40. Ein Ambtmann ward um Geld gestrafft /weil er einen Menschen unschuldiger Weiß unter dem Vorwandt eines Götzendienst ins Gefängnus legen lassen.

[75] Eben selbiger Procurator gienge einsten in ein Dorff / darüber Er zu gebieten hatte / sahe einen Baurn am Fenster im Gefängnüs / und verwunderte sich sehr darob / dann er wuste / daß er weder dem Trincken noch dem Zancken ergeben / sondern sehr reich war. Er redete ihn an / und fragte / warum er darinnen lege / und ob er ein Unglück gehabt: Ja / sagte Er / wie ihr werdet verstehen / wanns euch beliebet /[75] herein zu kommen. Es ist mir aber etwas solches begegnet / daß ihr es schwerlich werdet können errahten. Ihr sollet wissen / mein lieber Freund / daß ich von Leiden zu Pferd umb zwey Uhren wieder kommen bin / und da ich da und dahin kam / allwo es Bäume giebet / welche denen / die kein gut Gesicht haben / dasselbe folgends benehmen können / da stiege ich ab / und bin nieder gekniet / in einem guten Gedancken / welchen ich zu Gott schickte. Denn man muß wissen / daß Er Römisch Catholisch war / und mehr dann dreyssig-tausend Thaler vermöchte. Der Amtmann hat mich in dieser Postur betend erwischt / und hat mich Götzendiensts beschuldiget / und dafür gehalten / es seye allda vor diesem eine Capelle gestanden. Also hat er mich ohne weitern Proceß in die Gefängnus geworffen / und mir betrohet / er wolle mich gantz verderben. Ich hab ihm schon 30. Thaler anbieten lassen / aber er begehrt 200. und will sich anderer Gestalt nicht befriedigen lassen. Darauff sagte der [76] Procurator / welcher des Baurn Einfalt / und die Arglüstigkeit des Ambtmanns kennte / als welcher ihme gedachte Summe abzuschröcken gedachte / in dem er ihme bedrohet / er wolte ihn in grosse Unkosten bringen: Bekennet mir die Warheit nur immer frey / und wann ihr sonst nichts gestifftet habt / so will ich euch bald heraus bringen / wann ihr nur einen einigen Schuncken spendiret. Der Gefangene sagte: Ich will euch deren wohl vier geben / und will eurer Frauen noch eine schöne Verehrung dazu geben. Sie werden miteinander einig / und der Procurator lässet das Gericht zusamm kommen / erhält bey demselben / daß der Gefangene ohne Caution loß gelassen wird / und daß der Amtmann seine Klage anstellen solte: Der sprach: Ihr Herren / ich hab diesen Menschen an solch einem Ort gefunden / da unsere Vorfahren sagten / es sey zur Zeit des Pabstums eine Capelle gestanden / allda triebe er greulichen Götzendienst. Er knihete mit blossem Haupt / zusammgeschlagenen Händen /[77] und niedergeschlagenen Augen / und murmelte / weiß nicht was für Gebet daher. Ich schwehre / daß solch ein Aber glaub unter den Reformirten nicht kan noch soll gedultet werden / man wolte dann die zarten Gewissen antasten / deßwegen Er zur Straff solle gezogen werden / mit Verlust seiner Ehren / andern Götzendienern zum Abscheu. Der Procurator antwortete / es wäre kein Götzendienst / wann man Gott auf den Knihen anruffet / und die Anklage wäre falsch / weil kein geschnitzt noch gemahltes Bild da wäre: Sonst wäre diß ein falscher Wahn / wann man sagen wolte / daselbst wäre vor diesem eine Capelle gestanden / davon weder Stumpf noch Stiel übrig wäre. Und wann es schon wäre / so könte Er daher keinen Folg auf einen Götzendienst / oder zu seinem Vortheil erzwingen /also beschloß er / es solte gedachter Ambtmann alle Kosten und Schäden gut thun / Straf geben / für die Armen / und dem Bauern seine Ehre wieder geben. Ihr Herren / fuhr er weiter[78] fort / ich bitte / betrachtet doch die schändliche Procedur dieses Menschen / er ist nicht eyferig umb der Ehre Gottes / sondern umb seines Nutzens willen. Er hat diesen vermöglichen Mann angetroffen / dessen furchtsame Art ihme bewust war / hielte derowegen dafür / wann er ihn erschröcken würde / wolte er ihme zwey oder dreyhundert Reichsthaler abjagen. Fürwar / wann es ein armer Baur wäre gewesen / er hätte ihn wohl mit Frieden gelassen /wann er schon alle Päbstische Greuel getrieben hätte. Die Professor der Rechten auf der Universität zu Leiden / denen die Acten überschickt wurden / sprachen durch den Mund des vornehmen Mannes / weiland Herrn Cunæi, daß die Gerichts-Personen sich nicht bedencken sollen / gedachten Ambtmann in alle Kosten / zu einer Straff / und zu Ersetzung des angethanen Schimpfs zu verurtheilen: Dann / er sagte / wir können Gott anruffen / stehend / kniend / mit blossem Haubt / auf dem Land / zu Wasser / in den Kirchen /in den Städten / und auf[79] dem Feld / dann er hat alles geschaffen / alles ist sein / und die gantze Welt ist sein Fußschämel. Der Ambtmann bekam von diesem Proceß eine lange Nase / wurde von jederman / sonderlich von dem Procurator ausgelacht / auf diesem schiebte er sein Unglück: Der Teuffel / sagte er / hat euch hieher geführet / dann wann ihr nicht gewesen wäret / hätte ich ein gutes stuck Gelds erhoben / da es mich darfür mit Schand und Spott / darzu wohl dreissig Reichsthaler kostet. Der Procurator antwortete: Dieses geschiehet euch zur Lehre / daß ihr ein andersmahl die Bauren besser tractiren lernet / welche euch genug verehren / daß ihr sie heimlich ihren Gottesdienst verrichten lasset. Wann sie nicht in die Messe gehen dörffen / wann sie es nicht theuer genug bezahlen / und noch dazu in der stille / so gebet doch zu /daß sie Gott offentlich anruffen mögen. Der Ambtmann kratzete seinen Kopf / und der Procurator machte sich bey dem Bauern fein lustig.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 75-80.
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