Das dreyundzwantzigste Capitel.

D. Fausti achte Frag an seinen Geist: ob er in Hoffnung stünde, daß er und andere Teuffel dermaleins auch selig werden.

[203] DAß auch die Teuffel annoch in Hoffnung stünden selig zu werden, allermassen oben der Geist erwehnet, dieses wolte dem D. Fausto nicht eingehen, sprach demnach abermal zu seinem Mephostophile: ihr Geister, wie könnet ihr euch getrösten, oder in Hoffnung stehen künfftiger Seligkeit?

Nachdem ihr nemlich von dem Angesicht GOttes seyd verstossen worden, da habt ihr euch nicht können besser rächen, denn daß ihr euch unterstanden GOttes und deß Schöpffers liebstes Kleinod zu maculiren, da habt ihr den Menschen Adam und seine Evam, ja durch sie das gantze menschliche Geschlecht in grosses Hertzeleid und ewigen Jammer gebracht; dieweil ihr nun dieses gethan, was soltet ihr euch wol Gutes zu Gott zu versehen haben?

Der Geist antwortet hierauf: das haben wir Geister nicht gethan, sondern unser Fürst Lucifer, der hat darnach getrachtet, wie er GOtt, wegen deß Falls, wiederum eines möchte versetzen: aber wir Geister thun nicht bald dem Menschen Leides, ja die Menschen selbst thun manchmal einander mehr Leides an, als wir nimmermehr.

D. Faustus spricht: Mein Mephostophiles, diese Antwort aber will den Stich nicht halten. Als [162] der Mensch Adam durch Verführung deß Teuffels in den Fall, und durch denselben in den Zorn GOttes gerahten, was hat GOtt alsdenn für einen Sententz ausgesprochen? nemlich diesen, ich will Feindschafft setzen zwischen dir, Teuffel, und dem Weibe, zwischen deinem Samen und ihrem Samen, derselbe soll dir den Kopff zertretten, und du wirst ihn in die Fersen stechen.

Dieser Text nun saget lauter und klar, daß GOTT zwischen euch Teuffeln und dem Sohn GOttes eine ewige Feindschafft gesetzet habe: wo aber eine ewige Feindschafft ist, da hat man sich ja nichts Gutes zu getrösten, noch kan man die Hoffnung haben, daß es dermaleins werde wiederum gut werden,[203] und das Urtheil aufgehoben seyn?

Weil denn dieses eine unaufhörliche Feindschafft seyn wird, so werdet ihr Teuffel das Feld nicht behalten, sondern unterliegen, also daß Christus wird obsiegen, und dem Teuffel und seinem Samen den Kopff zertretten; dargegen werdet ihr ihn und seine Glaubigen, wie ein Floh, in die Fersen stechen; daher könnet ihr euch ja abermals keiner Seligkeit getrösten.

Der Geist antwortet: du verstehest diese Wörter nicht; bist du darbey gewesen, da es ist ausgesprochen worden? diese Feindschafft ist auf den Menschen zu verstehen, und nicht auf Christum: der Same ist die Schlang, und nicht wir, denn wir seynd erschaffene Creaturen, und bleiben ohne Samen, derohalben wir nicht gebären, und keines Samens theilhafftig seynd: und hierauf schwiege der Geist still.

D. Faustus merckete das, und gedachte bey sich selbst, harr, kanst du mir sagen was du thun [163] woltest, wenn du an meiner Stelle wärest, so must du weiter fort, und sprach, lieber Mephostophiles sage an, wie getröstet ihr euch denn eurer vermeinten Seligkeit? er antwortet: Christus hat nicht allein für die Menschen gelitten, sondern für alle Creaturen, die mit einer vernünfftigen Seele und Verstand begabet seynd, oder wissen das Gute von dem Bösen zu unterscheiden; dieses nun wissen wir auch: so werden in dem Wort Mensch, alle vernünfftige Creaturen begriffen und genennet, die seynd wir auch.

Faustus spricht hierauf, wie glaubet ihr aber selig zu werden? er antwortet, durch die Hoffnung; denn Paulus spricht, die Hoffnung läst nicht zu schanden werden. Faustus versetzet, seyd ihr aber auch gewiß darinn in solchem Glauben? er antwortet, ja so gewiß als du Herr Fauste: denn dir mag nicht unbewust seyn, wie sehr du dich an GOtt versündiget hast, und hoffest du mögest von GOtt Barmhertzigkeit erlangen, also stehen wir zwar auch in Sorgen, wir haben GOtt gros erzürnet, jedoch möchte noch die Erbarmung GOttes über uns leuchten, und sich ausbreiten wie die Morgenröthe; auf die Weise nun stehen wir in der Hoffnung: denn wir glauben alles, was man von dem Leiden, Sterben und Auferstehen Christi geschrieben hat.[204]

D. Faustus antwortet bald, der Glaube aber an Christum muß dieses alles befestigen, wo ist euer Glaube? er spricht, in der Hoffnung und gewisser Zuversicht, er werde sich etwan unser auch erbarmen: denn seynd alle Menschen in Sünden, und ausser Christo ewig verloren, so seynd wir auch aus [164] dem Himmel in die Sünden verstossen worden; kan der Mensch nichts den sündigen, so können wir auch nichts anders; kan der Mensch etwas Gutes thun, so wollen wir auch (ists müglich) etwas Gutes thun: darum sagt abermal Paulus, Er hat es alles beschlossen unter die Sünde, auf daß Er sich aller erbarme; da, da schliesset Paulus niemand aus. Zudeme so spricht auch Christus zum Versucher dorten in der Wüsten: du solst GOtt deinen HErrn nicht versuchen, darum ist auch Christus unser HErr.

Hierauf sprach Faustus, wolan du hast eine gute Hoffnung, verharre und verbleibe nur dabey, ich zweiffle fast; allein so gewiß du nun selig wirst, so gewiß werde ich vielleicht auch selig werden. Und weiln D. Fausti guter Freunde einer eben damals an der Thüre anklopffte, musten sie von fernerer Unterredung abbrechen, welches auch dem Mephostophili nicht unangenem ware, und längst gerne von solcher Materie still geschwiegen hätte.


Anmerckung.

I. In diesem und im vorhergehendem Capitel werffen die Teuffel oder Geister ihre Unschuld auf den verstossenen Engel, als ob sie annoch wegen der Seligkeit in Hoffnung stünden; weßwegen denn schon vor vielem Alter in der Kirche die Frag entstanden, ob die bösen Geister auch etwan möchten selig werden?

Der heilige Augustinus in seinem Buch von der Ketzerey im 43. Capitel, meldet von einem gar alten Lehrer, namens Origenes, welcher um das Jahr Christi 230. zu Alexandria gelebet, der habe gelehret und darfür gehalten, daß auch der Teuffel mit allen seinen Engeln endlich solle und möge selig werden, von wegen der unendlichen Barmhertzigkeit GOttes: daher denn diese die hernachmals deß Origenis Meinung zugethan gewesen, hiervon viel Disputirens, in der Kirchen [165] gemachet, und nach diesen von den Libertinern gehöret worden, (vielleicht anheute noch von den Atheisten.)

[205] Aber der Sache ist leicht zu helffen, sonderlich bey den jenigen. welche GOttes Wort etwas bey ihnen gelten lassen.

Denn in heiliger göttlicher Schrifft stehet mehr als an einem Ort klärlich und deutlich, daß die Teuffel, wie auch alle halsstarrige, sichere und unbusfertige Sünder, ohne einige Hoffnung der Barmhertzigkeit GOttes, ewig sollen verloren und verdamt seyn und bleiben, nach dem einmal gesprochenen Urtheil Christi, beim Evangelisten Matth. am 25. Cap. v. 41. und 46. welches er am jüngsten Tag über sie werde ergehen lassen, nemlich: gehet von mir ihr Verfluchten in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teuffel, und seinen Engeln. Und bald hierauf setzet der Evangelist das Wort darzu: und sie, verstehe die Teuffel und Verdamten, werden in die ewige Pein gehen, aber die Gerechten in das ewige Leben.

Was kan doch eigentlicher geredet werden von der Verdamniß der Teuffel, als dieses, weiln ja Christus so klärlich spricht, und auf die ewige Pein deutet? item das Wörtlein gehen, welches Matthæus erkläret und nennet es ewige Pein, da warlich kein Aufhören zu erwarten wird seyn, weiln es ewig ist, soll auch ewig wären, und nimmer kein Ende überkommen. Daher auch unsere liebe Alten offtmals in diese wehemütige Worte ausgebrochen: ach ewig wie ist das so lange! oder O Ewigkeit! O Ewigkeit! wie lang bist du O Ewigkeit!

So spricht auch der HErr Christus Marci am neundten, v. 46. ihr Wurm wird in der Hölle nicht sterben, und ihr Feuer wird nicht verlöschen. Noch deutlicher aber Johannis 5. v. 29. die da Gutes gethan haben, spricht er, werden herfür gehen zur Auferstehung deß Lebens, die aber Ubels gethan haben, zur Auferstehung der Verdamniß. Saget also nicht schlechter Dinge, sie werden ins Leben oder in die Verdamniß gehen, sondern zur Auferstehung deß Lebens und Gerichts, das ist, zu einem solchen Leben und Gericht, das ewig währen wird; denn der HErr Christus selbst nimt solche Wort aus dem Propheten Daniel am 12. Cap. v. 47. sprechende: und viel so unter der Erden schlaffen ligen, werden aufwachen, etliche zum ewigen Leben, etliche aber zur Schmach und Schande.

Wohin auch gehöret das jenige, das in der hohen Offenbarung gelesen wird Cap. 20. v. 10. und der Teuffel der sie [166] verführet, ward geworffen in den feurigen Pful und Schwefel, da das Thier und der falsche Prophet ware, und werden gequälet werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Dieses ist ja verhoffentlich deutlich genug geredet von der ewigen Verdamniß der Teuffel; daß wir derenthalben die Gedancken nicht machen dörffen, als wenn der Teuffel samt seinen Engeln, oder die[206] Geister, was sie auch zu ihrem Behuf vorwenden, und die Menschen desto sicherer zu machen, vorgeben mögen, wie ingleichen alle unbusfertige sichere Sünder noch solten dermaleins, wegen der unbegreifflichen Barmhertzigkeit GOttes selig werden.

Und köndte diese Lehre noch weitläufftiger sowol aus der alten Vätter, Augustini, Ambrosii, Tertulliani, als auch heutiger reinen Lehrer, Schrifften ausgeführet werden, wo es die beliebte Kürtze zugeben oder leiden wolte: bleiben indessen bey dem unfehlbaren Wort Christi, der an dem Jüngsten Tag obbemeldtes Urtheil selbst aussprechen wird; wie denn S. Johannes in seiner 1. Epistel im 3. v. 8 gleichfalls saget, Christus seye darum in diese Welt kommen, daß er wolle deß Teuffels Wercke zerstören, daraus ja folgen muß, daß nichts Gutes an dem Teuffel und seinen Wercken seye. Und wenn von Christo gesaget wird, Er seye in diese Welt kommen zu suchen das verloren war, wiederum den Schaden zu ergäntzen, welcher durch den Fall unserer ersten Eltern dem menschlichen Geschlechte durch die Verführung deß Teuffels ist zugefüget worden. Wo nun eine ewige Feindschafft ist, mag man sich ja nichts Gutes darbey zu einem oder dem andern Theil versehen, und so weiter.[207]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 203-208.
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