87. Betrug mit dem Harm.

[182] Ein junger Parisischer Burger / ein sehr reicher Mann / als er an seinem Weib / welches er sehr liebte / in acht nahme / daß sie Bett-lägerig / und[182] sehr krank war / daß sie die Medici schon verliessen / bekame den Raht / er solte zu den Königlichen Medicum gehen /der in gantz Franckreich der erfahrnste seyn solte. Als er zu ihm kame / bate er ihn / er wolte mit ihm zu seiner Frauen kommen / die sterben wolte. Der Medicus entschuldigte sich / er hätte mit dem König zu thun /und sagte / er solte ihme nur von ihrem Harm schicken / so wolte Er sehen / ob ihr zu helffen.

Der Burger gehet mit Fleiß fort / und thut was ihme befohlen worden / gab das Harm-Glaß einen fürwitzigen Mägdlein / welche aus Dumheit das Glaß fallen liesse / daß es in tausend Stücken zersprungen. Sie wuste nicht / was sie thun solte / und mochte nicht wieder heim gehen / aus Furcht / sie möchte geschlagen werden / entschliesset bey ihr / sie wolte ein anders Glaß kauffen / ihr Wasser hinein zu lassen / und dasselbe dem Medico zu bringen. Als er den Harm besehen / welcher einen gesunden Menschen anzeigte / schriebe er dem Burger / seinem Weibe mangle[183] nichts / als daß er bey ihr schlaffen solte / und daß sie ohne Zweifel sich darauf besser befinden werde. Die ser Mann besuchte seine Frau mit Zufriedenheit / gab ihr des Medici Bericht zu verstehen / und daß er fertig wäre demselben nachzukommen. Sie sagte: Ach mein Mann / was wollet ihr machen / ich bin so schwach /daß ich alle Augenblick des Tods gewärtig bin. Der Mann leget sich mit Ungedult zu ihr / und folget dem Raht des Doctors / aber das gute Weib starb darvon etliche Stunden hernach. Der Burger ward sehr betrübt / gienge zu den Medico / der fragte ihn / wie sich seine Frau gehabe: Mein Herr / sagte er / sie ist gestorben / und euer Raht hat ihr das Leben nicht können verlängern. Der Medicus wurde gantz bestürtzet / und sagte / es sey ein Betrug mit untergeloffen / und daß der Harm / den er gesehen / von einer gesunden Person kommen wäre / begehrte demnach /man solte die Magd darüber fragen. Man liesse sie kommen / und betrohete ihr / wann sie nicht würde die[184] Warheit sagen. Darauf erzehlte das arme Mägdlein alles / was sich zugetragen. Darüber etliche lachten / etliche weyneten.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 182-185.
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