Zweyhundert sieben und fünfzigstes Sonett.

[60] Wo ist die Stirn, die sonst mit leisem Grüßen

Mein Herz gewandt nach der und jener Seiten?

Wo schöne Brau'n und Sterne, die zu leiten

Durch's Leben mich mit ihrem Strahl verhießen?

Wo Kraft, Verstand und Kenntniß? Wo der süßen,

Der klugen, fromm-demüth'gen Worte Gleiten?

Wo all' die Reiz' in ihr und Trefflichkeiten,

Die, was sie wollten, über mich erließen?

Wo sanfter Wangen holdes Schattenweben,

Das Kühl' und Rast dem müden Geist bescheeret,

Und wo geschrieben stand mein ganzes Sinnen?

Wo sie, die in den Händen hielt mein Leben? –

Wie viel die arme Welt, wie viel entbehret

Mein Aug, aus dem fortan nur Thränen rinnen!

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 2, Wien 1827, S. 60.
Lizenz:
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