Zwey und sechszigstes Sonett.

[143] Dichter.

Ihr Augen, weinet, wie das Herz euch lehret,

So mittelst euch den Tod davon getragen.


Augen.

So thun wir stets; doch ziemet uns zu klagen

Mehr fremden Wahn, als der uns selbst bethöret.


Dichter.

Früh habt den Eingang Amorn ihr gewähret,

Wo noch er seine Herberg' aufgeschlagen.


Augen.

Durch jene Hoffnung konnten wir es wagen,

Die er im Herzen, das nun stirbt, genähret.


Dichter.

Nicht kann, wie euch bedünkt, die Ausflucht gelten,

Weil ihr euch gleich beym frühesten Erscheinen

Auf sein und euer Weh so karg erwiesen,


Augen.

Das ist's, was wir vor Allem nun beweinen,

Daß die vollkomm'nen Richter also selten,

Und daß für fremde Schulden Fremde büßen.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 1, Wien 1827, S. 143-144.
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