50. Diebsstahl der Liebe in einem Garten offenbaret.

[102] Die schöne Jungfrauen sind den Fallstricken der Jungengesellen unterworffen / wie die Vögel dem Vogler / wann sie dem Locken der Pfeiffen Gehör geben / so müssen sie in ihr Garn kommen / und ihre Fehler erkennen / wann sie dieselbe begangen haben. Ein junges Mägdlein ward von einem Jungengesellen allein in einen Garten geladen / der wolte ihr das jenige benemen / was sie in der Welt am liebsten haben ben solte. Sie kame dahin wider die Gebühr / und fande daselbst eine Collation in bereitschafft darauf giengen sie spatzieren / und führten alleweil Liebes-Reden /welche untermenget waren mit Küssen und Umbarmen. Endlich liesse sich die Jungfrau durch ihren innerlichen Feind leichtlich auf die Beredung dieses Welt-Menschen bethören: Der[102] legte sie unter einen Birn-Baum / und genoß der Vergnügung / auf welche Er lange Zeit gewartet / welche aber abgebrochen wurde / wie ihr vernehmen werdet.

Es war ein Dieb auf dem Baum / der wolte Birn stehlen / deren der Baum voll hienge / der durffte sich nicht regen / aus Furcht / er möchte verrahtē werden /oder er dürffte die jungen Leute in ihrem Vorhaben irre machen. Darauf erkannte sie ihren Fehler / fienge an zu seuffzen / und mit weinender Stimme zu sagen: Wer wird das Kind erhalten / wann ich schwanger werde? Ihr Bereiter antwortete: Sorget dafür nicht /und bekümmert euch gar nicht / da schon zweymahl zum Ringe gerennt ist: Man muß dreymahl hinein kommen / ehe man gewinnet. Der oben ist / wird euer Kind erhalten und ernehren. Holla / sagte der Dieb mit einer schröklichen Stimme / ich hätte viel zu thun / wann ich alle Kinder auferziehen solte / die in geheim gezeugt werden. Niemand ist mit solchem Schrecken von[103] einer so annehmlichen Ergötzlichkeit kommen / als diese zwey / sie liessen die Fliegel hängen / flohen davon / und suchten die Garten-Thür. Als der Dieb sahe / daß sein Betrug so wohl angeschlagen / stieg er vom Baum / verzehrte die übrige Collation /tranck den Wein / und nahme einen Sack voll Birn mit. Man darff nicht fragen / ob er allenthalben diese artliche Begegnus / und das schöne Spectacul erzehlet habe.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 102-104.
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