Unsere Zeit

[176] Die Schaar der Frommen hör' ich seufzen, klagen,

Daß von dem Sturm, der jetzt die Welt erschüttert,

In Schutt und Trümmer Christi Reich zersplittert,

Mit allem Segen, den es je getragen.


Mir aber scheint es höher nur zu ragen,

Seit es, von Dogmen länger nicht umgittert,

Als Strahl der Liebe durch die Seelen zittert,

Wie nie zuvor in den vergang'nen Tagen.


Sagt an! wann griff das fremde Leid so hart,

So drängend an die Herzen der Beglückten,

Wie in der vielgeschmähten Gegenwart?


Im echten Sinne christlich ist die Zeit,

Die ihre Kraft dem Schutz der Unterdrückten,

Dem Dienst der Armen und Verlass'nen weiht!

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Auswahl und Nachlaß, Stuttgart 1895, S. 176-177.
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