[457] Das sechszehende Capitel.

Wie D. Faustus der Gräfin von Anhalt zeitige Trauben, Äpffel und Birn zuwegen gebracht.

[473] D. Faustus kam auf eine Zeit zu dem Grafen von Anhalt, so jetziger Zeit Fürsten seynd, zur rauhen Winterszeit, zu Anfang deß Januarii, allwo er am Hof Bekandten hatte, die er im Durchreisen besuchen wolte. Der Graf, als er dieses erfahren, ließ ihn zu der Tafel beruffen, weiln er verlangte von seiner Kunst ein Stücklein zu sehen. Und als D. Faustus über der Tafel wahrgenommen, daß die Gräfin schwanger war, sprach er unter andern zu ihr: Gnädigste Frau, es melden die Medici, gibts auch die Erfahrung, daß wenn die Weibspersonen sich schwanger befinden, sonderlich zur ersten Zeit, sie nicht selten ein Gelusten haben, dieses oder jenes zu essen, ob sie es schon zur Zeit, und der Zeit nach, nicht habhafft werden mögen; daher sie denn auch manchmal wegen Versagung und Entbehrung dessen, betrübt werden, auch wol der Leibesfrucht ein Mahl anhängen: also wird es bey ihr, allergnädigste Frau, auch nicht wol fehlen, sie wird eben so wol etwan nach diesem oder jenem ein Verlangen tragen, darum bitte ich, sie wolle frey etwas fordern und begehren, ich will es durch meine Kunst verschaffen.

Die Gräfin antwortet alsobald hierauf, Herr Doctor, ich wills euch fürwahr nicht verhalten, was ich jetzund an Statt gegenwärtig aufgetragenen Confects wünschen wolte, nemlich frische Trauben, wolgeschmackte zeitige Äpffel und Birn, darinn [458] wolte ich meine Lust büssen, und mich ergötzen.

D. Faustus versetzte, es ist nicht ohn, Gnädigste Frau, daß der Herbst viel frisch und zeitiges Gewächse von Früchten mit sich bringet, deren wir bey jetziger rauhen Winterszeit entbehren und ermangeln müssen; aber wenn euer Gräfl. Gn. mir Glauben geben wolte, und meiner Kunst etwas zutrauen, so wolte ich inner einer halben Stund zeitige Trauben, Äpffel und Birn verschaffen. Die Gräfin lächelte darob, und sagte, daß solches zu solcher Zeit gantz unmüglich wäre; Sie wolle es aber gerne sehen, und denn glauben.[473]

Hierauf nahm D. Faustus drey silberne Schüsseln, die setzte er fürs Fenster hinaus, mit Murmelung etlicher Wort. Als ihm nun gedauchte die Zeit vorhanden zu seyn, stunde er von der Tafel auf, gieng hin zum Fenster, und brachte von dar in der ersten Schüssel weisse und rote Trauben, und in den zweyen andern lagen schöne zeitige Äpffel und Birn, die stellete er auf die Tafel, und sprach zu der Gräfin: Allergnädigste Frau, allhier ist die Kunst, Euer Gräfl. Gn. wollen sich darob nicht entsetzen, noch Bedencken tragen, davon zu essen und zu geniessen, denn sie kommen gar weit aus fremden Landen her, da sich der Sommer bald enden will. Also aß die Gräfin von diesem Obst und Trauben mit Lust, und bester Vergnügung.


Anmerckung.

I. Es ist bisher mehr als einmal von der mächtig geschwinden Behendigkeit deß Teufels erinnert und gedacht worden. Denn daß er alhier und in so kurtzer Zeit natürliche Früchte und zeitige Trauben aus fern entlegenen Orten hergebracht, ist ihm wol müglich gewesen, in deme S. Paulus, Ephes. 2. den Teuffel nennet einen Regenten der Lufft, und [459] Fürsten unter dem Himmel; so muß er warlich kein ohnmächtiger und schlechter; sondern ein sehr geschwinder und zugleich mächtiger Regent seyn, also, daß er wol Äpffel, Birn, zeitige Trauben, und so ferner seiner Behendigkeit und grosser Geschwindigkeit nach aus Asia, Africa, etc. kan herbringen: denn in diesen Landen der Sommer und Winter mit unsern Landen nicht übereintrifft, weiln wenns bey uns Winter seyn soll; und wenn wir der Zeit nach keine der gleichen Früchte haben, seynd solche der Orten genugsam zu finden. Wenn nun der Teuffel, und durch ihn die Zauberer und Schwartzkünstler, ein solches thun, so ist es den Unwissenden recht seltsam, und verursachet ein grosses Wundern, aber es ist ihm wol müglich, und wol zu thun.

Es meldet unter andern von solcher und dergleichen Dieberey, Herr Jacob, Freyherr von Liechtenberg, in sei nem Hexen-Büchlein, daß solches offtmal geschehen sey, daß der Teuffel einem König, Fürsten oder Herrn aus Orient, sein Essen aus der Kuchen, den Wein aus dem Keller, genommen habe, und einem andern in Occident, der es etwan verlanget, zugeführt: Warum wolte denn dieses mit dem Obst und Trauben nicht auch müglich gewesen seyn?

Wie man auch in deß Schwartzkünstlers Christof Wagners Histori[474] liset, daß er bey angestellter Gasterey zu einem Fenster immer eine Schüssel nach der andern herein genommen, und aufgesetzet, daß sich seine Gäste verwundern müssen. wo doch das herrliche Essen herkommen möchte; wie er auch an die Wand mit einem Stab geschlagen, ist ein Jüngling heraus kommen der zween guldene Becher in seiner Hand getragen, darauf deß Türkischen Käisers Name und Wappen gestanden; aus der andern Wand war eine Jungfrau kommen, mit einem gantzen Korb voll schöner kunstreicher guldener und silberner Trinckgeschirr, darunter vieler Fürsten und Herren Namen und Wappen, sonderlich deß Königs in Spanien und Franckreich waren. Hildebr. in Göt. p. 73. das alles denn sein Meister Auerhan, der leidige Teuffel, mit schneller Herzubringung der Tractamenten, aus Päpstlichen und Königlichen Küchen, der Trinckgeschirr, aus Käiserlichen und Königlichen Silber- und Schatzkammern, durch Gottes Zulassung, zu Werck richten und prästiren können.

Man sehe an das Exempel an den Stäben der Egyptischen Zauberer erwiesen, Exodi 7. v. 12. wie der Teuffel, als [460] ein sehr geschwinder Geist, und der sich in einem Nu und Augenblick von einem Ort zu dem andern schwingen kan, der Zauberer, immassen viel gelehrte Theologi dafür halten, eilends hat hinweg gerucket, und an derselben Statt Schlangen hingelegt, welche er etwa draussen am Fluß Nilo, aus einem Gepüsche oder Schlangen-Höle heraus geholet. D. Forster. Conc. 25. in Exod. p. 147.

Mehrmals aber ist es nur lauter Augen-Verblendung und Betrug mit solchen Speisen, immassen aus folgendem Capitel erhellen wird.[475]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 473-476.
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