125. Kurtzweilige Begegnuß eines Narrn und eines Blinden.

[266] Man hat einen jungen Menschen durch die besten Stätte in Frankreich herumb ziehen sehen / welcher sich eingebildet / (dann er war nicht recht gescheid /) er sey ein Marggraff / und Vetter der vornemsten Herrn im Land. Er gienge frey in die Wirtshäuser / um etliche Gläser Wein zu schmarotzen / etlichmal dantzete er ohne Huet / und ohne Wambs; Er traff einsten zu Roan einen blinden Leyrer an / dem befahle er / er solte eine Sarabande spielen / das that er; weil er ihn aber gar zu sehr antrieb fortzufahren / und kein Geld dafür bekam / ob er es wohl grob genug begehrte; als schlug er ihm rund ab / länger zu spielen. Der Marggraff an statt daß er die Hand in Sack geschoben / gab ihm eine gute Ohrfeige / daß der arme Blinde schier zu Boden gefallen. Kein wildes Schwein / welches die Hund und Jäger verfolgen / kan grimmiger seyn / als dieser Leyrer[267] gewesen. Nachdem er grausam geflucht / gienge er mit dem Stecken umb ihn herumb / mit solcher Furie / das jederman auf die Seite gienge / aus Furcht man möchte Schläge darvon tragen / und lachten so sehr / daß der Leyrer schier darüber gestorben. Dann der Marggraff nahm sein tempo in acht / wann er sich gewendet / da schlug er ihn / und versteckte sich dann. Darüber erzürnte sich der Blinde auf das äusserste mit Fluchen / und machte mit der Bettlers Wehr ein Rädlein: Die Leute aber zersprangen fast vor Gelächter. Endlich mißfiele das Spiel und das Gottslästern den Bescheidnē / nahmen den Blinden und seine Leyre / und führten ihn damit nach Hauß /voller Zorn / daß er den tapfern Marggrafen nicht todt geschlagen. Es ist gantz gewiß / daß die jenige / welche der Schöpfer mit einigem Zufall gezeichnet / mehr zum Zorn und Rachgier geneigt sind / als andere.


Ende der Sinnreichen und Kurtzweiligen Geschichten.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 266-268.
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