Hofmann und Campe 1866) und auf das umfangreichere Buch: »Der Genius der Menschheit« von Louise Otto. (Wien und Leipzig A. Hartleben.)

Schon im Februar 1865 war in Leipzig ein Frauenbildungsverein gegründet worden, aus welchen dann jener sich an alle gleichgesinnte Frauen Deutschlands wendende Verein durch einen von jenen einberufenen Frauentag hervorging. Dergleichen Frauentage sind seitdem durch ihn abgehalten worden in Leipzig (3) Braunschweig, Cassel, Eisenach, Stuttgart, Gotha, (je 1) und wenn es dadurch gelungen ist, eine große Anzahl auf der Höhe ihrer Zeit stehende Frauen zu verbinden, um erweckend und anregend zur Verbesserung des Frauenlooses zu wirken und begeisterungsvoll sich nach Kräften mitzubetheiligen an der Aufgabe des Jahrhunderts, der Lösung der Frauenfrage, so sind andrerseits auch ohne jeden äußeren Zusammenhang mit diesem Verein so viel Schritte zu dieser Lösung, namentlich zur Beantwortung jener obigen Frage: wohin mit Allen, die sonst das Haus beschäftigten? geschehen, daß dies eine Jahrzehent schon Vieles von dem in unserm socialen Leben verwirklicht hat, was vor demselben nur erst als schüchterne Forderung, als bescheidener Wunsch und Vorschlag hervorzutreten wagte.[155]

Während es bisher nur in den sogenannten »arbeitenden Classen« als unerläßlich galt, daß die Töchter so gut wie die Söhne einem Erwerb sich widmeten, daß die Gattin dem Gatten entweder in seinem Geschäft mit half, oder auch einen andern eignen Verdienst hatte, beginnt dieser Brauch auch in den Familien des Mittelstandes mit Nothwendigkeit sich einzuführen. Und nicht allein mehr sind es wie sonst die weiblichen Handarbeiten, die als ein Nebenverdienst gepflegt werden, nicht mehr geht allein alles Weiterstreben zum Lehrberuf im Haus oder in der Schule, oder zur Kunst; Schauspielerin, Sängerin, Tanz- und Musiklehrerin, Schriftstellerin sind nicht mehr die einzig erreichbaren Fächer.

Unsre zum Realismus neigende Zeit erfaßte auch diese Sache zuerst von der Seite des Erwerbes, der Existenz – wo die Noth herantrat, die Noth um das tägliche Brot, erschien sie selbst dem Philister plausibel.

Man sah ein, daß die weibliche Arbeitskraft in andere Bahnen geleitet, daß ihr Gebiet erweitert werden mußte und daran knüpfte sich von der andern Seite her die Nothwendigkeit, auch für ihre Ausbildung Sorge zu tragen, neue Bildungsstätten für sie zu gründen oder vorhandene ihr zu öffnen. Auch die Volkswirthschaft begann ihr Veto dahin abzugeben nach dem Grundsatz: daß alle vorhandenen Kräfte auch dem Ganzen zu Gute kommen müßten, und die Statistik bewies mit ihren Zahlen, wie viele Procent der weiblichen Bevölkerung – unverheirathet blieben und wie viele davon dem Laster verfielen.

Die Frauenbildungsvereine gründeten – freilich unter großem Widerspruch und unter manchem Hohnlächeln »praktischer« Leute beiderlei Geschlechts – die ersten Fortbildungsschulen[156] für unbemittelte Mädchen – und allmälig schlagen nun andere Vereine und auch die Stadtgemeinden denselben Weg ein. Sie gaben die erste Anregung für Norddeutschland, Frauen für das Post- und Telegraphenwesen auszubilden wie für den kaufmännischen Beruf, darin sie bisher nur die untergeordnete Stelle der Verkäuferin eingenommen. Viele Zweige der Fabrikation bieten den Frauen lohnende Beschäftigung, ohne sie zu Fabrikarbeiterinnen im gewöhnlichen Sinne zu machen: die Blumen -, Couvert -, Handschuh -, Schuhfabrikation, Holzschneiden, Porzellan- und Glasmalen, Malen von Papp- und Galanteriearbeiten, Posamenten und Wollarbeiten, Haarflechtereien, Phothographieren und Retouchiren, Setzen, Vorzeichnen – dies Alles sind Arbeiten geworden, für welche die Frauenhand die beste Geschicklichkeit entwickelt und bei welchem allen es sich gezeigt hat, daß sie sich sehr wohl mit der sogenannten »Weiblichkeit« verbinden lassen.

Im Erziehungs- und Lehrfach ist den Frauen ein viel größerer Spielraum eröffnet worden, werden zugleich viel höhere Anforderungen an ihre Fähigkeiten und deren Ausbildung gestellt als die Vergangenheit mit ihrem »Bonnen-« und »Gouvernanten«wesen sie kannte. An die Stelle der ersteren ist die praktisch und theoretisch vorgebildete Kindergärtnerin des Fröbelsystems getreten, an die der letzteren die gewissenhafte in einem Lehrerinnen-Seminar vorgebildete und vom Staate geprüfte Lehrerin. Die Gouvernanten aus der Schweiz, Frankreich und England, die früher in den vornehmen Häusern Deutschlands eine so große Rolle spielten und stets den Vorzug erhielten vor den deutschen Erzieherinnen, sind jetzt von diesen fast[157] ganz überflügelt und verdrängt und finden nur noch dort eine Stelle, wo sie hingehören: in den großen Erziehungsinstituten und Pensionen, in denen man gern die Ausländerin anstellt, damit jede Sprache von einer Lehrerin gelehrt werde, deren Muttersprache sie ist. Der Aufschwung des deutschen Reichs und das damit verbundene nationale Bewußtsein, haben es ja endlich dahin gebracht, daß man es auch in den höheren und höchsten Ständen nicht mehr als Hauptsache weiblicher Bildung betrachtet, elegant französisch zu parliren – und umgekehrt wieder ist man doch so weit in allen Kreisen international geworden und in stetig wachsenden Verbindungen mit dem Ausland, daß die Erlernung fremder lebender Sprachen fast für Jedermann nothwendig oder doch wünschenswerth erscheint, nur nicht so, wie es früher war, daß die fremde Sprache bei den Mädchen der höheren Stände immer in erster Linie gepflegt ward, zu keinem andern Zweck, als um dadurch den Nimbus feiner Bildung zu erhalten oder bei den minder Bemittelten, um sie im Nothfall zu befähigen auch als Gouvernante sich durch die Welt zu helfen. Heutzutage reicht eben ein Bischen Französisch oder Englisch nicht mehr wie sonst aus, um als Erzieherin Stellung in einer Familie zu finden. Man verlangt mit Recht geprüfte Lehrerinnen, man läßt die Lehrerinnen ein immer schwierigeres Examen ablegen, man gründet – allerdings doch erst nach den, durch die Frauenvereine gegebenen Anregungen Forderungen und Petitionen – ein Lehrerinnen-Seminar nach dem andern, ungeachtet der sich mehrenden Privat-Seminare und man stellt immer mehr Lehrerinnen an, nicht nur an[158] Privat-Instituten wie sonst, sondern auch an städtischen Töchterschulen, neuerdings auch an Volksschulen.

Eben so sind – allerdings wie anfänglich Alles, was für das weibliche Geschlecht geschieht, vorerst nur von Privaten – Handels- und Gewerbe-Schulen für Mädchen gegründet worden, ihnen den Eintritt in den kaufmännischen Beruf und die Erlernung eines Gewerbes zu erleichtern. Nicht nur wie früher als Verkäuferinnen, die nur in ganz empirischer Weise in jedem beliebigen Geschäft je nach Bedarf eingerichtet wurden, sondern als Buchführerinnen und Cassirerinnen, als Directricen in verschiednen Geschäften findet man sie angestellt und Gewerbefreiheit wie Gewerbeordnung ermächtigen jetzt die Frauen selbstständig Geschäfte zu gründen und zu führen, während sonst nur (und selbst dies bloß in manchen Ländern, z.B. dem Königreich Sachsen) den Wittwen vergönnt war das Geschäft ihres Mannes fortzuführen. Durften doch sonst bis zum Jahre 1848 z.B. Damenschneiderinnen ihre bei einem Damenschneider erst durch bezahltes Lehrgeld erlernte Kunst nur dann ausüben wenn sie in die Häuser der Familien auf Tagearbeit gingen, nicht aber in ihrer eignen Wohnung. Jetzt klingt es lächerlich – aber es gehört auch zu meinen selbsterlebten – beinahe tragikomischen Erinnerungen wie damals jene Kleiderverfertigerinnen fortwährend in Angst und Zittern lebten vor den gestrengen Herrn Damenschneidern und der Polizei – denn beide vereint, durften bei ihnen an jedem beliebigen Tage Haussuchung halten und die Stoffe oder angefangenen Kleider confisciren, an denen sie die Schneiderin daheim arbeitend trafen – die sie vielleicht nur aus Gefälligkeit mit nach Hause genommen, weil sie in der betreffenden[159] Familie nicht fertig geworden. Es ward da auch erst die Presse in Bewegung gesetzt, beim Landtag petitionirt, gegen die männlichen Concurrenten, die Herren Schneider, welche auch die Nahnadel nur zu ihrem Dienst den Mädchen gönnen wollten, gekämpft, dem Ministerium Vorstellung gemacht, ehe dieser Zopf nur sank! Ich weiß und erzähle es wohl einmal in meiner Lebensgeschichte, wie ich mich damals so abgearbeitet nur im Interesse der Schneiderinnen! – Ich hatte damals keinen Verein um mich, keine Genossinnen und Genossen zur Seite, ich war keine erfahrene bejahrte Frau, wie jetzt, nur ein junges Mädchen, eine angehende Dichterin! Und die Sache war ja so prosaisch, daß auch die meisten meiner Colleginnen im Dienst der Musen sich mit dergleichen gar nicht befußt hätten – was gingen den feinen Damen, die nur gern im Salon der vornehmen Welt sich Sitz und Stimme erringen wollten, die armen Nähmädchen an? galt es ihnen doch für weiblicher fashionabler, sich von einem Damenschneider ihre Kleider fertigen zu lassen, als von einer Schneiderin! Es war auch hierin wie es leider so vielfach ist: die Damen hatten mehr Vertrauen zur Leistung des Mannes – und auch selbst, wo es sich um die Nähnadelhandhabung handelte, als zu der des Mädchens. Ich ward damals fast zur Märtyrerin »für die Schneidermamsells« wie man jene halb altmodisch, halb vulgär und spöttisch – etwa so wie jetzt die Telegraphistinnen ein hochgeachtetes Blatt »die Blitzmädel« – zu nennen beliebte. Ich wiederhole: jetzt klingt dies Alles lächerlich und unglaublich und daß es so klingt, nach noch nicht dreißig Jahren, ist mir ein Beweis mehr dafür, daß es in aber dreißig Jahren ebenso lächerlich[160] und unglaublich klingen wird, daß wir uns jetzt erst darum bemühen müssen, den Frauen neue Berufszweige zu eröffnen, wie die obenerwähnten, das Recht der Bildung, der Selbstständigkeit, des Studiums und der Ausübung des so erlernten nur unter Wiederspruch und Kämpfen nehmen können und daß ein gut Theil Muth dazu gehört dies zu thun!

Eines der Hauptbegehren des weiblichen Geschlechts nicht allein im Interesse eignen Studiums, sondern im Interesse der Würde des ganzen Geschlechtes war und ist nun der Ruf nach weiblichen Aerzten. Es ist demselben bisher nur in Amerika und England, in Deutschland dagegen nur erst in sehr beschränktem Grade Rechnung getragen worden. Es haben deutsche Frauen in Amerika studirt und dort eine große Praxis erlangt, diejenigen aber, welche von dort zurückkehrten, sehen sich in ihrem Wirkungskreis nur auf einzelne Fächer angewiesen und den Aerzten untergeordnet. Als Zahnärztinnen, als Orthopädinnen, als Heilgymnastinnen haben bereits einzelne, die sich ihre Kenntnisse nur in der Minderzahl in Amerika holten, in der Mehrzahl aber in Deutsch land durch Selbst- und Privatstudium mühsam zusammentrugen, außerordentliche Praxis und verdienten Ruf erworben. Die Naturheilkunde, die immer mehr sich ausbreitende Turnkunst und die daran sich knüpfende Heilgymnastik haben den Frauen neue Gebiete der Thätigkeit eröffnet und zugleich Tausende ihrer Schwestern von der niederdrückenden Nothwendigkeit befreit sich Männerblicken und Händen zu überlassen wo dies nicht ohne tiefe Scham geschehen konnte. Es wurden sonst Tausende von jungen Mädchen nur dadurch schief, weil es keine Frauen gab, sie zu behandeln[161] und sie sich nicht vor Männern entkleiden und von ihnen berühren lassen wollten – und wenn nun gegen diese Uebel jetzt weibliche Hilfe vorhanden, so ist sie es doch nicht für tieferliegende, innere, und es sterben noch heute Tausende von Frauen, weil sie erst wo die Gefahr zu dringend ward sich entschließen konnten der Untersuchung des männlichen Arztes sich preis zu geben. Einer Frau würden sie das Uebel gleich bei den ersten Symptomen geschildert und gezeigt haben und es wäre in der Entstehung oft leicht zu beseitigen gewesen – der männliche Arzt wird erst zu Rathe gezogen, wenn es meist zu spät ist, wenn es soweit vorgeschritten, daß es sich nun schon um Leben und Sterben handelt.

Man hat jetzt dem Drängen der Frauen nachgegeben und ihnen einige deutsche Universitäten geöffnet – d.h. es ist von einer jeden einzelnen Universitätsbehörde abhängig, ob sie Frauen zum Studium zu lassen wollen oder nicht, wo es aber auch immer geschieht, betrachtet man sie nur als außerordentliche Hörer, sie werden nicht inseribirt und welches Studium sie auch erwählen mögen, es kann für sie kein Brodstudium werden, denn sie erlangen durch kein Examen das Recht zur unbeschränkten Praxis. Da man von den männlichen Studenten den vorher in aller Form absolvirten Gymnasialcursus verlangt, so ist es allerdings nur in der Ordnung, wenn man in dieser Beziehung mit den weiblichen keine Ausnahme macht und es ist also die nächste Nothwendigkeit daß für die Mädchen – und zwar von Seiten des Staates – Schulen eingerichtet werden, welche sie in gleicher, wenn auch der Weiblichkeit besonders entsprechender Weise auf die Universität vorbereiten, wie die Jünglinge.[162]

Da man doch erkannte wie die Frauenhand und wie weibliche Hilfe gerade den Leidenden willkommen, so hat man zunächst durch die Noth im Kriege angeregt die Frauen zur Krankenpflege herangezogen und auch durch Frauenvereine Anstalten geschaffen, sie für diesen Beruf im Krieg wie im Frieden auszubilden. Man hat auch z.B. in Sachsen, darauf hingeführt durch eine Petion des Allgemeinen deutschen Frauenvereins, die Institute für Geburtshelferinnen erweitert, so daß auch von dieser Seite her die Bahn des nothwendigen Fortschritts in obiger Richtung eingeschlagen ist.

War der Krieg von 1866 nur geeignet das Mitleid der Frauen aufzurufen und nach den Beweggründen der Humanität und den schmerzlichen Aufregungen der so unerwartet hereinbrechenden Ereignisse die Sehnsucht in ihnen zu wecken, da und dort mit lindern und helfen zu können, wie es das Bedürfuiß des Augenblickes mit sich brachte: so waren die gewaltigen Ereignisse des Krieges von 1870 und 71 und der damit verbundenen Erhebung Deutschlands dazu angethan, den Patriotismus der Frauen zu entflammen und ein thatkräftiges Walten und Wirken auch in ihnen zu wecken. Und da gab es denn doch genug zu thun! Wir wissen Alle noch aus frischer Erinnerung wie die Zahl der Verwundeten und Kranken, der Gefangenen bald nach Tausenden zählte, wie, obschon der Sieg immer auf der deutschen Seite war und blieb, es überall genug Noth und Elend gab draußen im Felde, wo neben den Kampf mit dem Feinde auch Hitze und Kälte drohten und es beiden zu trotzen galt!

Wie viel haben da die Frauenhände gearbeitet und[163] geschafft, erst nur die Lazarethe auszustatten mit dem Nöthigsten zur Pflege für die verwundeten, dann mit Wäsche für sie, wie viel wollene Strümpfe u.s.w. gestrickt für die im Felde Frierenden, wie waren die Frauen unermüdlich im Sammeln, wie im Arbeiten, im Sorgen für die armen Familien der ausgezogenen Krieger, wie ersannen sie immer neue Unternehmungen, um zu all dem die nöthigen Mittel zusammen zu bringen, wie unterzogen sie sich den undankbarsten und schwierigsten Geschäften!

Dann, als der Tod die entsetzliche Ernte auf den Schlachtfeldern hielt und die schrecklichen Mordgeschosse Tausende von Männern trafen, ohne sie zu tödten – da eilten die Frauen als Krankenpflegerinnen und »barmherzige Schwestern« in der That, wenn auch nur die wenigsten von ihnen den Orden dieses Namens angehörten, mit in das Feld zu dem schwersten Geschäft, das es geben kann, unter den rings um sie herrschenden grauenvollen Verwüstungen die Sterbenden aufzusuchen und zu erquicken, die Verwundeten zu verbinden und zu pflegen. Und wie da die heimischen Lazarethe sich füllten, wie große Eisenbahnzüge ankamen, die allein besetzt waren von den verstümmelten Opfern des Krieges – wie waren es da doch die zur Pflege bereiten Frauen, die von ihnen zumeist gesegnet wurden!

Aber – wir dürfen es nicht verschweigen! – auch dies ganz weibliche Geschäft, dies echt weibliche Walten ward den Frauen schwer genug gemacht, von den Männern einer gewissen Art, besonders als die erste Noth aber auch der erste Enthusiasmus vorüber waren, als man sich an Krieg und Sieg gewöhnt hatte und Alles anfing einen geregelteren Gang zu gehen. Nicht etwa seitens[164] der Verwundeten oder Gefangenen: es hat ihnen nie ein andres Zeugniß gegeben werden können, als daß sie den Pflegerinnen voll Dank und Achtung begegneten, daß sie der zarten weiblichen Hand den Vorzug gaben vor der rauhen männlichen, aber daß sie nie durch Wort oder Betragen sich gegen die weibliche Würde vergingen –: dagegen erschienen den Männern, deren Coucurrentinnen die Frauen waren auch im Dienst der Humanität dieselben unbequem. Die höheren wie niederen Beamten in den Lazarethen und Gefangenenlagern hätten dann gern wieder ihr Feld allein behauptet, manche Officiere der anmaßenden, bramabrasirenden Art, die immer nur an's Befehlen gewohnt ist, wurden verdrießlich, wenn sie nicht auch den Frauen gegenüber diesen Ton anschlagen konnten – und wären nicht fürstliche Frauen unter diesen gewesen, deren Ansehen und Willen doch respectirt werden mußte und von denen einige in der That die größte Thätigkeit und Opferfreudigkeit entwickelten – man hätte von jener Seite noch weit früher die weibliche Hilfe zurückgewiesen. Galt es ja nicht allein die Pflege der Verwundeten, für welche allerdings nur die zu so schwerem Amt besonders berufenen, geschickten oder vorgebildeten sich eigneten und wo im Anfang wohl manche Dame im schnellen Enthusiasmus ein Amt übernehmen wollte, dem sie nicht gewachsen war und dadurch mehr Verwirrung als Nutzen stiftete – diese Dienste bestanden auch in der Ueberwachung der Lokale in Bezug auf Ordnung und Reinlichkeit, in der Verwahrung und Verwendung der Vorräthe, der Uebernahme der sogenannten »Liebesgaben« die in Speisen und Getränken, wie in Sachen bestanden – durchaus weibliche Geschäfte, auf welche sie ja als ihr[165] eigentliches Amt sonst immer hingewiesen werden, wenn sie es wagen wollen, sich auf andere zu begeben. Die Jahrgänge der »Neuen Bahnen« von 1870 und 71 sind angefüllt mit Berichten die »Aus dem Felde«, wie aus den verschiedensten Städten immer dieselben Klagen in dieser Beziehung brachten: wie man anfing der Frauen nicht mehr zu bedürfen, hätte man sie gern wieder heimgeschickt und machte ihnen, wo das nicht gleich ging, nach Kräften das Leben schwer. Es war auch hier die alte Geschichte vom Mohren, der seine Schuldigkeit gethan hatte und gehen konnte.

So auch in anderer Beziehung. Es fehlte überall an Lehrern, es fehlte an Beamten bei der Post und den Telegraphen bei letztern sogar so sehr, daß man ganze Telegraphenämter einstweilen einzog (die städischen in Berlin z.B.) – vergeblich erboten sich die Frauenvereine Mädchen, welche fähig waren dies Amt zu versehen und bis zur Prüfung von ihnen dazu vorbereitet, dazu zustellen, vergeblich wies man auf die große Zahl von Lehrerinnen hin, welche Stellen suchten –: man ließ die betreffenden lieber unbesetzt, als daß man sie den Frauen übertragen hätte – es schien man fürchtete die daraus entstehenden weiteren Consequenzen. So finden und fanden wir überall bis auf wenige Ausnahmen den Widerstand der Männer gegen den Eintritt weiblicher Elemente, in die von ihnen in den letzten Jahrhunderten – nicht etwa von je her – usurbirten Wirkungs- und Erwerbskreise – nur, wenn es gar nicht mehr anders geht und wo sie trotz allen Widerstandes sich ihren Platz erkämpft, wird er ihnen gelassen, aber fast auf jedem Gebiet unter gewissen[166] einschränkenden Bedingungen, wie man sie keinen Mann stellen und keiner sich ihnen unterwerfen würde.

Von den niedrigsten Fabrikarbeiter angefangen bis zum wissenschaftlichen Lehrberuf und Alles was dazwischen liegt mit eingerechnet, hält man an dem Grundsatz fest, daß die Frauen geringer zu bezahlen seien als die Männer und gewöhnlich haben es jene nur den Principien des Sparsystems zu danken wenn sie zu einem Erwerbsgebiet Zutritt finden, das bisher die Männer als das Ihrige betrachteten. Ueberall geschieht es noch, daß man entschieden bei vollständig gleicher Leistung von Frau und Mann oft aber auch noch wenn die erstere die letztere übertrifft, dieser noch gerne unterordnet und das selbstverständlich findet. Ueberall noch dominirt das männliche Element und wenn man herumfragt selbst unter denen, welche sich dem Anschein geben auf der Seite der nach höheren Bildungs- und Berufszielen strebenden Frauen zu stehen, so wird man bis auf einige wenige Ausnahme immer die Bemerkung machen, daß sie doch zu ihrem eignen Beruf den Frauen die Befähigung absprechen, oder wenn dies nicht geht sie darin doch niederzuhalten suchen. So wird der Arzt die Frau eher zu allen andern befähigt halten, als zur Ausübung der ärztlichen Praxis und doch müßte gerade er sich sagen, daß, da die männlichen und weiblichen Körper eine theilweis verschiedene Organisation mit verschiednen Functionen haben und der weibliche Körper sogar ein paar mehr hat dls der männliche, in gar vielen Verhältnissen eine Frau aenselben und seine Empfindungen und Leiden besser verstehen müßte, da es sich eben um Vorgänge handelt, die ein Mann gar nicht empfinden und darum nicht richtig[167] beurtheilen kann – wie wir ja auch verlangen daß Frauen nur Frauen und Kinder, Männer nur Männer und Kinder behandeln sollen. So suchen selbst die Lehrer immer den Lehrerinnen gegenüber ihre Männerwürde geltend zu machen, so hat man an allen öffentlichen, selbst Töchter-Schulen nur Direktoren, statt, wie doch viel richtiger wäre, entweder nur oder daneben eine Directorin und so ist es erst ganz neuerdings dahingekommen, auch den Lehrerinnen Pension zuzusprechen und hier und da bei besonderen Schulcommissionen ihnen mit eine Stimme zu geben. So zweifelt der Kaufmann – trotzdem, daß in dieser Sfäre hundertmal vorgekommen ist, daß sogar nur eine Wittwe, die allein durch die Erfahrung, ohne alle Vorbereitung das Geschäftsleben kennen gelernt, daß von ihrem Mann vielleicht heruntergebracht übernommene Geschäft wieder zu neuem Flor gehoben hat – doch daran daß eine Frau im Handel und in größeren Geschäften dasselbe zu lernen und zu leisten vermöge wie der Mann – und so geht es fort durch alle Stände und Brauchen, je in seinem eignen hält der Mann die Collegenschaft der Frau für unangemessen, will ihr nur eine untergeordnete zugestehen, auch wenn er sie für jeden andern männlichen Wirkungskreis bald für diesen, bald für jenen geeignet erklärt. Bei dieser Gelegenheit geschieht es denn natürlich, daß von irgend einer Seite her nun jeder einzelne Beruf einmal als für die Frau passend erklärt wird und so wäre es am Ende zu jeder! So bleibt denn die Frage eine offene und muß es um so mehr bleiben, als bei den allerwenigsten Fächern, selbst in denen nicht, in welchen die Frau dem Manne bereits Concurrenz macht, beiden Geschlechtern die[168] gleiche Vorbereitungszeit gegönnt ward, noch ihnen die gleichen Lern- und Bildungsmittel geboten werden. Erst in den letzten Decennien hat man Fortbildungsschulen höheren wie geringeren Grades für Mädchen gegründet, Handels und Gewerbeschulen, Zeichnen- und Oekonomieschulen u.s.w. Private und Vereine sind damit vorangegangen und nachdem sie erst Jahrelang Widerspruch, Widerstand erfahren, folgen Staat und Gemeinde mit diesen Einrichtungen nach – so wird es auf allen Gebieten gehen! Die so für ihr Geschlecht wirkenden Vereine haben eben nur die Aufgabe Pioniere zu sein, gewissermassen Versuchsstationen im Interesse der Frauenfrage zu errichten –: was da sich bewährt, muß dann später endlich doch der Staat, die Gemeinde je nach freiwilliger Einsicht oder gezwungen von den Verhältnissen ebenfalls gründen und einführen. Bis jetzt fehlt fast noch Alles für Mädchen was den jungen Männern von dieser Seite geboten wird, mühevoll und unter tausend Kämpfen, auf beschwerlichen Umwegen nur können sie irgend ein Bildungs- und Erwerbsziel erreichen. Man sagt die Kunst stände den Frauen ganz in gleicher Weise offen und von Rechtswegen sollte es so sein, da gerade die Kunst dem weiblichen Wesen unbestreitbar näher verwandt ist als dem männlichen – aber eigentlich ist es nur die Schauspielkunst in der die Bildungsmittel gleich sind und da ist es denn auch allbekannt, daß es gegenwärtig mehr große und treffliche Schauspielerinnen giebt als Schauspieler, mag dies auch mit darin seinen Grund haben, daß dem männlichen Genie noch alle andern Bahnen des Erfolges zu ruhmwürdiger Leistung sich öffnen, den Frauen vorzugsweise[169] nur diese – so entkräftet dies nicht unsre Behauptung, sondern läßt es um so wünschenswerther erscheinen, daß ihnen vergönnt werde, auch auf andern Kunstgebieten den gleichen Wettkampf zu versuchen Wenn auch in der Musik, z.B. in den Conservatorien die Bildungsmittel ziemlich gleiche sind, so ist es doch dann im Leben und seiner Praxis auch hier nicht der Fall – brauchen wir doch nur daran zu erinnern, daß ein Damen-Orchester erst von Schweden her und als eine ganz abnorme Erscheinung zu uns gekommen ist. Auch die Kunstschulen, Akademien und Maleratelies, zu welchen die Frauen ja Zutritt haben, öffnen sich ihnen überall doch gewissermaßen nur unter erschwerenden Umständen, noch mehr ist dies bei der Bildhauerei der Fall und selbst der Schriftstellerin tritt noch das Vorurtheil hemmend entgegen, wenn auch nicht mehr in dem Maße wie früher.

Das Vorurtheil! das ist es vor Allen das bekämpft werden muß bei Männern und Frauen – und es ist zunächst die Noth gewesen, die es bekämpfen half.

Wir haben gesehen wie die Bedürfnisse, die Ansprüche gewachsen sind, wie die Hausarbeiten der Frauen sich verringert haben und so das Haus kaum noch ein Zehntheil der weiblichen Kräfte in Anspruch nimmt und wie die dadurch überschüssigen meist in einer für den Einzelnen, wie für die Gesammtheit gleich unwürdigen Weise verschwendet werden. Doch wir fordern nicht allein weil die Noth dazu drängt, sondern im Interesse des Gemeinwohls, der Humanität, der Sittlichkeit und der männlichen wie der weiblichen Würde, daß man die Frauen wie in der guten alten Zeit zur Arbeit erzieht wie die Männer, aber zur Arbeit, die, wo das Haus und die Familie[170] ihrer nicht bedarf, fröhlich und getrost hinausschreite auf den großen Markt des Lebens, an der Stätte, welche ihren Fähigkeiten und Neigungen die angemessenste ist sich selbst durch ehrliche Arbeit die Existenz zu erwerben auf irgend einer Stelle, durch irgend welche Leistungen sich selbst vor einem verlornen Leben zu behüten und ein würdiges, nützliches Glied zu sein der ganzen menschlichen Gesellschaft. Man frage die Tochter wie den Sohn: was willst Du am liebsten lernen und werden? und erwarte von jener nicht die für naiv geltende, in Wahrheit aber nur durch verkehrte Erziehung künstlich beigebrachte Antwort: »Heirathen und sein was Mama ist.« – Soll ich erst noch erklären, daß auch ich mir ein weibliches Leben ohne Liebe kaum denken kann – daß ich es für das höchste Glück des Lebens halte zu lieben und geliebt zu werden und mit dem Geliebten einen Bund für's Leben zu schließen – soll ich es widerholen und mich auf mein eignes glückliches Liebe- und Eheleben berufen, nur um nicht mißverstanden zu werden und auf spottsüchtigen, verleumderischen Lippen das Wort zu ersticken als wollten wir durch Obiges uns zu den Verächtern der Liebe und Ehe, zu den Thoren gesellen, die von der Aufhebung der Familie fabeln und darin einen Fortschritt sehen möchten: Aber die Liebe und die Ehe kommen schon allein und ungesucht – und wehe wenn es nicht so ist, wenn sie eben nur gesucht kommen. Eine Liebe auf Befehl, auf Veranlassung entweder der Verhältnisse oder Ueberredung und Ueberlegung ist eben gar keine Liebe und eine Ehe ohne Liebe aus Berechnung geschlossen und sei's auch nur die, welche man den unter solchen Grundsätzen erzogenen Mädchen leicht verzeiht: um einen Beruf zu haben, seine[171] »Bestimmung zu erfüllen«, ist eine Blasphemie, wenn nicht noch ein schlimmeres Verbrechen, auf jeden Fall aber die tiefste Erniedrigung, die einem Weibe auferlegt werden kann. – Dafür und dafür allein die deutschen Mädchen zu erziehen, ist wahrlich eines Volkes sehr wenig würdig, das sich immer so viel gewußt hat mit der Reinheit und Gemüthlichkeit seines Familienlebens, denn die Ehe ist von vornherein unsittlich und das Haus ist unterhöhlt, wenn eines wie das andere gegründet worden auf Berechnung oder Herkommen, ohne Wahl und ohne Weihe. Dadurch aber eben wird die Ehe so erniedrigt, daß sie, oft von beiden Seiten, als ein Geschäft eine Handelsspeculation betrachtet wird und dadurch wird dem Mädchen alles höhere Streben und alle Kraft der Selbsterkenntniß und Prüfung der Fähigkeiten genommen, aller Muth, das Schicksal sich selbst zu gestalten, daß immer seine Blicke auf die Ehe als Lebensziel gelenkt werden. Es bleibt sich vollkommen gleich in Bezug auf Naturbestimmung und vom rein menschlichen Standpunkt, ob der Mann oder das Mädchen unverheirathet bleiben – und gerade in der Gegenwart haben unsere socialen Verhältnisse eine Gestalt angenommen, welche die Aussicht auf die Verheirathung als eine höchst zweifelhafte erscheinen läßt. Die Ansprüche, welche von beiden Seiten auf Comfort und Lebensgenuß gemacht werden, sind eben so groß, daß ein nur irgend überlegender, noch gar nicht darum egoistischer Mann nicht wagt, sich mit einer Frau zu verbinden, die seine Ausgaben so erhöhen würde, ohne irgend eine Einnahme beifügen zu können – aber selbst davon abgesehen, so wissen wir, wie allein durch den letzten Krieg, der die Zahl der Männer gerade in ihrer[172] Blüthe so entsetzlich lichtete, tausende von Mädchen auf Verheirathung verzichten müssen, weil eben ihre Zahl um so viel größer, selbst wenn alle Männer den Ehestand wählen würden Geht ihnen somit die Möglichkeit verloren zur Mitschöpferin einer Familie zu werden, so ist es ja sehr unlogisch, sie dafür zu erziehen. Nicht für die Ehe, für das Leben müssen in der Gegenwart die Töchter eine Ausstattung an Geschicklichkeiten und Kenntnissen, welche sie befähigen, sich selbst ihren Unterhalt zu erwerben, eine Ausstattung an Charakter von allen Dingen, damit sie in sich selbst genug Halt und Stütze finden, um nicht erst bei andern Menschen eine solche suchen zu müssen.

Wenn der im deutschen Reich mit der römischen Herrschaft begonnene »Culturkampf« die Klöster aufhebt und das Cölibat für Tausende abschafft, so hindert er doch nicht, das wieder andere Tausende und aus andern Gründen freiwillig darin leben; wenn er die Frauen überhaupt aus den Klöstern treibt und ihnen den Wirkungskreis entzieht – barmherzige Schwestern für die Krankenpflege, Schulschwestern für den Unterricht, Klosterpensionate u.s.w. – den ihnen die katholische Kirche einst geöffnet und bisher bewahrt – so ist, sollten wir meinen, derselbe Staat, wenn er mit Recht eines Culturkampfes sich rühmen will, auch verpflichtet, wenn nicht diesen einzelnen, doch den Frauen in ihrer Gesammtheit auf der andern Seite auch wieder zu geben und zu ersetzen, was er ihnen auf der einen Seite genommen. Waren die Klöster für viele Frauen Versorgungsaustalten und Pfründen, so ist es im Hinblick auf das Alter schon hart, wenn diese nun dem Geschlecht entzogen werden,[173] so lange ihm nicht solche Stellungen eröffnet sind, welche, nachdem die betreffenden lange genug in ihnen gewirkt, dem arbeitsunfähigen Alter Pensionen bieten, noch härter aber ist es, den Tausenden von Frauen, welche – durch kein Gelübde und nicht immer durch freie Wohl – sich auf das Cölibat angewiesen sahen (da es mehr Frauen als Männer in unseren Staaten giebt und so lange geben muß als es Kriege giebt, welche Tausenden von Männern das Leben rauben, aber die Frauen verschonen) nicht nur die Versorgung, sondern den Beruf, den Wirkungskreis zu rauben, welchen die Klöster ihnen boten. Es kann mir nicht einfallen den Klöstern das Wort zu reden und Niemand wird wohl mir zutrauen, daß ich den Kampf gegen den ganzen Ultramontanismus und gegen »Rom in Deutschland«, mißbillige, da ich mich selbst daran, seit ich die Feder führe, betheiligt habe, damals, als es zugleich beinahe als Hochverrath und Umsturz galt, wie die Romane bezeugen, die ich schrieb (und die ich besonders der Jahreszahlen ihres Erscheinens willen hier verzeichne: »Schloß und Fabrik« 1846. 2. und 3. Aufl. 1868, »Römisch und Deutsch« 1847, »Cäzilie Telville oder Jesuiten und Pietisten« 1852. 2. Aufl. 1870, »Eine Grafenkrone« 1857, »Die Erben von Schloß Ehrenfels« 1860, »Rom in Deutschland« 1873.) Aber es muß immer daran erinnert werden, daß die Klöster, weil sie Institutionen sind, die sich eben ausgelebt und überlebt haben, durch andere, dem Guten, das sie einst boten und vertraten, entsprechende Institutionen ersetzt werden müßten. Einst waren die Klöster in den Zeiten roher Barbarei die Zufluchtsstätten für Gewerbe und Kunst, für Bildung und Wissenschaft[174] und zwar für Frauen, wie für Männer, sie boten beiden Geschlechtern das Gleiche – sie erklärten nicht allein in den transzeutalen Charakter christlichen Aufschwunges die Seelen von Frauen und Männern für den Himmel berufen, sie gaben ihnen auch die gleichen Bildungsmomente und die gleichen Rechte – die Nonnen webten, stickten, malten, spannen, schrieben, lehrten, pflegten die Kranken, die Aebtissin hatte die gleiche Macht wie der Abt – die gefürstete hatte sogar gleich ihm auf dem Reichstag Sitz und Stimme – solche Rechte, und zugleich das Bewußtsein, eine hohe Bestimmung zu erfüllen, dankten die Frauen der römischen Kirche. Sie wurden auch von den Priestern derselben nie zu gering geachtet sich ihrer Klugheit, ihrer Begeisterung, ihrer Energie, Opferwilligkeit zur Ausführung großer Pläne zu bedienen, sie wurden nie von ihnen zurückgewiesen, sondern ihre Hilfe dankbar angenommen, in alter wie in neuer Zeit –: und darin liegt nahe die Erklärung der oft ganz falsch beleuchteten Thatsache, daß ein großer Theil der Frauen zu den Ultramontanen, zu den treuesten Anhängerinnen Roms und seiner Priester gehört. Man hat sich in der Neuzeit über diese Erscheinung gewundert, man hat über sie zum Theil gespottet, zum Theil sie sehr ernsthaft als Argumente benutzt gegen die weibliche Fassungskraft, das weibliche Erkennungsvermögen überhaupt, als Argumente zu zeigen, wie die Frauen dem Denken das blinde Glauben vorziehen, wie sie willige Werkzeuge sind in der Hand sie fanatisirender Priester und man hat daraus weiter den Schluß ziehen wollen, wie nöthig es sei, aus eben diesen Gründen die Frauen [175] nieder und fern von der Ausübung jeden bürgerlichen Rechtes zu halten.

Aber ich frage: wenn es so ist: wer trägt davon die Schuld? Die Männer sind weiter vorgeschritten und haben die Frauen zurückgelassen, haben sie – in katholischen wie häufig in protestantischen Ländern – dem Einfluß der Geistlichkeit überlassen – denselben nur einen verletzenden Spott entgegengesetzt, der nur das Gegentheil von dem bezweckt, was er bezwecken will. Nicht die schlechtesten Eigenschaften der Frauen sind es, welche sie jenen Einfluß so zugänglich gemacht. Der Drang zum Idealen, der von dem Materialismus der Gegenwart sich stets abgestoßen, verletzt fühlt, der Wunsch etwas zu sein und zu leisten im Dienst höherer Interessen, die Wahrnehmung hier willkommen zu sein als Bundesgenossin und Gehilfin zu solchen Zielen – und daneben die Bemerkung von den Meisten. Derer, welche an der Spitze des Staatslebens stehen, wie Derer, die sich auf der Seite der Opposition oder der Revolution oder einfach des Fortschrittes befinden nicht beachtet und auf Haus und Familie zurückgewiesen zu werden, dies Alles hat dazu gedient, daß sich die Frauen in großer Zahl halb bewußt, halb unbewußt auf die Seite Derer gestellt haben, denen der jetzige Culturkampf gilt. Die Staatsmänner, die Politiker ernten auch hier was sie gesäet. Es ist sehr wunderlich dagegen zu eifern und darüber zu spotten, daß die Frauen hier bald die eifrigsten Anhänger des Jesuitenordens waren, sich gern selbst zu Märtyrerinnen hätten machen lassen, wie sie in den Würdenträgern ihrer Kirche den gefangenen und entsetzten Bischöfen Märtyrer sahen – daß sie bald dort für innere Mission schwärmen[176] und den Pietisten die Hand zum Bunde reichen, daß sie mit einem Worte im Kampfe zwischen Staat und Kirche so gern auf der Seite der letzteren stehen. Was hat denn der Staat für die Frauen gethan? Volksschulen gegründet, in denen die Mädchen bis zur Confirmation den Knaben so ziemlich gleich unterrichtet werden – denn man kann sicher sein: es wäre nicht eine einzige weibliche Fortbildungsschule in's Leben gerufen worden, wenn nicht Private und vorzugsweise Frauen dies zuvor gethan hätten. Damit aber und mit den Pensionen für Beamten- und Officierswittwen glaubt der Staat seine Pflichten gegen die Frauen genügend erfüllt zu haben – in der Zeit die dazwischen liegt vom 14.–60. Jahre überläßt er sie der Fürsorge seiner Staatsbürger, den Vätern und den Gatten und wo diese fehlen sich selbst. Er fragt dann nur nach ihren Existensmitteln, um von ihnen die Steuern zu erheben, so gut wie von den Männern, aber ohne ihnen die Rechte zu gewähren, welche von diesen auch der geringste besitzt; er baut hier und da Armenhäuser und Hospitäler für sie und privilegirt sie in ganzen Häusern und Straßen zum gewerblichen Verbrechen. Für seine Söhne hat der Staat Schulen umd Bildungsstätten jeder Art gegründet und ist immer darauf bedacht, sie in ihrem Fortkommen zu fördern, ihnen Wege des Berufs und einer nutzenbringenden Thätigkeit zu eröffnen, ihre Kräfte für das Gemeinwohl in Anspruch zu nehmen. Er setzt voraus, daß Keiner ein Genüge darin finde nur für sein Weib, nur für eine Familie zu leben – aber die Frau soll nur für den Mann da sein, für das Haus und wenn auch beide dieser ausschließlichen Hingabe gar nicht bedürfen und[177] wenn auch – wir haben es tausendfach erlebt – unter solcher Erziehung und solchen Bedingungen die Frau nur ein Hemmschuh wird für den vorwärts strebenden Mann. Es wird immer noch fest gehalten an diesen Grundsatz wie an dem andern: über die Tausende von Mädchen, welche nicht Frau werden, zur Tagesordnung überzugehen und die Augen zuzumachen, damit man sie um so besser ignoriren könne.

Wenn je, wir wiederholen es, so hat jetzt der Staat, da er den Culturkampf begonnen, die Pflicht noch ein anderes Culturwerk auf sich zu nehmen und die Frauen auf eine solche Stufe zu erheben, daß auch sie davon Nutzen haben, und ihn erkennen, daß auch sie so mit ihn hineingezogen werden, daß er ihnen und damit dem Staat und der ganzen Menschheit zum Heil gereiche.

Es muß den Frauen Alles das, was ihnen von jener Seite gegeben ward, auch – nur eben auf anderem Gebiet und in anderer Weise – auch von dieser wiedergegeben werden, von der man es ihnen nimmt. Also: hatten sie in den Klöstern das Recht der Erziehung des Unterrichts, der industriellen Arbeit, der Krankenpflege, so berufe man nun die Frauen (natürlich meinen wir nicht dieselben) zu eben dieser nützlichen und sie selbst befriedigenden und selbstständig machenden Thätigkeit außerhalb der Klöster, wie es ja theilweise schon geschehen; aber noch mehr gebe man der noch Aufschwung zu idealen Zielen bedürftigern Frauenseele solche Ziele im Dienste der Humanität, man gebe dem äußeren Leben der Frau einen Halt und ihrem inneren einen Inhalt, wie ihn bis jetzt nur einzelne auf der Höhe ihrer Zeit stehende Frauen gefunden. Damit: ihnen den Halt zu nehmen,[178] den ihnen sonst die Kirche und die Priesterschaft boten, ist es nicht abgethan und nur wenig gewonnen. Man predigt ja von der Seite des Conservatismus und der Regierungen immer gegen alle revolutionären Bestrebungen den Gemeinplatz: Man dürfe nicht niederreißen, wenn man nicht auch aufbauen könne und wolle – so richte man sich denn auch jetzt und hier danach.

Kommen wir wieder auf unsern Anfang zurück und verlieren wir uns nicht jetzt schon in Betrachtungen der Zukunft, da dieser Abschnitt der Gegenwart gehört.

Es ist, wir haben es schon oft gesagt, nicht die Frage des Erwerbes, die wir bei den Bestrebungen im Interesse unsers Geschlechtes in den Vordergrund stellen, diese drängt sich nur zuerst auf und ist in Zeitverhältnissen, welche die materiellen Interessen als Hauptsache betrachten, den Zeitgenossen am plausibelsten zu machen. Sie ist auch als Fundament der weiblichen Selbstständigkeit zuerst zu betonen, denn wer zu seinem Fortkommen in der Welt einzig und allein auf die Hilfe Anderer angewiesen ist, kann ja niemals zum Vollgefühl der eigenen Kraft, noch der Würde der Unabhängigkeit und damit des wahren Menschenthums kommen. Die Hauptsache ist, die in den Frauen schlummernden Anlagen zu entwickeln, Charaktere zu bilden, ihr Leben inhaltvoll und nutzbar zu machen für sie selbst und für Andere.

Wir schilderten schon wie in der Gegenwart so viele Mädchen die Zeit vertändeln mit Stickereien, die viel kosten und wenig nützen, nicht einmal immer gefallen, mit einem Dilettantismus, welcher selten zur wahrhaft harmonischen Bildung führt, sondern meist berechnet ist, damit kokettiren zu können, wie sie oft nur von einem[179] Vergnügen zum andern eilen, was man »die Jugend genießen« nennt, und wie selbst die Hausfrauen in einem arbeitslosen Hausstand ihre Zeit nicht viel besser anzuwenden wissen – wie die tiefer angelegten Naturen Gefahr laufen, sich unbefriedigt und unglücklich zu fühlen, die oberflächlichen aber ihr Sinnen und Denken auf lauter Nichtigkeiten zu richten.

Nun kann man unsrer Zeit trotz aller Unbeschäftigtheit der Mädchen und Frauenwelt nicht eben den Vorwurf machen, daß die viel gescholtenen »Romanideen«, daß die Liebe mit ihren Schwärmereien und hochgehenden Erwartungen eine große Rolle in ihr spiele – man hört viel seltner von »unglücklicher Liebe« als von unglücklicher Heirath, man findet bei unsrer Mädchenwelt viel seltner die Sehnsucht nach einem gleichgestimmten Herzen, nach Sympathie der Seelen und Liebesglück als vielmehr nur den Wunsch der Eitelkeit, zu gefallen und Freier zu finden, die Sehnsucht nach einer »vortheilhaften Partie« – das entspricht dem herrschenden Zeitgeist, denn »der Prosit regiert die Welt« – ! Wird das auch den jungen Mädchen nicht mit so dürren Worten gesagt, so wird es ihnen doch unter der Verhüllung lebenskluger Regeln geflissentlich beigebracht. Der Werth des Geldes und zwar nicht dessen, das man selbst durch Fleiß und Arbeit erwirbt, als vielmehr solcher Mittel, über welche man ohne Arbeit verfügen kann, der Werth von Vermögen und Capital wird sogar den jungen Mädchen schon als Grundpfeiler allen Lebensglückes hingestellt, daß sie viel häufiger in ihren müssigen Stunden davon träumen, wie schön es sein müsse, in das Haus eines Gatten einzuziehen, darinnen ihnen eine Reihe elegant[180] eingerichteter Zimmer, dazu die nöthige Dienerschaft zu Gebote steht, wo sie über seidne Kleider und Sammetmäntel, Conzert- und Theaterbilletts noch nebenbei verfügen und im Sommer schöne Reisen machen können, als daß ihr Herz höher schlage vor Sehnsucht nach einer Liebe, die dasselbe ganz ausfüllt durch Seelenharmonie und Gegenliebe und der gegenüber alle anderen Freuden und Genüsse ihren lockenden Glanz verlieren! Und wenn wir im Anfang schilderten, wie die unbeschäftigten Frauen, die sich von ihrem Gatten vernachlässigt vorkommen, gleichviel ob mit Recht oder Unrecht in eines andern Mannes Freundschaft oder Liebe oder auch nur Unterhaltung Ersatz zu suchen und zu finden, Gefahr laufen, so müssen wir auch hinzufügen, daß sie in der gegenwärtigen Zeit oft noch weit mehr die sich ihnen bietende Muße zu Plänen verwenden – wie sie um die Bedürfnisse des Luxus zu befriedigen, ihre Einnahmen vermehren können Aber auch nicht durch Arbeit – das, meinen sie, entspräche ihrer Stellung nicht und der Gemahl würde es mißbilligen – aber die kleinen oder großen Ersparnisse, das eigne Kapital wie den zurückgelegten Nothpfennig, zum Actienankauf und zum Börsenspiel zu verwenden, damit sich Alles verdoppele und verdreifache – das ist ihr Sinnen und Denken und Thun! Frauen aller Stände und aller Lebensalter, junge wie alte Mädchen, verheirathete Frauen, wie Wittwen, Mütter im Interesse ihrer Kinder, ja selbst Großmütter, alte Frauen, die sonst so bedächtig und sorglich ihr Vermögen anlegten und mit den geringen, aber sichren Interessen zufrieden waren – sie alle wurden zu Tausenden angesteckt von der über Deutschland hereingebrochenen[181] Schwindelperiode. Sie, die es sonst nicht der Mühe werth hielten, eine Zeitung zu lesen und denen man spöttisch nachsagte, daß sie in ihnen nur die Familiennachrichten und höchstens die Plaudereien des Feuilletons gelesen – sie studirten jetzt in ihnen den Curszettel und die Einladungen zu neuen Actienunternehmungen. Das Trockenste von allen, was die Zeitungen zu bieten hatten, dasjenige, was bisher der »zarten Weiblichkeit« am Fernsten gelegen, das todte Zahlengebiet war plötzlich zu ihrer Domaine geworden! Und Niemand verargte es ihnen so lange sie glücklich speculirten, im Gegentheil, manche Männer belächelten sogar diejenigen Frauen, als in veralteten Anschauungen befangen, welche ihre alten Staatspapiere und Hypotheken nicht auch gegen neue Actienpapiere umsetzten – und erst als das Unglück da war, als es sich zeigte, daß die kühnen Spielerinnen ihr Kapital verschwendet und sich indeß selbst an jede andere Verschwendung zu Luxusgegenständen gewöhnt hatten, erst da entsetzte man sich, daß sogar Frauen sich zum Börsenspiel herbeigelassen. Da vergaß man, daß man sie erst mit dazu ermuntert, da bedachte man nicht, daß man es ihnen gerade um deshalb viel eher hätte vergeben sollen, als den Männern, weil diesen ja alle Mittel und Wege offen stehen, sich Kenntnisse zu erwerben und durch sie wie durch eigne Kraft und Arbeit sich geachtete und einträgliche Lebensstellungen zu erwerben, indeß man den Frauen dies Alles vorenthielt, es für unweiblich, unschön und unpassend, mindestens in vielen Lebenslagen erklärte, wenn sie sich um Arbeit und Erwerb bemühten. Eben dies, wie die innere Leere, die Unbeschäftigtheit,[182] das Ausgeschlossensein von großen Lebensinteressen hatte sie auf diesen Abweg geführt.

Man verdammte sie mehr als die Männer – und doch hatten sie hundert Entschuldigungen, wo der Mann kaum eine hatte – und das war gewöhnlich die: daß er sich in den Schwindel gestürzt, um die Ansprüche an den Luxus zu erfüllen, den Frau und Töchter trieben – wären aber diese nach dem Grundsatz erzogen gewesen. daß es für sie einen höheren Lebenszweck gäbe als allein sich und das Haus zu schmücken, hätten auch sie gelernt, sich selbst zu erhalten, so fiele damit auch diese Entschuldigung hinweg.

Aber, wir wiederholen es noch einmal: nicht allein auf den Erwerb ist es bei unsern Bestrebungen abgesehen. Im Gegentheil! Gerade uns mit unseren Erinnerungen an eine Vergangenheit in der man einer Kunst oder Wissenschaft aus innerem Drange sich widmete, ohne erst zu fragen: ob man damit eine einträgliche Carrière gewählt, wo man schrieb um zu schreiben, sich selbst zu genügen und weil man etwas zu sagen hatte – nicht aber nur für's Geld, ja, wo man am Anfang einer literarischen Laufbahn schon froh war, nicht allein sich gedruckt zu sehen, sondern ein Organ zu haben seine Ansichten auszusprechen und wo es noch als Wagniß und als kühnes Heraustreten aus dem Kreise der Weiblichkeit galt, wenn man sich mit seinen Namen in die Oeffentlichkeit durch die Presse wagte – uns hat es unzähligemale verletzt, wenn heutzutage die Frauenhand die Feder nur ergreift, um damit Geld zu verdienen und wenn selbst Gedichte und Artikel im Interesse der eignen Meinung, gelte sie nun dem politischen oder dem weiblichen[183] Parteistandpunkt, nur im Hinblick auf das Honorar geschrieben und eingesandt werden – es hat dies immer etwas unendlich Verletzendes, Herabziehendes und nichts könnte mir ferner liegen, als auch in Bezug auf die höhere weibliche Entwickelung die materiellen Interessen an die Spitze zu stellen. Wer einer Kunst oder einer Wissenschaft – und ich rechne hier das rechte schaffende Schriftstellerthum mit hinzu – wer einem edlen Beruf, wie z.B. der Lehrberuf sich widmet, ohne zugleich den inneren Beruf dazu mitzubringen, d.h. den Wunsch und Drang, auf diesem Gebiete zu wirken, gleichviel ob man es nöthig hat dabei auch an den Erwerb zu denken oder nicht, als vielmehr an das, was man dadurch anderen zu geben und für das Allgemeine zu leisten gesonnen ist – der wird, ob Mann oder Weib, in diesem Berufe auch niemals das Höchste erreichen, weil diesem Streben die wahre Weihe fehlt. Es handelt sich aber nicht darum allein, dem Weibe einen Erwerb, als vielmehr eine Mission zu geben und zu sichern.

Es genügt nicht, wie man lange Zeit gethan, die Liebe und das erhaltende Wirken in Haus und Familie als solche zu bezeichnen. Gerade an der Liebe in ihrer ganzen Hohheit und veredelnden Kraft versündigt man sich am Meisten dadurch – denn wo sie nicht mit einem gebildeten von hohen Idealen genährten Geist zusammenhängt, wo sie nichts ist als der menschliche Drang der Natur nach Ergänzung und darum nicht wählerisch in Bezug auf ihrem Gegenstand, da kann sie unmöglich ein ganzes Dasein ausfüllen und verklären und selbst in der Ehe weder dem einen noch dem andern Theil Befriedigung gewähren, auch nicht der Familie zum Segen werden.[184] Denn eine oberflächliche beschränkte Gattin, die eben dadurch, daß sie Mutter geworden, auf einem Ehrenplatz unter ihrem Geschlecht Anspruch machen zu können meint, aber unfähig ist, ihre Kinder zu tüchtigen Menschen zu erziehen, verfehlt auch ihre Mission in der Familie.

Wie die Kirche, in'sbesondere die christliche, Frauen und Männer zu gleicher Mission berief: sich selbst zu veredeln, sie die Brüder und Schwestern in dem erreichbaren Kreis der Gemeinde zu Ehren der Kirche und zur Ausbreitung des Reiches Gottes: so sollte jetzt der Staat das gleiche thun – wie wir es ausdrücken wollen: zu Ehren des Staates und zur Ausbreitung des Reiches der Humanität.

Unser deutsches Reich sollte es nicht verschmähen, auch den Frauen eine solche Mission zu übertragen.

Als der Krieg kam und der Ruf zum Kampfe und Schutze des Vaterlandes an alle wehrhaften Männer erging: da forderte man damit ja auch viel von den Frauen, denn man forderte zunächst ihre Väter, Gatten, Söhne, Geliebten, Brüder – man legte ihnen damit ein entsetzliches Martyrium auf, weil es viel schwerer ist, still und unthätig daheim die Angst um ferne Lieben zu tragen, als wie selbst thatkräftig sich mit in die Gefahr zu stürzen. Man forderte, daß sie dem Vaterland freudig dies schwere Opfer brachten, man wandte sich an ihren Patriotismus, da man auch seiner bedurfte. Gleichwohl war vorher wenig, oder so gut wie nichts gethan worden, diesen Patriotismus zu nähren. Die Frauen, fern gehalten von allen öffentlichen und Gemeindeangelegenheiten, unberücksichtigt, oder wo es geschehen, meist nur zu ihrem Nachtheil von der Gesetzgebung, ausgeschlossen von allen[185] Bildungsanstalten, welche der Staat nur für seine Söhne errichtet und so von allen Rechten in ihm, nur nicht vom Recht der Steuerzahlung – von ihren eignen Männern oft geflissentlich und noch öftrer von den Erziehern in Schule und Haus in Unkenntniß gelassen über die Vorgänge der Politik –: sie hatten allerdings im Grunde sehr wenig Veranlassung, patriotisch zu sein und alle die Opfer zu bringen, die man jetzt von ihnen forderte. Daß sie es dennoch waren – auch diejenigen, die immer ein Herz für ihr Vaterland gehabt und nicht erst der Anregung ihrer Männer und – der Mode dazu bedursten, spricht am Besten für das warme Gefühl und die Begeisterungsfähigkeit der Frauen, die sich noch in jeder großen Zeit bewährte, spricht noch mehr für ihre Uneigennützigkeit, ihre Selbstlosigkeit, ihre Großmuth.

Daß sie nun doch, wie wir schon erwähnten, ihre Aufopferungsfähigkeit so glänzend bewährten und was in ihren Kräften stand, thaten, das Elend des Krieges zu mildern und ihre weibliche Hilfe zu bieten – das hätte auch einen größeren Spielraum dazu verdient, als man gewährte, das hätte dann nicht der Belohnung durch Medaillen und Orden bedurft, wohl aber der Anerkennung, die darin geruht nun auch im Frieden diese Kräfte im Dienst des Vaterlandes und der Menschheit zu verwerthen. Statt dessen schickte man dann gern die Frauen wieder nach Hause und verwieß sie in die alten Schranken. Die immer mächtiger werdende Herrschaft des Militärismus und auf der andern Seite die durch den Krieg großgezogene Rohheit und Sittenverwilderung, zeigten sich dem Hervortreten und Berücksichtigen[186] des weiblichen Elementes sehr wenig günstig. Es kam dazu eben jene Zeiten der Gründungen und eines gewissen selbstgefälligen nationalen Uebermuthes, deren wir bereits gedacht.

Nur der deutschen Dichtung und ihrem Schiller und seinem Cultus in Schule und Haus, nicht aber den staatlichen und socialen Berücksichtigungen, haben es die Frauen und hat es auch wieder der Staat zu danken, wenn sich bei ihnen Blüthen und Früchte patriotischer Begeisterung zeigten. Aber daß die Theilnahme der deutschen Frauen an der Politik eine so geringe, daß sie für sie oft keine Interesse und kein Verständniß haben, daß sie in dieser Beziehung hinter den Frauen fast aller andern civilisirten Länder zurückstehen, das hat auf der einen Seite vielleicht die frühere deutsche Kleinstaaterei und die Philisterhaftigkeit häuslicher Erziehung und der Vorstellung, daß sich eine Frau, die sich um Politik bekümmere, schon der Unweiblichkeit verdächtig mache, verschuldet, als vielleicht auch, – obwohl »unbewußt« – die sehr trivial klingende und doch gewissermaßen berechtigte Alltagsmoral: was geht mich der Staat an, der mich nur als untergeordnetes Wesen betrachtet? was habe ich davon, wenn mein »Volk« groß dasteht und neue Rechte erhält, so bald ich unter dem Begriff »Volk« nicht mit zähle, sondern nur die Männer, sobald man nur Bürger und nicht Bürgerinnen kennt und die Frauen unberechtigt bleiben?

Und darum – obwohl meistentheils auch noch unbewußt – stürzten sich die Frauen in Zeiten politischer Aufregung und Erhebung, wie z.B. 1813, 1830, 1848 und 1870 auch mit in den Strom der Politik: durften[187] die Männer hoffen, deutsch und frei zu werden und eine bessere Zeit heraufführen zu helfen: so konnten ja auch die Frauen ihr Theil mit fordern und zu verdienen trachten? Aber schon vor dreißig Jahren schrieb ich in diesem Sinne: »die Zeiten stehen nie still und Geschichte wird alle Tage!« Es war uns schon damals und ist auch noch heute eine traurige Wahrnehmung, daß die Frauen, die in solchen Zeiten, z.B. enragirte Zeitungsleserinnen wurden, nachher wieder zurücksinken in die alte Apathie. Wenn das auch jetzt abermals so gekommen, wo im deutschen Reich ja sogar der weitaus größte Theil der Männer befriedigt durch die deutsche Einheit und die geachtetere Stellung Deutschlands dem Ausland gegenüber nun alles Weitere dem Reichskanzler in Berlin überläßt und nur den materiellen Interessen nachgeht – so ist, das zwar nicht zu verwundern, aber immer traurig genug!

In der Hand der Frauen liegt ja immer ein großer Theil der indirekten Macht, an deren Ausübung sie noch keine Macht der Erde hat hindern können: nicht allein vermag die Mutter ihre Kinder, auch die Freundin, die Geliebte, die Gattin, den Mann zu beeinflussen – es geschah und geschieht das überall durch natürliche, durch erlaubte, wie durch unerlaubte Mittel, und weil man dies weiß, hat man es unzählige Male schon ausgesprochen: wie wichtig es um dieses Einflusses willen sei, die Frauen in den edelsten Grundsätzen zu erziehen, zu bilden und zu befestigen. Aber es wäre wirklich an der Zeit, daß man dieser Einsicht gemäß nun auch in der That die weibliche Erziehung leitete und daß man diesen indirekten Einfluß der Frauen, auch als einen direkten Eingang gestattete. Man[188] würde dann nicht mehr erleben, daß Frauen zu niedrigen Mitteln, zu Koketterie und sittlicher Entwürdigung, zu Intriguen jeder Art ihre Zuflucht nehmen, um einen Mann zu gewinnen, den sie nach ihrem Sinne leiten und durch ihn in größeren Kreisen wirken können!

Man gebe allen Frauen diese Möglichkeit sich nützlich zu machen und den Männern gleich geachtet zu werden nicht allein in der Familie, sondern auch in der Gemeinde, im Staate. Nicht um das männliche Element zu verstärken, vielmehr gerade um es zu paralisiren durch das weibliche. Was die Frau der Familie zu sein vermag, das vermöge sie auch einem größeren Gemeindekreise zu sein, nicht etwa auf Kosten, sondern gerade durch Entfaltung der edelsten Weiblichkeit. Nicht um des Erwerbes und im Dienste spezieller eigener Interessen, sondern um der inneren Befriedigung willen, die nur im Wirken für Andere liegt und im Dienste der Humanität sei der Kampf aufgenommen für die veränderte Stellung der Frau!

Im Zeitalter der materiellen Interessen ist ihr von dieser Seite auch zuerst die helfende Hand geboten worden. Die Maschinen, die Fortschritte der Industrie und ihrer Cultur, haben die Frau von unzähligen untergeordneten, schmutzigen und schädlichen Arbeiten befreit, ihr auch manche zierliche, der Kunst sich nähernde entzogen, die Maschinen haben ihr Concurrenz in fast allen Handarbeiten gebracht und sie genöthigt, nun auch mit dem Kopfe statt mit der Hand zu arbeiten, wenn sie nicht zurückbleiben will hinter den Forderungen der Zeit. Der Dampf hat Unmöglichscheinendes möglich gemacht – auch [189] für sie – die Eisenbahnen haben auch ihnen die Welt geöffnet. Die Einengung der alten Zeit, der kleine Horizont von früher, die Ansicht, daß die Frau als Schnecke an ihr Haus gefesselt sei, wie die, daß sie überall außerhalb desselben einer Aufsicht, eines männlichen Schutzes bedürfe, daß sie ein Wagniß begehe, wenn sie ohne einen solchen sich unter fremde Menschen begebe – diese und noch viele andere Vorurtheile sind bereits in der Gegenwart gefallen und fallen täglich mehr, sammt all den lächerlichen und beleidigenden Schranken, mit denen man die »Weiblichkeit« sichern wollte und damit gerade sie jedes wahren Werthes beraubte.

Die Industrie webte die erste Siegesfahne der Frauen.

Der Dampf, der Weltbezwinger, der die Völker zu einander brachte und durcheinander rüttelte und sein »erwacht!« durch die Welt rief: er rief es auch den Frauen zu!

An ihnen war und ist es nun auch diese helfenden Mächte zu benutzen. Die Eisenbahnen haben nicht nur die Männer verbrüdert – sie haben auch die Frauen verschwistert! Sie lernten sich kennen aus nah und fern, sich und ihr Sehnen und Streben und ihre Macht. »Wir müssen nur wollen!« rief einst ein großer Volksführer seinem Volke zu.

Wir müssen nur wollen! ist auch das Losungswort für die Frauen.

Es ist aber noch nicht viel was durch die Vereinigungen von Frauen, die sich vor 11 Jahren aufrafften »zu wollen« und ihre eigne Sache zu führen an wirklichen Erfolgen erreicht worden – aber es ist unendlich viel [190] mehr, als das was man vor 11 Jahren nur zu fordern und zu denken, geschweige denn nur auszuführen wagte –

Indem wir voraussetzen, daß unsere Leser diese Erfolge kennen oder wenn dies nicht der Fall, indem wir bitten sie in den 11 Jahrgängen der Neuen Bahnen nachzulesen, werfen wir noch einen Blick auf die häusliche Mädchenerziehung.[191]

Quelle:
Louise Otto: Frauenleben im Deutschen Reich: Erinnerungen aus der Vergangenheit mit Hinweis auf Gegenwart und Zukunft, Leipzig 1876, S. 154-192.
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