101. Unzeitiger Eiffer ist allezeit gefährlich.

[208] Ein Prediger sagte einsten in seiner Predigt: Die Obrigkeiten wären Götter auf Erden / die Bediente wären die Engel. Diesen Menschen hinderten die Affecten /oder der Ehrgeitz vielmehr / das Wort Gottes lauter und rein zu predigen: Er schalte offt auf seine Obern /daß sie den Papisten[208] durch die Finger sehen / und daß sie den Götzendienst zu verantworten hätten / der unter den Reformierten vorlieffe. Er triebe seinen Eiffer so weit / daß die Obrigkeit seiner Unfug überdrüssig wurde / und ihn auf das Rahthauß vor sich kommen liesse / auch ihm seine aufrührische Wohlredenheit verwiese. Der Richter sagte ihm: Prediget das Wort Gottes mit lieb / sonst werden die Götter die Engel verjagen / und euch aus dem Land der Verheissung in die Wüste schicken. Unter allen / die das Wort Gottes predigen / ist keiner / der es mit mehrer Erbauung / und mehr nach der Lehrart des heiligen Geistes thue / als die jenige / welche es friedfertig auslegen. Die jenige / welche aus ihrem Text gehen /umb ihren Passionen Raum zu geben / verjagen die gute Verständnus zwischen den Mit-Burgern einer Stadt oder Provintz / und an statt / daß sie den Frieden / der uns von unser aller Herren so sehr anbefohlen ist / behaubten / machen sie Zertrennungen. Die vereinigte Niederland[209] haben die Waffen ergriffen umb der Freyheit willen / sie solle gehandhabet werden. Die jenige / welche anderst thun / verfehlen des vornehmsten Ziels unserer Vorfahren / und säen Samen voller Unkrauts. Lasset uns für unsere Brüder bitten /und sie nicht verfolgen / diß ist ein Evangelischer Raht / man muß die Verirrten wieder auf den rechten Weg bringen / durch die Bahn der Süssigkeit / und keines Weges durch Schmäh-Wort.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 208-210.
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