21. Von einem Bauren / der zu Gotkirch in einem Dorff / zwo Meilen von Leiden enthaubtet wurde / weil er einen Menschen ertränckt hatte.

[88] Den Baum kennet man an der Frucht: Ist jener böß /so kan diese nicht gut seyn / wie die H. Schrifft bezeuget. Es giebet Leute / die in ihrer Jugend den Lastern also ergeben sind / daß es ihnen fast unmüglich fället / sich zu enthalten; ob sie gleich alle Tage in der Schule des wackeren Mannes wären / der alle seine böse Zuneigungen durch Erlernung der Philosophie bezwange. Dieser / dessē End wir beschreiben wollē /gab genug zu verstehen / was er für Früchte bringē würde / wann er zeitig würde / und wann er auf der Schaubiene dieser Welt hoch genug gestiegen wäre /so scheinet es / seine Ubelthaten[88] wären noch weiter auskommen / und wären gesehen und offenbaret worden / biß in weit-abgelegene Länder. Dann man merckte an ihm eine grosse Zagheit / die er biß aufs äusserste erwiesen / dazu kame eine schwartze Grausamkeit / wann er eines Meister worden. Da Er verheyratet worden / fienge er an in die Wirtshäuser zu gehen / und wann der Trunck seine Würckung gehabt / überfiele er alsbald den nähesten / der ihme zu wider war / und wann er der Stärckste war / erzürnte er sich in seiner Boßheit so sehr / daß er ihn in Stücken zerhauet hätte / wann man ihn nicht davon abgehalten. Darumb flohe man seine Gesellschafft / und wolte niemand mit ihme zu thun haben. Traff er einen an /mit dem er zu reden bekame / oder einen Behertzten /der ihme eine gute Ohrfeige gegeben / so gienge Er mit langer Nase fort / und sagte nichts.

Als aber diese arme Seele mit ihrem Schwager einen Hader angefangen / schluge Er ihm / und tractirte ihn mit einem Grabscheid dermassen / daß Er[89] davon starb. Dieser Mörder versteckte sich / umb den Urtheil zu entgehen / und seine gute Freunde thäten so viel / daß sie endlich bey dem Prinzen von Uranien Gnade erhielten. Als Er wieder kam; gab Er kein Anzeichen einiger Besserung / sondern verübte mehrer Unfug durch seine Hartnäckigkeit / und Bernheuterischen Zorn: Aber er hatte das Glück / besser tractiret zu werden / wann er seinen Feinden zu schwach war /als Er denen jenigen gethan / die sich ihme unterworffen: Solches bezeuget der letzte traurige Actus der der letzte war an seiner Tragödie. Es war ein armer Mann / der auf dem Heu bey seiner Frauen gelegen / und nach dem sie weg waren / verlohre sich ein Weiber-Mantel: Er lieffe mit andern nach / erdappte diesen armen Mann / der schriehe umb Barmhertzigkeit / und bezeugte / er habe ihn nicht genommen. Aber sein Geschrey war zu einen Barbarn gerichtet / der weniger Mitleidens hatte / als ein brüllen der und grimmiger Löwe. Nach dem er ihn genug gestriegelt[90] hatte / hielten sie ihn so lang unter den Wasser / daß / da sie ihn wieder herausgezogen / Er fast kein Anzeigen des Lebens gabe / und starb kurtze Zeit hernach.

Diese Hencker entflohen / jeder in sein Hauß / und bliebe die Sach lange Zeit anstehend / ehe man darnach gefragt / vielleicht weil keiner sich des Verstorbenen annehmen wolte / oder weil er noch nicht gar todt war / da man ihn aus dem Wasser gezogen. Es seye wie ihm wolle / als das Gericht genugsamen Bericht davon eingenommen / wurde beschlossen / man solte seine Person angreiffen: Aber das Schwehreste war / wie man ihn möchte antreffen / dann weil er starck und mächtig war / war es nicht zu glauben /daß er sich wie ein Kind würde einführen lassen.

Man gebrauchte eine Liste / und zween Schergen schlichen heimlich in das Zimmer / worinn er saß /der eine darunter griffe ihn von hinten an / und truckete ihn dermassen / daß ihm der andere die Hände binden kunte. Er war gewarnet / er solte sich in acht nehmen /[91] aber er gabe nichts darauf / sondern bildete sich ein / daß man ihn nicht dürffte angreiffen / oder daß ihm sein Unglück auf den Fuß nachgefolget / er ward nach Leiden geführet / und etliche Tag hernach wieder nach Gotkirche gebracht / sein Urtheil daselbst auszustehen. Er kam auf die Wahlstatt / aber mit solcher Kleinmütigkeit / daß er schier ohnmächtig worden /ehe der Hencker zugehauet. Viel ihrer lassen äusserlich ein Hertz sehen / und haben innerlich keines. Das rechte Hertz hat ihren Ursprung von der Tugend /welche in dem inwendigen bestehet. Dieser Baur / der mehr tod als lebendig vor Furcht war / endete also sein Leben / und liesse sein armes Hauß sehr bekümmert. Wann wir das End bedächten / ehe wir etwas anfiengen / so würde uns unser Verstand abhalten übels zu thun.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 88-92.
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