13. Von etlichen Mördern / die ein altes Weib und ihre Magd umbgebracht / damit sie ihr Geld bekommen möchten.

[52] Wozu dienet es / daß einer von der unerschöpflichen Brunnquell alles Guten eine vernünfftige Seele bekommen / wann sie in uns die aufsteigende Begierden nicht bezähmen kan / welche / wann sie zunehmen /uns in den Abgrund alles Elends führen? Das unglückselige schändliche End derer jenigen / die ihr Leben durch einen schändlichen Tod verlieren / solte diese Ubertrettungen verhindern und lehren / dergleichen Unglück zu fürchten. Was hilffets / wann man gleich alle Tag Gottes Wort lieset / oder in der Kirche höret /[52] wann wir uns nicht bezwingen / die Wurtzel des Lasters auszureissen / welches unser Verderben mit Schand und Spott nach sich ziehet? Von allen Unvollkommenheiten / die den Menschen strauchlend machen / und von der Bahn der Tugend abführen / ist keines / die die Christliche Liebe mehr ersticke / als der Geitz / wann derselbige unsere Hertzen eingenommen / ist kein Mittel mehr da; das Gehör ist verstopffet gegen die heilige Erinnerungen; Gottes Wort wird für ein Mährle geachtet / oder für ein Kinderspiel / ja alle Mittel / Geld zu gewinnen und zu behalten / werden ergriffen: Wucher / Unterdruckung der Armen / ja gar Todschläge sind die Stricke / deren die Geitzige sich gebrauchen / um Reichthum aus dem greulichen Brunnen zu schöpffen / in welchen sie / wann das Seil zerreisset / plump hinein fallen / und darinn elendiglich verderben. Das Hertz eines Geitzigen ist härter als ein Felsen / welcher nit kan erweichet werden /weder durch Exempel des Mitleidens / noch durch einige[53] gute Anmahnung. Das Geträid / so darauf fället /kan keine Wurtzel gewinnen / es ersticket aus Mangel der Feuchtigkeit.

Die Mordthat / die ich erzehle / welche vor etlichen Jahren in der Stadt Leiden geschehen / scheinet aus Geitz herkommen zu seyn. Wann diese Mörder noch nicht alles davon getragen / so war Ursach / daß die falsche Ehre sie noch besessen / und daß sie Sorg gehabt einsten offenbahr zu werden.

Es war ein altes Weib zu Leiden / ungefehr siebenzig Jahr alt / die hatte ihre Wohnung über dem Marck / nahe bey der neuen Kirchen / in einer Krämers-Gassen / die sehr gangbar war: sie hatte eine einige Magd bey ihr. Diß Weib hatte den Beruf / sie wäre reich /und weil sie nur ein Mensch bey ihr hatte / leicht zu bestehlen / ohne sonderbarem Widerstand. Es war gegen dem Monat Aprilis / da die Nächte schon sehr kurtz waren / und daß die Burger sich schon zum Einlegen schickten: Da nahmen ihnen diese Mörder auch vor / der[54] guten alten Frauen ein Ausziehen zu machen / auf Mittel und Wege / wie ich zeigen will.

Diese Magd hatte einen Kerl / der mit ihr buhlete /Vorhabens / wie Er auch hernach bekannte / sie zu heyraten: Darumb kam er offt / sie zu Abends zu besuchen / und löffelte mit ihr / wie es die junge Leute machen / die Vorhabens sind / einander zu heyraten. Eben selbigen Abend / der dieser armen Magd und ihrer Frauen die letzte war / hatte dieser Kerl den Abend mit ihr zugebracht / und ungefehr umb zehen Uhren seinen Abschied von ihr genommen. Den andern Morgen fande man diese zwo arme Creaturen /daß ihnen die Gurgel ware abgeschnitten / die Alte auf ihrem Bett / die Magd auf der Erden / nicht weit von ihr. Das Geschrey kame in der gantzen Stadt aus /und jederman redete mit Bestürtzung davon. Diese Mörder (dann es schiene nach allem Anzeigen / daß deren mehr als einer gewesen) hatten nicht viel Mühe / diese Alte fertig zu machen / aber[55] wie sie die Magd tractiret / kan man wohl schlüssen / daß sie sich wohl gewehret / und bewiesen / wie starck die Natur in der Verzweiffelung sey; Dann diese Metzler hatten ihr die Drussel mit dem ersten Schnitt nicht abgeschnitten. Nach dieser grausamen That nahmen sie alles Geld /welches in sieben oder acht Säcken gewesen / die legten sie auf der alten Frauen ihr Bett / rühreten aber kein Silbergeschmeid noch Leinen-Gezeug an / dessen die Holländer guten Vorrath pflegen zu haben /womit sie auch sich ergötzen.

O ihr Henckers-Buben! ihr habt noch nicht alles genommen / was ihr hättet davon tragen können / eure Ehre zu beschönen. Habt ihr keinen Abscheu vor dem jenigen / der alles siehet / und vor dessen Thron das unschuldige Blut umb Rache schreyet? Er hat noch Mittel genug / euer Ubelthat zu entdecken / wann es ihme gefallen wird / und wann ihr euren Lohn nicht in dieser Welt bekommet / so wird es in der andern geschehen. Lang geborgt ist nit geschenkt.[56] Diese Mörder nun wolten nichts von Silbergeschmeid nehmen /aus Furcht verkundschafftet zu werden. Und man weiß noch heut zu Tag nicht / wer Ursacher an dieser Ubelthat gewesen. Die Obrigkeit hat seither genaue Kundschafft gelegt / auch dem jenigen eine grosse Summa Gelds zu geben versprochen / der diesen Mörder offenbaren würde: Aber vergebens. Etliche haben vermeynt / es müsse nur einer dieses Meisterstück gemacht haben / und wann ihrer zween oder drey wären gewesen / hätten sie sich so lang nicht verbergen können / und ihr Verbrechen wäre wol am Tag kommen. So viel ist es / daß solches biß auf diese Stund ungestrafft geblieben / man hat viel vergebliche Argwohn gehabt / daß der / oder die jenige / welche diese grausame That gethan / nicht solche Diebe gewesen / die kein ander Handwerck sonst gelernet.

O! verderbte Zeiten / ihr bringet gar zu viel Geschmeiß / so wenig Früchte / die auf den Bäumen sind / zu verderben. Es ist allenthalben Gefahr / saget der[57] Ap. Paulus / aber wo wird man sicher seyn / wann man in seinem eignen Hause ermordet wird? Geben solche Städte keine sichere Auffenthalt / wo wird man sicher auf dem Lande wohnen? Ja ich glaube / man fände mehrere Sicherheit bey den wilden Thieren in den dicken düstern Wäldern / als unter den Leuten.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 52-58.
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