94. Lächerliches Gespräch von Unterschied der Religion.

[195] Ein Catholischer Student besuchte einen Reformirten / der ihn höflich tractirte / und ein Glaß Wein neben einer Pfeiffe Taback ihme vorsatzte. Bald hernach gienge ein Fechtmeister hinein / der war Lutherisch /dem folgte bald hernach ein Arminianer. Diese Herren fiengen an zu lachen / wegen des Unterschieds in ihren Meynungen / und ihre Freude wurde grösser / da sie einen Schiffmann dazu kommen sahen / der ein Wiedertauffer war. Zween Portugäsen kamen zu letzt auch darzu / welche nichts dann das alte Testament[195] gelten lassen wolten: Also daß unter sieben Personen sechserley Religionen waren. Man solte gewündscht haben / daß ein Quacker aus Engelland dazu kommen wäre. Aber diese Secte war noch nicht aufkommen /und ware die Frage noch nicht vom wacklen / sondern vom Trincken und Gläser lären.

Der Schiffmann wurde gefragt / ob er ein rechter Wiedertauffer wäre; und ob Er nicht vermenget sey: Dieser Mensch / dessen gröste Kunst war die Melancholey zu vertreiben / und eine gute Gesellschafft lustig zu machen / antwortete: Ihr Herren / meine Religion ist sehr vermischet / dann ich bin mit allerhand Leuten umgegangen / und hab es gemacht / wie die jenige / die gantz Europam ausziehen: Sie lernen der Italiäner Klugheit / der Spanier Gravität / der Frantzosen Lustigkeit / der Teutschen Freyheit / der Engelländer Verachtung / die Ruhmrätigkeit der Schottländer / und die Bescheidenheit der Holländer. Die Herren verzeihen mir / daß ich so einen langen Vortrag mache / die[196] Materie erfodert es / und eure Gedult ist so groß / daß sie das Ende erwarten will. Und ist genug Weins und Toback da / daran ihr euch exerciren könnet. Er fuhre fort / und sagte / meine Religion ist von vielen Stucken zusamm gesetzt / wie ihr vernehmen werdet. Erstlich halte ich es mit den Papisten / dann sie haben viel Feyertäge / ich arbeite nicht gerne / und bin fäuler / als ein fetter Mönch / der kaum gehen kan. Die Lutherische Religion beliebet mir / dann sie fressen und sauffen gern wie ich. Ich halte es mit den Gomaristen / welche allezeit Herren seyn / und auf den Küssen sitzen wollen. Vor diesem war ich ein Diener / und habe keine Ruhe gehabt / biß ich Herr bin worden. Der Leib meiner Religion hänget an den Wiedertauffern / welche lehren / man solle sich nicht schlagen. Diese Lection gefället mir / dann ich rauffe mich nicht gern. Dieses Gespräch vollführte er mit solcher Anmutigkeit / daß vor Lachen der gantzen Compagnie die Zähren aus den Augen geloffen. Aber das[197] Gelächter war noch viel grösser / da Er auf die Arminianer kam / dann einer von der Compagnie fragte ihn / da Er sahe / daß seine Rede aus war / ehe er der Arminianer gedacht / ob er nichts von deren ihrer Religion behalten: Er antwortete: Ich halte von diesen Leuten weniger / als von meinen Hund. Darauf wurde jederman stille / umb zu vernehmen / was für ein Posse aus solcher Auslegung heraus kommen würde: Wann ihr es nicht wisset / sprach Er / so will ich euch sagen warumb / höret nur: Aber er durffte nicht darumb bitten / jederman spitzte die Ohren schon: Er sagte / mein Hund lage auf meinen Küssen /welches auf meinen Sessel lieget / wann ich ihn abtreiben / und ihme das Küß nehmen will / blecket er die Zähne / und hätte schier das Hertz mit mir darumb zu zancken: Diese Herren hingegen haben ihre Sitze verlassen / und weder ihre Augen darüber aufgeworffen / noch ihre Ohren gestutzet: als wolte Er sagen /sie haben die Obrigkeit den Gomaristen abgetrettē ohne einigen[198] gethanen Widerstand. Darauf thate der Arminianer eine schöne Rede: Es ist besser / sprach Er / wann man ein grosses Gewitter vorsiehet / das einen unfehlbaren Untergang nach sich ziehet / daß man sich verwahre / als wann man sich freventlich widersetzet / und dann Leib und Gut verlieret. Lieber Meister / der eine Theil war gar zu schwach / und die Arminianer sind Wiedertauffer worden / sie wolten sich nicht wehren. Nach diesem Gespräch fienge man wieder an in dem Trincken sich zu üben / biß in die Nacht / welche zum Aufbruch antriebe.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 195-199.
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