5. Von der tollen Weise / etlicher / die zu Nachts durch die Gassen lieffen / und denen jenigen Backenschnitt gaben / die ihnen begegneten.

[17] Wann der Mensch Gott gantz und gar verlassen hat /so lauffet Er Spornstreichs in allerhand Laster. Er[17] giebet raum seinem ungezähmten freyen Willen / stösset alle Warnungen mit Füssen weg von sich / und bedencket nicht / was seine Boßheit ihme für ein Ende zu weg bringen werde. Ein Fluß / der auslauffet / ist nicht so gefährlich / als diese lose Vögel. Dann jener kommet wieder in seinen Ort / und scheinet zu bereuen / daß Er einmahl daraus gekommen; Die bösen Buben aber bleiben immer in ihrem bösen Leben / biß sie dasselbe durch des Henckers Hand verlieren. Es ist nicht lang / daß junge nichtswehrte Leute sich solche Thorheit haben einnehmen lassen / daß sie Winters Zeit durch die Gassen giengen / und die jenigen schnitten / welche ihnen begegnet. Diese lose Vögel machten solche Forcht unter den Leuten / daß fast niemand aus seinem Hauß gehen mochte / und bewegten den Magistrat / dem Frevel dieser Unglücks-stiffter zu begegnen / mit ernstlichen Verbote bey Lebens Straff. Sie kehreten sich nichts hieran / und trugen ihrer viel gespaltene Gesichter davon / so wohl zu[18] Amsterdam und Leiden / als Harlem / und anderer Orten. Einer war so gar verwegen / daß er ungefähr umb sechs Uhren an der Thür eines ansehlichen Burgers zu Harlem anklopffete. Die Magd machte das Hauß auf / er stellte sich / als fragte er nach ihren Herrn / und tratte zu ihr / und gab ihr einen Schnitt in das Gesicht. Die Magd fühlete daß sie beschädigt war / schriehe um Hülffe. Er machte sich auf die Füß / und bemühete sich mit der Flucht zu erretten: Aber er wurde von den Burgern verfolget / die noch auf der Gassen waren /die erdappten ihn endlich / und führten ihn ins Gefängnus. Dieser Schelm verkehrte seine Vermessenheit in eine Demut / die Herren der Stadt aber / umb den andern eine Forcht zu machen / liessen ihme gleich den Kopff weghauen. Nach dieser Execution hörte man von diesen verzweiffelten Bösewichten nichts mehr / und kam die Sicherheit allgemach wieder.

Etliche Jahr zuvor waren etliche / welche den Leuten die Hauben vom[19] Kopff nahmen; Einer aber darunter / ward öffentlich von dem Hencker zu Leiden darüber gestrichen / und muste dazu ein Haube aufsetzen / da vergienge ihnen der Lust / mehrere zu nehmen /und liessen diese schändliche Dieberey bleiben.

Beede diese Schelmenstück erinnern mich einer Execution, welche in vorigen Zeiten zu Leiden sich begeben / welche ich offt von alten Leuten hab erzehlen hören / zu beweisen / daß solche Abentheur da selbst so wohl als anderwärts zu finden / wiewohl etwas selten.

Es waren drey Gesellen / die strichen durch das Land / und thäten so viel Ubels / daß ein jeder sie zu fürchten hatte. Sie giengen einsten in eines Bauern Hauß / der war in die Kirche mit seiner Frauen gegangen. Sie fanden ein kleines Kind in der Wiegen / welches sie nahmen / und zogen ein stuck Rindfleisch aus einem Kessel / der über dem Feuer stunde / darein steckten sie diß kleine unschuldige Kind. Grausame Leut! was habt ihr an dieser Boßheit für[20] einen Vortheil gehabt? Die Eltern kamen von der Kirche wieder / und suchten ihr Kind / das fanden sie in dem Kessel / gekocht. Ich lasse ihr Weheklagen und Mitleiden dahin gestellt seyn / damit ich desto eher auf eine andere abscheuliche That kommen möge. Sie giengen in ein anderes Bauernhauß / allwo sie ein Mägdlein allein gefunden / die steckten sie in ein Faß mit Milch /die Füß in die höhe gekehret / und erstickten das arme Kind / nahmen aber ihren Lust daran / daß sie das Kind in der Milch haben gurgeln hören. Diese Ubelthäter wurden bekommen / der schlimste unter ihnen wurde bey kleinen Feuer abgeschmäuchet / und der andere Creutzweiß ausgespannet ins Feuer geworffen. Dem dritten / der in die grösten Ubelthaten nicht gewilliget / wurde die eine Hand abgehauen / und er am Galgen gehencket. Diese Execution wird noch heut zu Tag von alten Leuten die grosse Justitz genennt.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 17-21.
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