Das achtzehende Capitel.

D. Fausti dritte Frag an seinen Geist: aus was Ursache die Teuffel von GOtt aus dem Himmel wären verstossen worden.

[174] AN einem Sonntag zur Zeit da man eben Predigt hielte, ward auch D. Faustus einmal beweget, etwas Gutes vorzunehmen, und gute Gedancken zu führen, sprache demnach zu seinem Geist, den er deßwegen zu sich erfordert hatte, mein Mephostophiles, sage mir, Lieber, warum und aus was Ursachen seyd ihr denn alle von GOtt aus dem Himmel verstossen worden? das muß traun ein grosser Fall gewesen seyn, und um welches willen ihr noch anjetzo, weil ihr euch an Gott nit anderst rächen kuntet, euch unterstehet euer Mütlein zu kühlen an seinen Geschöpffen, sonderlich an den Menschen.

Mephostophiles antwortet, er wisse selbst nicht, warum der Lucifer, der damals der oberste [128] Engel gewesen, und höher denn sonsten einer für GOtt gestanden ist, mit GOtt sich entzweyet, und den Höchsten erzürnet habe: das wissen wir aber wol, fuhre er fort, daß alle wir Geister, so ihme seynd anhängig gewesen, haben sein entgelten müssen, und seynd mit ihm zu gleicher Verdamniß hinab in den äussersten Abgrund deß Erdreichs verstossen worden; doch hoffenlich nicht länger als bis an den Jüngsten Tag, da wir wiederum wie zuvor gleich seyn werden, und den seligen Stand erreichen, aber Lucifer, und seine Mithelffer, die neben ihm gewesen, werden ihren vorigen Stand und Würde in alle Ewigkeit nimmer erlangen: dieses aber weiß er gar wol, darum tobet und wütet er auch wider GOtt und alle Menschen.

D. Faustus antwortet hierauf und sprach: ey Lieber, fahre besser herausser, dieweil du sagest, daß Lucifer mit seinem Anhang nimmermehr werde zu GOttes Huld und Gnaden kommen, so ist leicht zu erachten, daß er sich all zu hoch und viel an dem Allmächtigen werde versündiget haben.

Mephostophiles versetzte, ja freylich hat er sich hoch vergriffen, und diß ist alles seiner Hoffart bey zu messen;[174] denn GOtt setzte ihn höher weder die andern Engel, jedoch nicht höher der Seligkeit wegen, er name aber war, daß GOtt darauf bedacht war, wie er die Menschen zu gleicher Würde, Freyheit und Seligkeit bringen, und neben die Engel setzen wolte: dieses war nun dem Lucifer gantz zu wider, war überdas so hoch vermessen und hoffärtig, daß er auch GOtt den Trutz bote, und sich gleiches Göttlichen Wesens wolte theilhafftig machen.

[129] Da nun GOtt seinen grossen Hochmut also sahe, und darob ereiferte, auch die andern Engel, die in der Unschuld verblieben, und sich wider GOtt nicht setzen wolten, beobachtete, sihe, da brandte deß Allmächtigen Zorn an, und ward Lucifer samt allen die ihme anhiengen, nach seinem gerechten Eifer, aus dem Himmel verstossen.


Anmerckung.

I. Daß die bösen Engel gefallen und zu Teuffeln worden seynd, muß solche Schuld dem gerechten GOtt nicht beygemessen oder zugerechnet werden, weiln er sie im Anfang ihrer Schöpffung zu guten und reinen Creaturen erschaffen hat, sondern sie haben sich selbst durch ihren eigenen Mutwillen von dem höchsten Gut abgewendet, und seynd also durch ihre selbst eigene Sünde dahin kommen, daß sie aus guten Geistern böse, aus Engeln Teuffel worden seynd. Denn Christus, der Grund und Mund der Warheit, der auch den bösen Feind am besten kennet, sagt selbst Joh. 8. v. 44. der Teuffel sey von Anfang ein Mörder gewest, und sey in der Warheit nicht bestanden: denn die Warheit, spricht er, ist nicht in ihm; wenn er die Lügen redet, so redet er von seinem eigenen, denn er ist ein Lügner, und ein Vatter derselbigen. Solche Wort nun zeigen an, daß ob gleich die Teuffel im Anfang als gute Creaturen geschaffen worden, so seyn sie doch durch ihren eigenen Mutwillen von GOtt und der ewigen Warheit, welche Christus ist, abgefallen, und also aus sich selbst zu ewigen Lügnern und Mördern wider GOtt und seine Glaubigen worden.

Was es aber eigentlich für eine Sünde gewesen, durch welche die Teuffel in solchen verdamten Standt seynd gesetzet worden, ist zwar nirgends in der H. Schrifft ausdrücklich angezeiget und vermeldet; wiewol solchem die H. Vätter fleissig nachgedacht, jedoch es nicht alle gleich getroffen haben.

Mephostophiles zeiget gleichwol allhier an, daß der Lucifer sich mit GOtt hab entzweyet, und das mehren theils darum, daß sich GOtt,[175] das ist Christus, die andere Person der Gottheit, deß menschlichen Geschlechtes angenommen, und [130] geliebet hat. Dannenher auch Cyprianus in Serm. de Zelo et bono patient. saget, Lucifer seye aus Eifer und Mißgunst gefallen, daß er dem Menschen nicht gegönnet, daß er nach GOttes Ebenbild geschaffen seyn solte.

Deßgleichen schreibt Tertullianus 1. de patient. es seye aus lauterer Ungedult geschehen, da er gesehen, daß GOtt dem Menschen alle Creaturen unterworffen hatte.

Bernhardus gibt vor, er sey aus Neid und Haß gefallen, da er nemlich gesehen, daß die menschliche Natur weit über die Engel solte erhaben werden, indeme daß der einige GOttes Sohn Menschliche, und nicht Englische Natur an sich nemen wollen.

Etliche sagen, es sey ein Streit unter den Engeln entstanden, worüber seyn die Bösen, die sich ihrer hohen Gaben üherhoben haben, aus dem Himmel gestürtzet worden.

Andere halten auch dafür, daß der Satanas und sein Anhang, aus grosser Lieb zu den Weibern gefallen seye, und zihen dahin die Wort Genes. 6. da sahen die Kinder GOttes nach den Töchtern der Menschen: ist aber eine Fabel, denn der Teuffel ist gefallen, ehe Adam ist geschaffen.

In einer Summa aber schliessen die meinsten Kirchen-Vätter, daß dieses schrecklichen Falls der bösen Engel, oder Teuffel, keine andere Ursach seye, als das schändliche Laster, die Hoffart. Denn dieweil die Engel, so hernach seynd Teuffel worden, herrliche schöne Gaben gehabt, und sich viel zu gut, zu hoch und zu edel darzu gedeucht, daß sie dem Allmächtigen solten unterworffen seyn, seynd derohalben dem Schöpffer ungehorsam worden, und haben sich durch solche leidige Hoffart zugleich in zeitliches und ewiges Verderben gebracht.

Nicht minder Gelehrte deuten diese Hoffart dahin, daß der Teuffel den Sohn GOttes, Christum JEsum, seiner grossen Demut halben, welche er gegen seinem himmlischen Vatter allezeit bewiesen, trotziglich verachtet und sich deßwegen über denselbigen herfür gethan habe; ziehen zu dem Ende dahin die Wort deß Propheten Jesaiæ am 14. v. 12. wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern! wie bist du zur Erden gefallen, der du die Heiden schwächtest! gedachtest du doch in deinem Hertzen, ich will in den Himmel steigen, und meinen Stul über die Sterne GOttes erhöhen, ich will mich setzen auf den Berg deß Stiffts, an der Seiten gegen Mitter[131]nacht, ich will über die hohen Wolcken fahren, und gleich seyn dem Allerhöchsten.

Ob nun wol diese Meinung an ihr selbst nicht gar verwerfflich ist; denn gleichwie die Menschen nichts anders verdammet, als der Unglaube,[176] daß sie den Sohn GOttes entweder boshafftiglich verachten, oder sich seiner nicht getrösten, also ist auch der Engel Fall darum so erschrecklich, daß sie den Sohn GOttes trotziglich verachtet haben, u.s.w. So ist doch dieser Spruch Jesaiæ eigentlich von dem König zu Babel, und dessen Untergang zu ver stehen.

Also saget dorten auch der HErr Christus Lucæ 10. Ich sahe wol den Satanas vom Himmel fallen als einen Blitz: da denn der HErr Christus nicht von einem äusserlichen, sondern von einem geistlichen Fall, und zwar von seiner Hoffart redet.

Herr Lutherus saget unter andern hiervon in seiner Postill im Sommertheil, von der Zerstörung der Stadt Jerusalem, Lucæ 19. Was geschahe im Paradeyß? Lucifer war der schönste Engel, GOTT hatte ihn geschmücket, daß er der Schönste war unter allen Engeln GOttes, und sein Heer war das schönste Heer, unter allen Creaturen GOttes: da er aber sahe, daß er so geschmückt und geputzt war vor allen andern, so vernünfftig und weis, daß er hätte fünff Welt mögen regieren, da ward er stoltz, und wolte GOtt verachten, da sprach GOtt zu ihm: höre Lucifer, darum habe ich dich nicht also geschmücket und mit Gaben ausgezieret, daß du stoltz seyn und mich verachten soltest; und stürtzte ihn also in den Abgrund der Höllen. Wahr ists, Lucifer war begabter, grösser und so zu reden besser, denn die andern alle; weil er aber hoffärtig seyn wolte, und GOtt verachtete, ist er so gefallen. Bis hieher Lutherus.


II. Daß ferner allhier D. Fausti Geist sich vernemen läst, als ob er unschuldig dieses Falls halben wäre, und es doch mit andern habe entgelten müssen, es stehe ihn aber einmal gleichwol die Seligkeit bevor, u.s.f. darauf ist zu antworten, daß sie durchaus alle miteinander GOtt ihren Schöpffer verlassen haben, und aus gerechtem Zorn und Urtheil GOttes in den Abgrund der Höllen verstossen worden.

Denn S. Judas saget in seiner Epistel gar klärlich, daß GOtt die Engel, die ihre Behausung verlassen hätten, zum Gericht deß grossen Tages mit ewigen Banden im Finsternüß verwahret habe.

[132] Was ist das aber anders, als daß die Engel, welche GOtt erstlich rein erschaffen hat, in ihrem seligen Ursprung und Wesen nicht geblieben seynd, sondern aus freyen Willen abgefallen, und also böse und verdamte Geister worden?

Und in der andern Petri im andern stehet geschrieben: hat GOtt der Engel die gesündiget haben, nicht verschonet, sondern sie mit Ketten der Finsterniß zur Hölle verstossen, und übergeben, daß sie zum Gerichte behalten werden, etc.

Welche Sprüche denn genugsam anzeigen, daß die Teuffel, einer[177] wie der ander, aus ihrem vorigen Wesen und Wolstandt abgewichen, und GOttes, wie auch aller Christglaubigen Feinde worden seynd, daß nemlich dasselbige durch ihre eigene Sünde beschehen, und derhalben sie alleine ihres Verderben und Verdamniß Ursacher seynd.[178]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 174-179.
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