Zweyhundert neun und sechszigstes Sonett.

[66] Die Nachtigall dort, die so zärtlich weinet,

Weil theurer Gatt' ihr oder Söhne fehlen,

Himmel und Flur in süßer Lust vereinet;

So sinnig klagend tönt's aus ihrer Kehlen.

Und, mich die ganze Nacht begleitend, scheinet

Sie mir mein hartes Schicksal zu erzählen;

Denn mich nur klag' ich an, der ich gemeynet,

Der Tod nicht könne Göttinnen befehlen.

Wie leicht doch ist's, zu täuschen das Vertrauen!

Zwey Augen schön, heller als Sonn' und Sterne,

Wer dachte je sie dunkelnd rings zu schauen?

Nun seh' ich wohl, daß mein Geschick voll Grauen

Will, daß ich lebend und beweinend lerne,

Wie nieden hier auf keine Lust zu bauen.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 2, Wien 1827, S. 66.
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