Fünf und vierzigster Brief.

[259] Bristol, den 20sten Dezember 1828.


Gute Julie!


Ich hoffe, Du folgst mir auf der Karte, was Dir meine Briefe besser versinnlichen wird, wenn Du auch dort keine der schönen Aussichten mit genießen kannst, welche ich sah, die ich Dir aber alle in meinen Lebens- und Erinnerungs-Bildern in getreuer Copie mitbringe.

Ich besuchte früh noch einmal das herrliche Schloß, wo mich diesen Morgen ein blühendes Mädchen herum führte, die einen sehr anmuthigen Contrast mit den verbrannten Thürmen, dem schauerlichen Gefängnisse des Königsmörders Martin, und dem dunklen Burgverließ abgab, in das wir zusammen viele Stufen hinabstiegen. Dann besuchte ich eine Kirche[260] mit besonders zierlichem altsächsischen Portal und einem sehr schön gearbeiteten Taufbecken in demselben Styl. Hier liegt auch der arme Martin begraben. Er war einer der Richter Carl I. und saß 40 Jahre im Schlosse zu Chepstow gefangen, ohne doch je, wie man behauptet, dort seine gute Laune ganz zu verlieren. Nach den ersten Jahren scheint überhaupt seine Haft milder geworden zu seyn, und man ihn auch nach und nach immer etwas besser logirt zu haben, denn Carl II. war nicht grausam. Wenigstens zeigte mir das Mädchen heute früh drei Gemächer, wovon das unterste freilich ein schauderhaftes Loch war, und ciceronisierte dabei in folgenden Worten: »Hier streckte man Martin zuerst hinein, als er noch böse war; da er aber nachher in sich ging, kam er einen Stock höher, und endlich, als er religieus wurde, bekam er das Zimmer mit der schönen Aussicht oben.«

Um zwei Uhr fuhr ich mit einer sehr vollen Stage coach, wo ich, ohngeachtet des heftigen Regens, nur mit Mühe noch einen Platz auf dem Bocke bekam, nach Bristol. Wir passirten den Fluß auf einer schönen Brücke, die zugleich den besten Standpunkt zur Ansicht des Schlosses bietet, welches sich unmittelbar über den, senkrecht nach dem River Wye herabfallenden Felsen erhebt, und besonders dadurch einen so äußerst malerischen Anblick gewährt. Wir behielten dann noch lange den Park von Piercefield und seine Felsenwände, jenseits des Flusses, im Angesicht. Ich[261] sagte zu dem Herrn der Stage, der selbst fuhr, der Besitzer dieses schönen Parks müsse ein glücklicher Mann seyn! »Keineswegs,« erwiderte er, »der arme Teufel ist voller Schulden«, hat eine zahlreiche Familie, und wünscht gar sehr, einen guten Käufer für Piercefield zu finden. Vor drei Monaten war schon Alles richtig mit einem reichen Kaufmann aus Liverpool, der das schöne Gut für seinen jüngsten Sohn bestimmte. Doch ehe noch abgeschlossen wurde, verheirathet sich dieser Sohn heimlich mit einer Schauspielerin, der Vater enterbt ihn, und so wurde der Kauf rückgängig. Das hätte wahrlich Stoff zu einigen moralischen Betrachtungen gegeben! Das Wetter wurde unterdessen immer abscheulicher, und artete zuletzt in einen völligen Sturm aus. Wir hatten ihn zwar im Rücken, dennoch war die Fahrt über den Channel höchst unangenehm. Die vier Pferde, alles Gepäck, und die Passagiere wurden pèle mêle in ein kleines Boot gepackt, so voll und gepreßt, daß man sich kaum darin rühren konnte. Der Posten neben den Pferden war wirklich gefährlich, da sie sich zuweilen vor den Segeln scheuten, besonders wenn diese gewandt wurden. Ein Herr fiel bei einer solchen Gelegenheit, sammt der Kiste, auf der er saß, grade unter sie, wurde aber von den gutmüthigen Thieren nur ein wenig getreten, glücklicherweise aber nicht geschlagen, wie es ihm leicht hätte arrivieren können. Das Boot, heftig vom Sturm getrieben, lag ganz auf einer Seite, und unaufhörlich spritzten die Wellen über, und durchnäßten uns von Kopf bis zu[262] Fuß. Als wir endlich anlangten, war das Debarkiren auch eben so mühsam als schmutzig, und ich verlor dabei, zu meinem großen Mißvergnügen, einen Theil der Werke Lord Byrons. Man sagte mir, daß diese Ueberfahrt, der häufigen Stürme, des seichten Grunds und der vielen Klippen wegen, oft Unglücksfälle herbeiführe. Vor sechs Monaten scheiterte das Schiff mit der Mail, und mehrere Personen verloren das Leben dabei. Wir konnten das gewöhnliche Landungshaus auch diesmal nicht erreichen, und mußten daher an der Küste debarkiren, von wo wir, auf einem Strand von roth- und weißgestreiftem Marmor, bis zum Gasthof zu Fuß gingen. Hier bestiegen wir eine andere Stage oder Landboot, mit zwanzig Personen gefüllt, und fuhren (aber nicht so schnell als mit der Mail) nach Bristol, von dessen gepriesener Lage ich für heute nur die hellen Glaslaternen und wohl versehenen, bunten Läden gewahr wurde.


Bath, den 21sten Abends.


Wenn ich in der Erinnerung aufsuche, was den River Wye so schön macht, und vor so vielen andern Flüssen den Vorzug gibt, so finde ich, daß es vorzüglich seine bestimmt gezeichneten Ufer sind, die sich nie in undeutliche Linien verflachen, noch eine nichtssagende Mannichfaltigkeit ohne Charakter darbieten,[263] ferner, daß ihn fast immer Wald, Felsen oder Wiesen, durch Gebäude belebt, selten nur Felder und bebaute Fluren begränzen, denn diese letztern sind zwar eine nützliche Sache, aber nicht malerisch. Die vielen und kühnen Krümmungen machen, daß auch die Ufer sich unaufhörlich verschieben, und so aus denselben Gegenständen hundert verschiedne Schönheiten sich entfalten, wie die Stimme, nach mehreren Seiten gewandt, ein vielfaches Echo hervorruft. Beiläufig gesagt, ist dies auch der Hauptgrund, warum Landschaftsgärtner gekrümmte Wege den graden vorzogen. Diesen Gedanken hatten die Maler; nur die Pinsel machten gewundene Korbzieher daraus, indem sie glaubten, daß ihre imaginaire Schönheitslinie, nicht die verschiedene Ansicht der Landschaft, damit bezweckt werde.

Da die Gegenstände, die sich den River Wye entlang darbieten, fast immer nur wenige in großen Massen sind, so bilden sie schöne Gemälde, weil Gemälde eine kürzere Abgränzung verlangen. Die Natur schafft nach einem Maßstabe, den wir, in seinem Totaleffekt, gar nicht beurtheilen können, dessen höchste Harmonie uns daher verloren gehen muß – die Kunst also strebt darnach, nur einen Theil derselben als ein für Menschen verständliches Ganze idealisch zu formen, und dies ist meines Erachtens die auch der Landschaftsgärtnerei zum Grunde liegende Idee. Doch die Natur selbst bietet für diesen Zweck oft schon einzeln vollendete Muster[264] dar, einen landschaftlichen Microcosmus, und selten findet man deren in kurzen Räumen mehr vereinigt als auf dieser Fahrt, wo jede neue Wendung des Flusses, so zu sagen, einen neuen Kunst-Genuß darbietet; Pope singt irgendwo schön von dieser Gegend:


Pleas d'Vaga echoes thro 'its winding bounds,

And rapid Severn hoarse applause resounds.


Die deutsche Sprache hat, bei allen ihrem Reichthum, etwas Unbehülfliches für die Uebersetzung, besonders bei Uebertragungen aus der englischen, der dagegen ihre Zusammensetzung aus so vielen Sprachen eine ganz eigenthümliche Leichtigkeit giebt, fremde Gedanken auszudrücken. Mir ist daher auch die erwähnte Strophe fast unübersetzbar erschienen. So oft ich es versuchte, verlor der Gedanke seine Grazie, vielleicht war aber auch meine eigne Unbehülflichkeit daran Schuld.

Daß zwei der schönsten Ruinen in der Welt am River Wye liegen, ist ebenfalls kein kleiner Vorzug, und nie wurde es mir klarer als hier, daß Propheten in ihrem Vaterlande nichts gelten, denn wie würden sonst so viel tausend Engländer weit hinwegziehen, um oft über viel geringere Schönheiten in Enthusiasmus zu gerathen, als ihr eignes Vaterland darbietet. Noch eine Frage möchte ich aufwerfen, warum überhaupt Ruinen so viel mehr die menschliche Seele ergreifen, als es kaum die höchsten vollendeten architektonischen Kunstwerke vermögen? Es[265] scheint fast, als ob diese Menschenwerke erst ihre Vollkommenheit erreichten, wenn die Natur sie wieder corrigirt hat – und noch ist es gut, wenn zuletzt der Mensch nochmals eingreift, in den Zeitpunkt, wo die Natur anfängt, seine Spur gänzlich zu verwischen. Eine grandiose und wohl erhaltne Ruine ist darum das schönste Gebäude.

Ich erwähnte schon, daß die Umgegend von Bristol ebenfalls, und mit Recht, einen hohen Ruf hat. An Reichthum, Ueppigkeit der Vegetation und Fruchtbarkeit, kann sie von keiner übertroffen werden, an malerischen Schönheiten gewiß nicht von vielen. C'est comme la terre promise; Alles was man sieht, (und als Gourmand setze ich hinzu) auch alles was man genießt, ist in hoher Vollkommenheit.

Bristol, eine Stadt von 100000 Einwohnern, liegt in einem tiefen Thal; Clifton, das sich am Berge terrassenförmig unmittelbar darüber erhebt, scheint nur ein anderer Theil derselben Stadt. Daß durch diese Lage außerordentliche Effekte hervorgebracht werden müssen, kann man sich leicht vorstellen. Aus dem verworrenen Gewühl der Häusermasse der alten Hauptstadt im Thale ragen drei verwitterte gothische Kirchen empor. Gleich stolzen Ueberresten der Feudal- und Mönchsherrschaft (denn beide gingen, obgleich als feindliche Brüder, Hand in Hand) scheinen sie, im Gefühl der alten Größe, noch ihre greisen Häupter nicht beugen zu wollen vor dem aufgeschoßnen Pflanzendickicht neuerer Zeit. Besonders eine[266] derselben, Radcliffchurch, ist ein ganz wunderbarer Bau; leider hat der Sandstein, aus dem sie aufgeführt ist, so sehr von der Zeit gelitten, daß alle Zierrathen wie angenagt erscheinen. Ich trat während des Orgelspiels hinein, und obgleich ich, mit schuldiger Schicklichkeit, und großer Ehrerbietung, mich nur in eine Ecke stellte, von wo ich das Innere verstohlen überblicken konnte, wollte mir doch die Illiberalität des englisch-protestantischen Cultus dies nicht gönnen, und der Prediger sendete eine alte Frau an mich ab, um mir anzudeuten, daß ich mich setzen müsse. Da man in katholischen Kirchen die Gläubigen nicht so leicht stört, selbst wenn man, ohne alle Rücksicht, nur hineingeht, um die Sehenswürdigkeiten zu betrachten, und sich gar nicht an den Cultus kehrt, so wunderte ich mich mit Recht, daß die englisch-protestantische Frömmigkeit ihrer eignen Schwäche so wenig zutraue, um so zu sagen von einem Hauch schon umgeblasen zu werden – man löste mir aber nachher das Räthsel. Ich hätte für den Sitz bezahlen müssen, und der halbe Schilling war das eigentliche fromme Motiv. Ich hatte indeß schon genug gesehen, und verließ die Mummerei1, ohne zu bezahlen.[267]

In den Gasthof zurückgekehrt, ließ ich nun schnell eine Postchaise anspannen, setzte mich auf den Bock, (nicht als den höchsten Ehrenplatz, wie der Kaiser von China, sondern als höchster Aussichtsplatz –) und begann meine Excursionen in der Umgegend. Zuerst besah ich die warmen Bäder der Stadt, wo an den Ufern des Severn ein felsiges Thal beginnt, das viel Aehnliches mit dem Plauischen Grunde bei Dresden hat, nur daß die Felsen höher, und die Wassermasse weit reicher ist. Wir begegneten hier dem Maire, in seiner Staatsequipage, prachtvoller als die unsrer Könige auf dem Continent. Sie stach sonderbar mit der einsamen Felsengegend ab. Als sie eben vorbeikam, zeigte mir der Postillon einen entfernten verfallenen Thurm, Cook's Folly genannt, auch eines Maire und reichen Kaufmanns Besitzung, der sich damit ruinirte, und in einer Ruine nun fortlebt. Das gothische Schloß, das er in einer der herrlichsten Lagen aufbauen wollte, konnte er nicht vollenden. Es blieb aber in diesem Stande wahrscheinlich nur eine desto größere Zierde der Gegend. Aus dem Felsengrund wieder emporsteigend, gelangten wir auf eine weite Bergebne, die zu den hiesigen Wettrennen dient, und von hier, durch strotzendes Land, zu Lord Cliffords Park, dessen Entrée sehr schön ist. Man fährt nämlich, über eine halbe Stunde Wegs, an einer hohen Berglehne in einer gewundnen Allee uralter Eichen hin, die weit genug von einander gepflanzt sind, um sich vollkommen nach allen Seiten ausbreiten zu können, ehe sie sich erreichen. Unter[268] ihren Aesten enthüllen sich die herrlichsten Aussichtspunkte auf das reiche Thal von Bristol, so daß, gleich einer Bildergallerie, fast unter jedem Baum ein neues Gemälde erscheint. Rechts aber zeigt sich, an dem ansteigenden Berge, der dunkle Saum des pleasure ground hinter der Wiesenfläche, wo Pflanzungen von Lorbeer, Arbutus und anderm Immergrün den Weg begränzen, bis bei einer Biegung Schloß und Blumengarten plötzlich mit geschmücktem Glanz hervortreten! Am Ende dieses Parks liegt ein grünes Vorgebürge, auf dessen schmalem Kamm man eine Weile hinfährt, und dann eine schöne Seeaussicht findet. Hier lag eben eine kleine russische Flotille zu unsern Füßen vor Anker, die, nach dem Mittelmeere bestimmt, in den Stürmen der vorigen Woche dem Scheitern hier nur mit großer Noth entgangen. Den Engländern nach sollte bloß die Unwissenheit der Mannschaft daran Schuld gewesen seyn. Ich machte später die persönliche Bekanntschaft des Capitains und fünf anderer Offiziere. Sie sprachen zu meiner Verwunderung durchaus keine fremde Sprache, nur russisch, weßhalb sich unsre Unterhaltung auch auf bloße Zeichen beschränken mußte. Es schienen sonst artige und civilisirte Leute.

Nicht weit von dem erwähnten Park befindet sich ein interessantes Etablissement, the cottages genannt. Hier hat der Besitzer, Mr. Harford, das Ideal eines Dörfchens zu realisiren gesucht. Ein schöner grüner Platz, mitten im Walde, ist von einem[269] rings umher geschlängelten Wege umgeben und neun Wohnungen daran gelehnt, alle von verschiedener Form, und aus verschiednem Material erbaut; eine aus Feldsteinen, die andere aus Quadern, diese aus Ziegeln, jene von Holz u.s.w., eine mit Stroh, die andre mit Schindeln, Schiefer u.s.w. gedeckt; jede mit andern Bäumen umpflanzt, und von verschiednen Sorten Climatis, Rosen, Je länger je lieber oder Wein umrankt. Die abgesonderten, und doch zu einem Ganzen verbundenen Wohnungen haben auch ihre besondern Gärten, und einen gemeinschaftlichen Brunnen, der auf der Mitte des Rasenplatzes steht, und den mehrere alte Baumgruppen beschatten. Die durch niedliche Zäune getrennten Gärten bilden so einen frischen Gemüse- und Blumenkranz um das ganze Dörfchen; die Bewohner aber bestehen, was der ganzen Anlage die Krone aufsetzt, nur aus armen Familien, denen die Häuser von dem großmüthigen Besitzer unentgeldlich überlassen worden sind. Kein anmuthigerer, kein passenderer Fleck konnte dem Unglücke eingeräumt werden; die völlige Abgeschiedenheit und Heimlichkeit desselben athmet nur Ruhe und Vergessenheit der Welt.

Blos dem Walde gegenüber ragte von fern, aus alten Eichen, ein modernes gothisches Schloß stattlich hervor. Ich wollte es, so wie den umliegenden Park, besichtigen, erhielt aber keinen Einlaß. Wenn an einem englischen Park die Landstraße vorüberführt, ist immer ein Theil der Mauer durch ein Aha, oder[270] durchsichtiges Eisengitter ersetzt, damit man den demüthig neugierigen Blick in die verbotne Herrlichkeit werfen möge. Aber hiermit ist auch die Liberalität des englischen Besitzers erschöpft. Da es nun heute überdies noch Sonntag war, so gab ich gleich alle Hoffnung auf, den mürrischen Portier zur Ausnahme zu bewegen, denn auf seiner Stirn war deutlich Dante's umgekehrte Höllen-Inschrift zu lesen: Voi che venite – di entrare lasciate ogni speranza!

Meinen Rückweg nahm ich über die Bergstadt Clifton, aus der man Bristol, wie in einem Abgrunde, unter sich liegen sieht. Die Scene wurde überdem sehr heiter staffirt durch die, in bunten Farben schillernde, Menge der Kirchgänger beiderlei Geschlechts, welcher ich auf allen Gassen begegnete. Stark kontrastirte dagegen ein großes, ganz schwarz angestrichenes Haus mit weißen Fenstern, einem unermeßlichen Catafalke ähnlich. Man sagte mir, es sey das Stadthospital, und ein Herr erbot sich, es mir zu zeigen. Das Innere war weit anziehender als der äußere Anstrich. Große Geräumigkeit, freundliche Säle, und die ausgezeichnetste Reinlichkeit, müssen es zu einem sehr trostreichen Aufenthalt für Kranke machen. Nirgends auch spürte ich den mindesten üblen Geruch, ausser in der Apotheke, nach Pillen und Rhabarber. Die rechte Seite des Hauses nahmen die männlichen, die linke die weiblichen Patienten ein, und in diesen beiden, den untern Theil[271] diejenigen Kranken, welche des Arztes, den obern, die des Chirurgus bedurften. Das Operationszimmer war besonders elegant, und mit mehreren Robinets in den Wänden und darunter stehenden Marmorbecken versehen, um auf allen Seiten das Blut sogleich abwaschen zu können. Eine Mahagoni-Stellage in der Mitte, mit Saffiankissen, ist für die zu Schneidenden bestimmt. Es war in der That Alles für Liebhaber so einladend als möglich gemacht. So wohlthätig übrigens dieses Handwerk ist, so werden doch in der Regel die Chirurgen dadurch ein wenig fühllos. Der welcher mich begleitete, machte davon keine Ausnahme. So bemerkte ich unter andern in einem der Säle eine Frau, die sich ganz mit einem Tuche zugedeckt hatte, und frug ihn leise, was ihr fehle? »O«, erwiderte er ganz laut, »die ist incurabel an einer Pulsadergeschwulst; sobald diese berstet, muß sie sterben.« An dem Zucken und leisen Stöhnen unter dem Tuche konnte ich wohl abnehmen, wie schmerzlich die Nachricht wirkte, und bereuete meine Frage. Als wir nachher zu den Männern kamen, sah ich einen davon, schlohweiß und völlig wie eine Marmorstatüe, im Bette liegen, und da wir diesmal noch weit entfernt waren, erkundigte ich mich abermals nach der Beschaffenheit dieser Krankheit. »Ich weiß es selbst nicht«, rief er, »werde ihn aber gleich fragen.« Um's Himmelswillen nicht, bat ich, er war aber schon fort, fühlte des Mannes Hand, der sich nicht rührte, und kam dann lachend wieder, indem er sagte: »der ist kurirt, denn er ist todt.«[272]

Gegen Abend fuhr ich, in einer der kleinen Kutschen, die nur zwischen Bath und Bristol gehen, nach ersterem Orte. Ich war allein, und schlief den ganzen Weg über. Als ich von der Sieste erwachte, erblickte ich bei'm Mondschein einen weitläuftigen, erleuchteten Palast, auf einer ganz kahlen Höhe, und erfuhr auf meine Frage, daß dies die milde Stiftung eines bloßen Privatmannes sey, und für fünfzig arme Wittwen bestimmt, die hier in Wohlhabenheit, ja Ueberfluß, leben. Bald darauf erglänzten am Horizont noch vielfache andere Lichterreihen, und in wenigen Minuten rollten wir über das Pflaster von Bath.


Bath, den 22sten.


Seit dem Tage, wo ich Dir die wichtige Begebenheit meldete, daß die Sonne geschienen – habe ich die Wohlthätige nicht wieder gesehen. Doch trotz Nebel und Regen wanderte ich den ganzen Tag in dieser wunderbaren Stadt herum, die, im Grunde des tiefen und schmalen Bergkessels erbaut, nach und nach alle seine hohen Ränder erstiegen hat. Die Pracht der Paläste, Gärten, Straßen, Terrassen und halbmondförmigen Plätze, Crescents genannt, die von diesen Bergabhängen herabglänzen, ist imponirend und englischen Reichtums würdig. Dessen ohngeachtet, und obgleich auch die Natur hier schön ist,[273] hat die Mode dennoch Bath verlassen, um sich dem nichts sagenden, baumlosen und überprosaischen Brighton mit fieberhafter Wuth hinzugeben. Deshalb ist jedoch Bath keineswegs von Badegästen verlassen, und schon die 40000 wohlhabenden Einwohner machen es lebendig – nur die fashionable Welt sieht man nicht mehr hier. Der sonst so berühmte »König von Bath« ehemals der far famed Nash, hat von seinem Nimbus noch mehr verloren, als seine übrigen Collegen. Der, welcher jetzt sein Amt verrichtet, geht, statt sich nie anders als mit sechs Pferden und einem Gefolge von Dienern, wie jener, öffentlich zu zeigen, sehr bescheiden zu Fuß, und wird keine Herzogin von Queensbury mehr vom Balle schicken, weil sie nicht probemäßig angezogen war.

Einen großen Eindruck machte auf mich die alte Abteikirche. Ich sah sie zuerst prächtig erleuchtet, welches den eigenthümlichen Anblick ihres Innern freilich noch sehr erhöhte. Ich habe schon öfters erwähnt, daß alle englischen alten Kirchen durch einzelne moderne Monumente entstellt sind, hier aber sind deren so viele, und mit einer solchen originellen Art von Symmetrie aufgestellt, daß der volle Contrast mit der einfachen und erhabnen Architektur einen ganz eignen neuen Genre von malerischem Effekt hervorbringt. Denke Dir eine herrliche, schlanke gothische Kirche mit den schönsten Verhältnissen, hell erleuchtet, und in der Mitte durch einen rothen, herabgelassenen Vorhang in zwei Hälften getheilt. Die[274] Hälfte, welche Du übersiehst, bietet einen ganz leeren Raum, ohne Stuhl, Bank, noch Altar, nur der Boden bildet ein fortlaufende Mosaik eingelassener Grabsteine mit Inschriften, und eben so sind die Wände, bis zu einer gewissen Höhe, wo eine horizontale Linie abschneidet, dicht und ohne Zwischenraum, mit Büsten, Statuen, eingelassenen Marmortafeln und Monumenten aller Art bedeckt, bald von glänzend schwarzem oder weißem Marmor, bald aus Porphyr, Granit oder andern bunten Steinarten gefertigt – das Ganze dem Aussehen eines Saales gleich, den ein Kunstliebhaber, wie ein Museum, dekorirt, und die Wände mit allerlei verschiedenen Gegenständen bedeckt hat. Bis zu der Linie, mit der die Monumente abschneiden, war alles im hellsten Licht, weiter oben verlor sich die Helle nach und nach, und unter dem Laubwerk der Gewölbe ward sie zur undeutlichen Dämmerung. Ich und der Küster waren ganz allein in diesem Raum, während noch größerer Lichtglanz hinter dem rothglühenden Vorhang zu schimmern schien, und von dort, aus der andern Hälfte der Kirche, der gedämpfte Gesang der Gemeinde, wie aus unsichtbarem Heiligthume, zu uns herübertönte.

Viele interessante Leute liegen hier begraben, unter andern auch der berühmte Witzling Quin, für den Garrick eine Marmorbüste und poetische Inschrift hergeliefert hat. Am Monumente Waller's fehlt die Nase, und man behauptet, Jakob II. habe sie selbst[275] mit seinem Degen in einer Anwandlung von Bigotterie abgeschlagen, als er die Kirche kurz nach seiner Krönung besuchte.


Den 23sten.


Hast Du wohl von dem Sonderling Beckfort je gehört, eine Art Lord Byron in Prosa, der das prachtvollste Schloß in England baute, seinen Park aber mit zwölf Fuß hohen Mauern umgeben ließ, und eben so viele Jahre lang Niemand den Eintritt darin verstattete? Nun dieser Mann verauktionirte plötzlich jenes Wunderhaus, Fonthill Abbey, (dessen großer Thurm, an dem man, die Nächte durch, bei Fackelschein gemauert, bald darauf einfiel), mit Allem was darin war,2 und zog nach Bath, wo er eben so einsam lebt. In der Nähe der Stadt hat er abermals einen sonderbaren Thurm, mitten im Felde, gebaut, dem als Dach eine genaue Copie des diminutiv Tempels in Athen, den man die Laterne des Diogenes nennt, (Denkmal des Lysicrates) aufgesetzt ist. Dahin fuhr ich heute, und konnte mir wohl denken, daß auf diesem Platze die gerühmte Aussicht[276] merkwürdig seyn müsse, Einlaß wurde mir jedoch nicht, und ich war genöthigt, bloß mit meinem Phantasiebilde derselben wieder umzukehren. Der Thurm ist noch unvollendet, sehr hoch, und steht in der offnen, grenzenlosen Einsamkeit einer Bergebne, wie ein Gespenst da! Der Besitzer soll früher ein Vermögen von drei Millionen Pfund besessen haben, und noch sehr reich seyn. Man erzählte mir von ihm, daß er sich nur sehr selten sehen lasse, wenn er aber zuweilen ausreite, geschehe es folgendermaßen: Ein eisgrauer Haushofmeister reite voran. Zwei Reitknechte mit langen Hetzpeitschen hinter ihm. Dann folgt er selbst, von fünf bis sechs Hunden umgeben. Den Schluß machen wiederum zwei Reitknechte, mit Peitschen versehen. So wie, während des Rittes, einer der Hunde sich unfolgsam zeigt, hält die ganze Caravane an, und die Strafe wird sogleich mit der Hetzpeitsche applizirt – dieser Edukationskursus aber während der ganzen Promenade fortgesetzt, bis man wieder zu Hause angelangt ist. Früher hat Herr Beckford einen, zwar sehr seltsamen, aber doch geistreichen Roman in französischer Sprache geschrieben, der auch mit vielem Beifall in's Englische übersetzt worden ist. Ein großer Thurm spielt auch darin eine Hauptrolle, und der Teufel holt zuletzt Alles.

Noch eine andere drollige Anecdote von diesem Beckford. Als er in Fonthill wohnte, plagte die Neugierde dies zu sehen einen benachbarten Lord so[277] sehr, daß er in der Nacht eine Leiter an die hohe Parkmauer legen ließ, und darauf hineinstieg. Er wurde jedoch bald entdeckt, und vor Herrn Beckford gebracht, der ihn, nach Nennung seines Namens, wider Vermuthen, sehr artig aufnahm, selbst am Morgen überall herumführte, hierauf fürstlich bewirthen ließ, und dann erst sich zurückzog, indem er beim Abschied sich dem Lord noch auf das verbindlichste empfahl. Dieser wollte nun, ganz vergnügt, über den so wohl gelungenen Zweck, zu Hause eilen, fand aber alle Thore verschlossen und Niemand da, sie zu öffnen. Als er deshalb zurückkehren mußte, und sich im Schlosse Hülfe erbat, sagte man ihm, Herr Beckford ließe ihn ersuchen, da hinauszugehen, wo er hereingekommen wäre, die Leiter stand noch am bewußten Orte angelehnt. Der Lord äußerte sich zwar sehr anzüglich, es half aber nichts, er mußte sich bequemen, die Stelle seiner verbotnen Entrée wieder aufzusuchen, und die Leiter wieder hinauf zu klettern. Unter Verwünschungen des boshhaften Menschenfeindes verließ er, für immer von der Neugierde, Fonthill zu besuchen, geheilt, das verbotne Paradies.

Als Fonthill verkauft worden war, hielt sich Herr Beckford eine Zeit lang in London auf, wo er in einer Vorstadt verborgen wohnte. In seiner Nähe befand sich der Garten eines seiner Blumenzucht wegen berühmten Handelsgärtners. Dort ging er täglich spazieren und bezahlte wöchentlich fünfzig Guineen[278] für die Erlaubniß: während seiner Spaziergänge so viel Blumen abzupflücken, als ihm beliebte.

Abends besuchte ich das Theater, und fand ein recht hübsches Haus, darin aber ein desto schlechteres Schauspiel. Man gab Rienzi, eine elende, moderne Tragödie, die, bei der Uebertreibung und Unbeholfenheit der Spieler, weder Weinen noch Lachen, sondern nur Widerwillen und Langeweile erregte. Ich verließ daher Melpomene's entweihten Tempel bald, und besuchte meinen Freund, den Abteiküster, um mir die Erlaubniß zu erbitten, die Kirche bei Mondschein zu besehen. Sobald er sie mir geöffnet, schickte ich ihn fort und wie ein einsamer Schatten unter den Pfeilern und Gräbern noch lange umherschwärmend, ließ ich die ernstere Tragödie des Lebens vor mir aufsteigen, von den Schauern der Nacht und des Todes umweht.


Den 24sten.


Das Wetter ist noch immer so schlecht, und hängt eine solche Drapperie über alle entfernte Dinge, daß ich keine Excursionen machen kann, und mich auf die Stadt beschränken muß, die sich indeß, durch die Menge und Mannigfaltigkeit ihrer Prospekte, ganz zu den interessantesten Promenaden eignet. Mit meiner Lieblings-Grabeskirche, fange ich jedesmal an,[279] und höre damit auf – wie das Menschenleben – das auch vom Tode ausgeht und damit endet. Der Architekt, welcher diesen prächtigen Dom baute, hat in Zierrathen und Verhältnissen sich ganz vom Gewöhnlichen entfernt. So steigen z.B., von außen, neben dem Portal, zwei Jakobsleitern mit hinanklimmenden Engeln, bis an das Dach empor, wo sich die Kleinen hinter den Giebeln verlieren. Gar lieblich sind die emsigen Himmelsstürmer anzusehen, und wie mich dünkt, ganz im Geiste jener phantasiereichen Architektur erfunden, die das Kindlichste mit dem Erhabensten, den ausgeführtesten Schmuck mit dem grandiosesten Effekt der Massen zu verbinden wußte, und so zu sagen die ganze irdische Natur mit Wald-Colossen und Blumen, mit Felsen und Edelsteinen (die bunten Fenster) mit Menschen und Thieren abbilden wollte, hierdurch aber am sichersten die heilige Stimmung nach jenseits hervorrief. – Mir ist sie immer als die ächt romantische, i.e. ächt deutsche, Bauart vorgekommen, aus unserm eigensten Gemüth entsprossen. Doch glaube ich, sind wir ihr jetzt entfremdet, da eine mehr schwärmerische Zeit dazu gehört. Wir können sie wohl noch einzeln bewundern und lieben, aber nichts mehr der Art schaffen, was nicht den nüchternsten Stempel der Nachahmung trüge. Dampfmaschinen und Constitutionen gerathen dagegen jetzt besser, als überhaupt alle Kunst. Jedem Zeitalter das Seine. –

Da ich die Contraste liebe, so begab ich mich heute Abend, aus dem inhaltschweren Tempel, unmittelbar[280] auf den, in andrer Art eben so wohlgefüllten, und gleich stark illuminirten, Stadtmarkt – wo unter bedeckten Gallerieen alle Arten Viktualien verkauft werden. Alles ist hier einladend, und elegant, der Gegenstand für tausend Meisterstücke flämischer Pinsel, und ein genußreicher Anblick für den Gastronomen, der hier seine Naturschönheiten bewundert. Enormere Stücke Beef, saftroth in goldnem Fette zitternd, besser gemästetes, wie mit Eiderdaun gestopftes Geflügel, stolzeres Gemüse, schöngelbern Butter, saftigere Früchte und einladendere Fische sah mein erstauntes Auge nie! Alles war vom Glanze hundert bunter Lichter verherrlicht und mit Lorbeer und rothbeerigtem Holly aufgeputzt. Statt eines Weihnachttisches, waren hundert aufgestellt, und die Carrikaturen der verkaufenden Weiber glichen vortrefflich den Pfefferkuchenpuppen, wir Käufer aber den neugierigen und erstaunten Kindern. Schwerlich hätte die brillanteste Gesellschaft mich besser amüsieren können. Wenn ich einen gravitätischen Schöps ansah, der in jeder Pfote ein Inseltlicht hielt, und sich so selbst erleuchtete, oder eine hängende Poularde, der man einen rothen Wachsstock auf die Kehrseite gepflanzt hatte, einen Kalbskopf mit einer Laterne zwischen den Zähnen, neben einem großen Gänserich, dem zwei Kirchenlichter vorleuchteten, oder einen Ochsenschwanz, durch den eine Gasröhre ging, die pretentiös im Flammenbüschel endigte – so machte ich mir die ergötzlichsten Vergleiche mit meiner Assamblée in der Heimath, und fand die Aehnlichkeiten[281] oft frappanter als die Portraits der berühmten Maler W. und S.....

Man lebt hier weit wohlfeiler als in andern Städten Englands, besonders in den sogenannten boardinghouses, wo man für zwei bis drei Guineen wöchentlich, ganz vortrefflich bewirthet, und gut logirt wird, auch eine angenehme und ungenirende Gesellschaft findet. Equipage braucht man nicht, da Portechaisen üblich sind.


Den 25sten.


Acht und »vierzig Stunden« haben endlich den Himmel versöhnt, und der heutige Tag war, was man hier »a glorious day« nennt, nämlich ein solcher, an dem zuweilen die Sonne hinter den Wolken hervortritt. Du ahnest ohne Zweifel, daß ich ihn nicht unbenutzt ließ. Ich erstieg einen Berg neben der Stadt, von dem man das ganze Weichbild derselben, und fast jedes einzelne Haus übersehen kann. Die Abteikirche liegt, wie der Kern, in der Mitte; nach allen Seiten steigen die Straßen gleich Strahlen in die Höhe, und im tiefsten Grunde schlängelt sich das Silberband des Avon durch sie hin. Hierauf setzte ich meinen Weg, auf einer schönen Promenade, bis Prior-Park fort, eine große und ehemals glänzende Besitzung, die ein stolzer Lord erbaut hat,[282] jetzt aber ein demüthiger Quäcker inne hat, der das Schloß leer stehen läßt, und, der Consequenz seiner Lehre getreu, im alten Stalle wohnt.

So ging der Vormittag hin; bei Dämmerung und Mondschein richtete ich einen zweiten Spaziergang nach der andern Seite der Stadt, und fand dort den Anblick in der Stille der hellen Nacht noch prachtvoller. Der Himmel schimmerte in blaßgrüner Farbe, und an der rechten Hälfte desselben waren Massen schwarzer, tief ausgezackter Wolken gelagert. Die gegenüber liegenden Berge schnitten dagegen ihre sanft gerundeten Linien, unter dem Mondlicht, scharf gegen den klaren Himmel ab, während das ganze Thal ein blauer Nebel füllte, durch den man nur Tausende von Gaslampen flimmern sah, ohne die Häuser selbst zu erblicken. Es schien ein Dunstmeer, aus dem sich unzählige Sterne in verdoppeltem Feuer widerspiegelten.

Ich beschloß den Tag mit einem heißen Bade in der Haupt-Badeanstalt, und fand die Einrichtung überall sehr bequem, reinlich und selbst wohlfeil, auch die Bedienung prompt und bescheiden.


[283] Den 26sten.


Die üble Angewohnheit, im Bett zu lesen, hat mir diese Nacht ein lächerliches Unglück zugezogen. Mein Haar nämlich fing unbemerkt Feuer, und ich mußte den Kopf in die Bettdecken wickeln, um es zu löschen. Schrecklich ist der angerichtete Schaden, denn die ganze eine Kopfhaarhälfte ist vernichtet, so daß ich mich über und über fast kahl habe scheeren lassen müssen. Glücklicherweise besteht meine Stärke nicht in den Haaren.

Ein Brief von Dir tröstete mich bei'm Erwachen. Deine Fabel von der Nachtigall ist herrlich. Hätte L.... das bedacht, und sich im zwanzigsten Jahre gesagt: Sey todt für die Welt bis zu Deinem fünf und dreißigsten, wie glänzend und glücklich könnte er jetzt (NB. nach dem Maßstabe der Welt) darin auftreten! Auch ich habe im Lauf dieser Zeit und noch jetzt oft die Welt und andere angeklagt, aber bei Licht besehen,3 ist dies doch eben so thöricht als ungerecht. Die Welt ist und bleibt einmal die Welt, und ihr alles Ueble, das uns daraus entgegen kommt, zurechnen zu wollen, ist dem Kinde zu vergleichen, welches das Feuer bestrafen will, weil es sich die Finger daran verbrannt hat. L... soll also nichts[284] bereuen, denn hätte er fünfzehn Jahre als Murmelthier vegetirt, so hätte er diese Zeit eben nicht gelebt, und folglich nicht erkannt. Es bleibt immer dabei, »que tout est pour le mieux dans ce meilleur des mondes.«

Indem ich Dir herzlich wünsche, dies gleichfalls immer einzusehen, empfehle ich mich Dir für diesmal zärtlichst, und bin wie immer


Dein treuer L...

1

Mummerei (popish mummery) nennen die englischen Protestanten den katholischen Cultus, der ihrige verdient aber vollkommen denselben Namen.

A.d.H.

2

Die Auktion dauerte mehrere Monate, und nie sah man bei ähnlicher Gelegenheit eine reichere Sammlung der kostbarsten und geschmackvollsten Seltenheiten.

A.d.H.

3

Es scheint, die Feuersbrunst direkt am Haupt, hat mich mehr als gewöhnlich erleuchtet.

Quelle:
[Hermann von Pückler Muskau]: Briefe eines Verstorbenen. Erster und Zweiter Theil: Ein fragmentarisches Tagebuch aus England, Wales, Irland und Frankreich, geschrieben in den Jahren 1828 und 1829, Band 2, Stuttgart 21831, S. 259-285.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Briefe eines Verstorbenen
Briefe eines Verstorbenen: Ein fragmentarisches Tagebuch
Briefe eines Verstorbenen: Herausgegeben von Heinz Ohff
Ironie Des Lebens: Bd. Einleitung. Aus Den Zetteltoepfen Eines Unruhigen. Die Pfarre Zu Stargard. Scheidung Und Brautfahrt.-2.Bd. Briefe Eines Verstorbenen (German Edition)

Buchempfehlung

Holz, Arno

Papa Hamlet

Papa Hamlet

1889 erscheint unter dem Pseudonym Bjarne F. Holmsen diese erste gemeinsame Arbeit der beiden Freunde Arno Holz und Johannes Schlaf, die 1888 gemeinsame Wohnung bezogen hatten. Der Titelerzählung sind die kürzeren Texte »Der erste Schultag«, der den Schrecken eines Schulanfängers vor seinem gewalttätigen Lehrer beschreibt, und »Ein Tod«, der die letze Nacht eines Duellanten schildert, vorangestellt. »Papa Hamlet«, die mit Abstand wirkungsmächtigste Erzählung, beschreibt das Schiksal eines tobsüchtigen Schmierenschauspielers, der sein Kind tötet während er volltrunken in Hamletzitaten seine Jämmerlichkeit beklagt. Die Erzählung gilt als bahnbrechendes Paradebeispiel naturalistischer Dichtung.

90 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon