123. Es ist sehr schändlich / wann man die Geheimnussen unsers Glaubens entheiliget.

[259] Man sagt ins gemein: die Gedancken sind Zollfrey /dann man ist nicht schuldig Rechenschafft darüber zu geben. Ich setze noch hinzu / daß die Wort der Caution unterworffen sind / die Schrifft aber bleibet / und ist folglich zu straffen / wann sie solche Sachen in sich begreiffet / die wider das Gesetz sind. Der jenige / welcher von den Præadamiten geschrieben / umb eine eitele Ehre zu suchen / der schiene / als wolte er das alte Testament umbstossen / oder[259] verlachen. Er ward in der Römisch-Catholischen Religion auferzogen / und da er unter die geistliche Jurisdiction kame / solte er zum Feuer verurtheilet werden / und hätte ihm wenig geholffen / daß er sein Unrecht erkannte /weil Er seine Irthumer geschrieben / wann nicht die Vorbitt eines von den mächtigsten Fürsten / die jemahls den Degen an der Seite getragen / seiner Buß in etwas beygestanden. Dieser / davon wir jetzt reden wollen / ist in der Reformierten Religion auferzogen worden / und weiter fortkommen. In einer Provintz /allwo die Wasser niemahls austrocknen / und die Freyheit zu reden selten gestrafft wird / wurde ein Buch gedruckt / davor alle Christen einen Abscheu haben solten / welches auch nicht anderst / als unter den Atheisten gelobet wurde. Der Autor lästerte den Sohn Gottes / und nennete ihn einen Zimmermann /darumb wäre er von den Gelehrten für einen Juden gehalten worden / wann Er nicht auch des Mosis Namen verschreyt gemacht hätte / in[260] dem er ihn grausam und unmenschlich geheissen / weil er einen armen alten Mann umbgebracht / der etliche kleine Bürdlein Holtz zusamm gelesen am Sabathtag. Er bemühete sich auch die Christen zu bereden / unser Heyland wäre nicht Gottes Sohn / er machte auch die Keuschheit der allerheiligsten Jungfrau verdächtig. Diese und andere mehr Gottslästerungen verursachten / daß man auf ihn zu greiffen befahl / (dann jederman redete wider diese vermessene Betrügereyen) und solte der jenige ein gutes stuck Geldes haben / der ihn der Justitz überliefern würde. Er wurde in einer Stadt erwischet / und in die jenige gebracht / wo das Buch gedruckt worden. Jederman wolte sehen / was Er für ein Urtheil bekommen würde / welches fürwar genädiger war / als das jenige / welches die Venediger wider einen jungen Edelman ergehen liessen / der wider das Lamb Gottes geredt / und sein Bildnus verachtet. Denn dieser wurd enthauptet / und sein Leib zu Aschen verbrant / jener aber verdammet /[261] daß er etliche Jahr in einen Thurn ein Speculativisches Leben führen / und etliche tausend Francken Straf geben solte. Also weit ist die Natur beeder Nationen unterschieden / dann diese sind gar zu mässig / jene gar zu hitzig: Also ist es nöthiger / daß man in diesem trocknen Land gewaltigere und hitzigere Mittel gebrauche / als in den Seeländern. In vorigen Zeiten klagte man die einfältige Leute als Götzendiener an / weil sie unwissend waren / auch weder lesen noch schreiben kunten. Heut zu Tag / da man die Bequemlichkeit der Truckerey hat /und damit die Finsternus der Unwissenheit vertrieben / ist der Vorwitz so weit gewachsen / bey unzehlich viel Leuten / daß man nicht mehr anfänget von allen Sachen zu zweifflen. Es ist schon lange Zeit / daß diß Buch / welches von den dreyē Betrügern handlet / den Atheismum völlig amTag giebet. Zu unsern Zeiten hat sich ein unverschämter Mensch gefunden / der denselben gelähret / aber nach dem Er umb Vergebung seines Fehlers gebetten /[262] und wieder abgefallen / ward er in einem küpffern Ochsen gebraten. Wann es nicht zugelassen / von grossen Herren anderst als mit Ehrerbietung zu reden / noch viel weniger solte man anderst als mit tieffester Demuth von den jenigen reden /der uns erkauffet hat.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 259-263.
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