Zweyhundert drey und zwanzigstes Sonett.

[39] »Werthvoll ist's Leben, und nach ihm zu preisen

In schönen Frau'n ein ehrbarliches Streben.« –

Kehrt's um, o Mutter; nie ja hat's gegeben

Schönheit und Werth ohn' ehrbarlich Befleißen;

Und die sich ihre Ehre läßt entreißen,

Ist weder Frau, noch auch lebendig eben;

Und scheint sie's auch, ist's schuldvoll rauhes Leben

Schlimmer als Tod und herbste Pein zu heißen.

Nicht hat Lucretia Wunder mich genommen,

Als daß zum Tod das Schwert sie mußt' ergreifen,

Da schon der Schmerz allein ihr sollte gnügen.

Die Weisen aller Zeiten mögen kommen

Und sprechen drob; sie all' am Boden streifen;

Nur Jene sehen himmelwärts wir fliegen.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 2, Wien 1827, S. 39.
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