Der Räuber

[106] Nach einem altrussischen Volkslied.


Den Feinden, die er lang genarrt,

Ist er zuletzt erlegen,

Jetzt steht er vor dem Zar und harrt

Dem Urteilsspruch entgegen.


»Wie viele halfen dir den Raub,

Den kühnen, zu begehen?«

»Rechtgläubiger Zar, vor dem ich Staub,

Ich will dir Rede stehen!


Wohl hatt' ich vier Genossen wert,

Ich sag' es ohne Finte:

Die dunkle Nacht, mein flinkes Pferd,

Mein Messer, meine Flinte.«


Da spricht der grause Zar: »Wer darf

Dich darob schmäh'n, mein Junge?

Dein Arm ist stark, dein Eisen scharf

Und witzig deine Zunge.


Mit Recht magst du mein kluger Held

Auf meine Huld vertrauen!

Man soll alsbald auf freiem Feld

Ein Haus für dich erbauen.


Ein Haus, wie noch kein höh'res stand

In grüner Steppen Mitte!

Zwei Balken bilden seine Wand,

Das Dach ersetzt der dritte.«

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Auswahl und Nachlaß, Stuttgart 1895, S. 106-107.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Lyrisches und Episches
Lyrisches und Episches