25. Von einem Polnischen Edelmann / deme der Kopf abgeschlagen worden / weil er seine Liebste gefährlich verwundet hatte.

[101] Die schlipferige Göttin / welche eine so grosse Macht in Morgen- und Mittags-Ländern hat / bringet selten bey uns traurige Zufälle / weil sie die Vernunfft nicht so / wie anders wo verirren noch verblenden kan. Ich weiß nicht / ob die Kälte von Mitternacht die mächtige Spitze ihrer gefährlichen Angriffe stumpf machet /und ob der Nordwind ihre unmässige Hitze lindert. Wir sehen selten die Wirckung ihrer Boßheit auf den Rabenstein büssen / und daß beede andere Laster /von denen wir geredt haben / ihre Herrlichkeit viel weiter ausbreitē. Das gröste Ubel / das sie herfürbringet / ist der Ungehorsam der Kinder gegen ihre Eltern / und nicht das Verderben seines gleichens. Es ist war / daß ein fremder Herr einen excess begangen / der aber ein unbescheidenere Natur[102] hatte / als andere / die in diesen Ländern wohnen. Er hatte eine Liebste / mit welcher er lange Zeit gebuhlet / die hatte er so heimlich gemacht / daß böse Mäuler Gelegenheit bekommen an ihrer Bekandtschafft sich zu exerciren. Ich für meinen Theil weiß nichts davon / und will ihre Mißhandlung nicht loben / noch die jenige vertheidigen /die übel davon geredt haben. Ich will nur sagen / das dieser Cavalier umb etlicher verdächtigen liederlichen Sachen willen sie anredete / und nach etlichen verträulichen Wortwechseln / ihr etliche Stiche mit der Haar-Nadel gabe / wodurch sie ausser Hoffnung gesetzt wurde / dem Tod zu entgehen. Er wurde gefangen genommen / und etliche Tage hernach enthauptet / mit solchem Unglück / daß ihme der Hencker etliche Streich gabe / ehe er ihme den Kopff herab brachte. Man meynte / es wäre im obern Zimmer bey ihm nicht recht aufgeraumt gewesen / welches auch glaublich zu seyn schiene / dann ein bescheidener Mensch hätte dergleichen nimmermehr[103] gethan / wann er nicht durch viel hefftigern Zorn dazu bewegt wäre worden. Als Er verhört worden / antwortete er ohne Entschuldigung seines Vorhabens / sie umzubringen. Das beförderte das Urtheil zum Tod.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 101-104.
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