[21] Das vierdte Capitel.

Wie D. Faustus seine Complexion und Natur erforschet, ob sie ihm zu seinem Vorhaben werde förderlich seyn, oder nicht?

M. Thomas Wolhalt von Torgau, schreibet, daß er damals nach dem Tod Fausti, in einem Memoriali, welches D. Faustus mit seiner Hand geschrieben, gelesen habe, daß, ehe er zu solcher Kunst gelanget und kommen, er, deme nicht unbekandt war, daß ein Mensch immer glückseliger, oder auch unglückseliger wäre, als der andere, ja öffters einer Geister und Gespenster sehe, der andere aber nicht, u.s.f. seye er vorhabens gewesen, seine Complexion und Natur zu erkündigen, und zu vernehmen, ob ihm auch dieselbe in seinem Vorhaben widerig seyn und fehlschlagen, oder aber geneigt und beförderlich seyn würde?

Wie er nun um deß willen sich bester Massen bearbeitet, und emsig in dem Zoroastre, von den ascendenten und descendenten- Geistern, und andern mehr geforschet, und seine Geburt-Stund mit denen damaligen Gestirns-Einflüssen, wol erwogen, hat er befunden, daß er nicht allein mit einem herrlichen Ingenio begabet wäre, sondern auch, daß die Geister eine sonderliche Inclination und Zuneigung zu ihm haben solten. Welches ihn denn noch mehr und mehr in seiner Meinung bekräfftigte und stärckte, da er nemlich etliche mal nach einander in seiner Stuben einen seltzamen Schatten an der Wand vorüber fahren gesehen, auch darauf offtmals, wenn er aus seiner Schlaffkammer bey Nacht gesehen, viel Liechter hin und wieder bis an [22] seine Bettstatt gleichsam fliegen gesehen, und zugleich darbey als ob Menschen miteinander leise redeten, gehöret; dessen er sich denn höchlich erfreuet hat, und diese für Gespenst und Geister gehalten, jedoch noch nicht so viel Muts gehabt, solche anzusprechen.


Anmerckung.

I. Anlangend das jenige, daß D. Faustus seine Complexion und angeborne Zuneigung zu diesem und jenem hat wissen wollen, daran hat er eben an und für sich selbst so gar unrecht nicht gethan.[78] Er hat es aber wissen wollen, und zu dem Ende gethan, damit er hernachmals in seinem unchristlichen Vorhaben desto getroster fortfahren könte, so er seine Natur dazu tüchtig und geschickt zu sein befände; oder widriges Falls, da ja dieselbe nicht allerdings hierzu geneigt, er denselben mit grösserem Ernst zu hülffe kommen möchte; welches aber nicht wol und recht gethan war.

Sonsten mag zwar wol ein jeder auf seine Natur Achtung haben, wozu er geneiget oder nicht geneiget sey, jedoch jederzeit zu diesem Ende, daß er der Zuneigung zum Guten helffe, aber zum Bösen, steure und wehre: Worbey denn sonderlich den Eltern zustehen und gebühren will, damit sie ihrer Kinder Art und Natur wahrnemen, auf daß sie bey Zeiten zu dem Guten angewiesen, von dem Bösen aber, dazu sie vorhin immermehr geneigt seynd, möchten abgewendet und abgehalten werden, sie ja nicht wider ihren Willen zu diesem oder jenem nöthigen und treiben, zum Exempel, zu dem Studiren, da doch das Ingenium nicht da ist, u.s.f.

Daher gar recht jener sinnreiche Poet ein Sinnbild vorgestellet, nemlich einen eisernen Ring, woran und an welchem viel zubereitete Schlüssel anhiengen, mit dieser Uberschrifft:


Ein jeder sperret.


nebenst folgender Erklärung:


Ein jeder Schlüssel sperrt zu dem er ist gemacht:

Nimst du den rechten nicht, wirst du das Schloß verdrehen;

So nimm zu rechter Zeit deß Knabens Sinn in Acht,

Worzu ihn die Natur, nicht deine Kuhr versehen.


[23] Man kan einen Baum in der Jugend wachsend machen, wie man will, und so lang man ihn seiner Zartheit halber, regen kan; so bald er aber starck und hart worden, läßt er sich nirgends zu lencken, man brauche gleich Mittel wie man wolle: Also ist es auch mit der Jugend beschaffen, wird dieselbe nicht bald Anfangs wol erzogen, so wird schwerlich auf die verhärtete und angeborne Laster, nur eine gute Tugend können gepflantzet werden.

Denn einmal gewiß ist, wenn ein und ander Laster bey der Jugend eingewurtzelt, daß daraus, so zu reden, ein Fels werde, darauf die böse Natur ihre Wohnung bauet, die hernach nicht so leichtlich einfällt: Diß alles und jedes, worzu einer geneigt ist, weiß der schlaue Geist gar wol, sihet fleissig zu, und freuet sich, wenn solche Lüste und Begierden bey dem Menschen wachsen und zunemen, bis er mit einem solchen auf den höchsten Grad kommet. Wenn er denn befindet, daß ihm solcher Mensch dienstlich, und ein taugliches Instrument zu aller Bosheit seyn kan, so gibt er ihm nach allerhand Gelegenheit ein, Rachgier,[79] Hoffart, Unzucht, zauberischer Wercke Beliebung, nach Art und Gelegenheit der Personen, und sündlichen Zuneigungen, bis ihm der Streich gelinget, und den Spieß in die Hand erwischet. Ist nun der Mensch neidisch gesinnet, so bewegt er ihn zu Rache; ist er hoffärtig, reitzet er ihn zu weltlicher Ehre Begierde; ist er aberglaubisch, und hat Belieben an dem Zauberwesen, es kan ihm bald Butter zu der Suppen bringen, durch gleichgesinnete Gesellschafft, und dergleichen Bücher-Lesung, wie allhier D. Fausto widerfahren; ist er unkeusch, und heget gleiche Gedancken in seinem Hertzen, verführet er ihn zu unreinen Wercken: Wie er jenen Fürstlichen Bischöfflichen Cantzler zu Bamberg verführet hat, der sich einsten mit solchen geilen Gedancken, nach Erzehlung Rimphof. Drachen-König. p. 118. geschleppet; daß sich der Satan bald sehen lassen vor seinem Logement, in Gestalt einer schönen Jungfrauen, und er der Cantzler gewünschet, daß er diese möchte bey sich haben. Satan ist bald fertig vor seinem Gemache, und gibt sich diese verstellte Jungfrau in menschlicher Gestalt an, und sagt der Herr Cantzler hätte ihrer begehret.

Er nimmt die Jungfrau mit Freuden an, buhlet mit ihr und befindet mit Schmertzen, daß es nicht recht ist, will gern vom Satan abseyn; aber der Satan mercket bald seine Ge[24]dancken, und sagt, wofern der Cantzler bey ihm verbleiben wolle, so wolle er alle Tage bey ihm seyn, und sich gantz freundlich bey ihm stellen. Da er nicht so bald will, verstellet er sich in einen grausamen Drachen, drohet ihn alsobald zuverschlingen, und in hundert tausend Stücke zu reissen, wo er nicht bey ihm verbleibe. Der Cantzler entsetzet sich, und machet einen Bund mit dem Satan, wird darüber melancholisch. Der Satan wird als ein Hexenmeister, tröstet ihn, führet ihn ausser dem Thor, und muß sich da ins Teuffels Namen tauffen lassen, wird endlich justificiret.


II. Zum andern, daß allhier gedacht wird, wie daß dem D. Fausto bey nächtlicher Weile zum öfftern Liechter, Schatten-Geister, die leise miteinander geredet, u.s.f. zu Gesichte kommen, gibt Anlaß und Gelegenheit zu fragen: Ob auch Gespenste seyen?

Welche Frag billig mit Ja beantwortet: (M. B. Waldschmid, Pyth. Endor. p. 481). Denn daß warhafftig Gespenste seyn, das wird bewiesen und zwar aus den Worten deß 3. Versiculs im 17. Capitel deß Büchlein der Weisheit, daß die Egyptier durch Gespenste seyn erschröcket worden, und seyn ihnen scheußliche Larven erschienen, darvor sie sich entsetzet haben: Vers. 15. aber, und seyn durch grausame Gespenst umgetrieben worden. Ingleichen stehet im Buch Tobiæ im 6. v. 8. daß der Engel zum jungen Tobia gesprochen: Wenn er ein Stücklein[80] von dem Hertzen deß Fisches, den er gefangen, neme und es auf glüende Kolen lege, so vertreib solcher Rauch allerley Gespenst von Mann und Frauen. Wenn nun keine Gespenste wären, so hätte er nicht vonnöthen gehabt dieses zu sagen.

Und obwol diese beyde Bücher keine Canonische Bücher der H. Schrifft deß alten Testaments seynd, so finden wir doch auch Beweiß hiervon in den Canonischen Büchern selbsten. Im fünfften Buch Mosis im 18. v. 11. verbeut GOTT der HErr den Israeliten, daß sie keine Todten fragen sollen, und wer es thue, sey für ihm ein Greuel. Durch diese Todte aber werden anders nichts als die Gespenste der Todten verstanden, bey welchen Heiden dazumal in zweiffelhafften Sachen Raht gefragt: Wenn nun keine Gespenste wären, wie hätte man sie fragen können? und was hätte es GOTT verbieten dörffen? Matthæi 14. v. 26. und Marci 6. v. 49. lesen wir, daß, als die Jünger den HErrn Christum bey der Nacht auf dem Was[25]ser gehen gesehen, seyn sie erschrocken, und haben gesprochen, es sey ein Gespenst, und haben für Furcht geschryen. Und da der HErr CHristus bey verschlossener Thür zu ihnen kommen, seynd sie auch sehr erschrocken, und haben gemeinet, sie sehen einen Geist, Lucæ 24. v. 37. Was hätten sie nun aber das dörffen meinen, sie sehen einen Geist oder Gespenst, wenn keine Gespenste wären.

Uber das bekräfftigen auch dieses die Exempel heiliger Schrifft, als da ist das Exempel deß Gespensts, welches in der Gestalt deß Propheten Samuels dem König Saul ist erschienen, wie zu lesen im 1. Buch Samuels 28. v. 8. Von guten Gespensten, also zu nennen, oder Gesichten haben wir auch Exempel in heiliger Schrifft, als da im 2. Buch der Könige im 7. v. 6. gelesen wird, daß als die Syrer Samariam belägert, hat der HErr deß Nachts hören lassen ein Geschrey von Wagen, Rossen und grosser Heeres-Krafft, und hab sie damit in die Flucht geschlagen.

Als Heliodorus den Tempel zu Jerusalem berauben wollte, erschiene ihm ein wolgeschmücktes Pferd, auf welchem ein erschrecklicher Reuter mit einem gantz güldenen Harnisch saß, der ritte mit aller Macht auf ihn zu, und stieß ihn mit den fördern zweyen Füssen zu boden. Sie sahen auch zween junge Gesellen, die starck, schön und wol bekleidet waren, welche zu beyden Seiten auf Heliodorum zugeschlagen, 2. Maccab. 3. v. 25. 26.

In der Schlacht, die Judas Maccabæus mit den Juden gehalten, seynd den Feinden vom Himmel erschienen fünff herrliche Männer auf Pferden, mit güldenen Zäumen, so für den Juden hergezogen, und zween die neben dem Juda gehalten, und ihn mit ihren Wehren geschützet, daß sie niemand überwinden können, 2. Maccab. 10. v. 29. Welches ohne Zweiffel gute Engel und Geister gewesen.

[81] 2. Wird auch dieses bewiesen aus vielerley Historien. Die Kirchen Historien betreffend, so schreibet Sozomenus von dem abtrünnigen Käiser Juliano, daß, als er in eine Götzenhöle hineingegangen, und darinnen das Oraculum rahtfragen wollen, seyn ihm unversehens grausame Gespenste erschienen, die ihn zum höchsten erschröcket. Er schreibet auch, daß in der Nacht zuvor, da die Leut zu Antiochia deß Käisers und der Käiserin aufgerichtete Bildniß herunter gestürtzet, sey ein Gespenst in Gestalt eines Weibs, von unsäglicher Grösse [26] und abscheulicher Gestalt, durch die Gassen gefahren, und hab mit einer Geissel ein erschröcklich Geknall gemacht. Er schreibet ebenmässig von Apelle, einem Schmid, daß, als er vor der Aesse gestanden und gearbeitet, sey ihm bey der Nacht ein Gespenst in Gestalt eines schönen Weibs erschienen, und hab ihn zur Unzucht angereitzet, er hab aber das glüend Eisen, das er im Feuer gehabt, heraus genommen, und dasselbe unversehens dem Gespenst in das Gesicht gestossen, und es verbrennet, darüber es mit grossen Geheul und Brummen verschwunden.

Die weltlichen Historien belangend, so wird unter andern, nach Anzeigung Suetonii, von Julio Cæsare gelesen, als er mit seinem Kriegsheer aus Gallien an den Fluß Rubiconem gezogen, seye er gewahr worden eines Gespensts in Gestalt eines grossen Manns, so am Wasser gesessen, und auf einer Pfeiffen gepfiffen; welches er für ein gutes Omen und Zeichen gehalten, und daraus abgenommen, an den Ort würde es gut seyn über das Wasser zu setzen, habs auch gewaget und gesagt: Eatur quo Deorum Ostenta, und iniquitas hostium vocat, jacta est alea; last uns gehen, wohin uns der Götter Wunder-Gesicht und der Feinde Unbillichkeit nöthiget, es will gewaget seyn.

Da Marcus Brutus sein Heer aus Asia führen wolte, erschien ihm deß Nachts ein erschröcklich Gespenst, das zu ihm in sein Gemach gieng, und stillschweigend sich neben ihm stellete, und da er es fragte: Quisnam Deorum aut Dæmonum es? Wer bist du? bist du einer aus den Göttern oder Geistern und Teuffeln? da antwortete es: Tuus sum Brute malus Genius, in Philippis me videbis, das ist: Brute, ich bin dein Geist, zu Philippis wirst du mich sehen. Hierauf sagte Brutus unerschrocken zu ihm: Sine metu te iterum videbo; Ja ich will dich ohne Furcht und Entsetzen wieder sehen: Welches auch hernach geschehen. Plutarch. in vita Bruti.

Der Philosophus Athenodorus kauffte zu Athen ein stattlich Haus, in welchen ein Gespenst umgieng, in Gestalt eines alten Manns, mit einem magern Gesicht, langen Bart, scheußlichen Haaren, mit Fuseisen an den Schenckeln, und einer Ketten an den Händen. Da er nun die erste Nacht im Haus war, ließ er ihm gegen Abend eine Schreibtafel,[82] Griffel und Liecht bringen, saß, und meditirte und schriebe etwas, bald hörte er von weiten eiserne Ketten klingen, name sich aber nichts [27] an, hub seine Augen nicht auf, sondern schrieb immer fort: Bald kam das Gethön ins Gemach hinein, er wendete sich herum, und sahe es da stehen, welches ihm mit einem Finger winckete, er aber winckete ihm wieder mit der Hand, es solte ein wenig warten, und schrieb wieder fort. Das Gespenst kam ihm näher, klingelte ihm mit den Ketten vor dem Kopff, und winckete ihm wie zuvor, da stund er auf und gieng mit ihm; es führete ihn aber unten an ein Ort deß Hauses, und verschwand alda: Er zeichnete den Ort, ließ Morgends nachgraben, und fand man alda etliche Todtengebeine mit Ketten gebunden, die nam man heraus und begrub sie an dem Ort, da man andere hin zu begraben pflegte, darauf erschien das Gespenst nicht mehr.

Wir wollen auch auf diesen unsern Schauplatz führen (schreibt Herr G. P. Harsdörf. im 2. Theil deß grossen Schauplatzes Jämmerl. Mordgeschichte, Hist. ult.) ein Gespenst, welches einem Frantzösischen Edelmann Robert genannt, in Welschland bey Nacht als er irre geritten, erschienen, und ihn in ein Wirtshaus gewiesen, in welchem der Wirt und Gäste Mördern und Strassenräubern gleich gesehen, desswegen sich Robert zum Feuer gesetzet, seinen Degen in Acht genommen, seine Pistol fertig gehalten, und in einem Buch gelesen.

Zu Mitternacht kommt das Gespenst wieder, und weiset ihm, er solte folgen, welches er auch gethan, und in einen Garten zu einen Brunnen geführet worden, allda das Gespenst verschwunden; er will nicht wieder zuruck in das Haus kehren, sondern erwartet mit grossen Verlangen deß Tages, mit welches Morgenröte er wiederum verreiset, und der Obrigkeit deß Orts darbey angezeigt was ihm begegnet: Da denn so bald nachgeforschet, und ein Kauffmann, der neulich ermordet, in dem Brunnen gefunden worden: Deßwegen etliche von den Thätern ergriffen, ihre gebührende Straffe ausstehen müssen.

Zween Tage hernach erscheinet dieses Gespenst Robert wiederum, und verspricht, ihn drey Tage vor seinem Todt zu warnen, weil er gethan was recht gewesen: verschwindet darauf, und lässet ihn in düstern Gedancken nachsinnen, ob es ein guter oder böser Geist; massen er sich bestürtzt, und ohne Trost, welchen sonsten die guten Geister hinder sich lassen, wie auch ohne Furcht, so die bösen Geister in die Gemüter drucken, befunden.

[28] Nachdem er wiederum in Franckreich gekehret, sich verheuratet und in allem Wolergehen lebte, kommet das Gespenst wiederum, und sagt ihm, er solte sein Haus beschicken, und sich zum Todt bereiten, in dreyen Tagen werde er diese Welt verlassen müssen.

[83] Robert lässet diese Erinnerung nicht ausser der Acht, und schicket sich zum letzten Abschied, wiewol er nach und nach zweiffelte an der Erfolgung, weilen die drey Tage verflossen, und er sich bey guter Gesundheit und aller Sicherheit befande. Die Nacht zu Ende der drey bestimmten Tage fängt der Hund, welchen Robert in seiner Kammer schlaffen lassen, an zu bellen: er springt aus dem Bette, ergreifft den Degen, eröffnet die Kammer, und will das Gesind aufwecken, indem wird er auf der Stiegen durch und durch gestochen, daß ihm der Degen in dem Leib stecken verbleibt, und der Thäter über seinen halbtodten Leichnam darvon springt.

Wer dieser Meuchelmörder gewesen, kunte niemand wissen, allein wurde der Degen erkandt, daß er Sarmont, einem seiner besten Freunde zuständig, der sich damals in Holland aufgehalten. Robert verzeihet seinem Mörder von Hertzen, und befiehlt man soll deßwegen keine Nachfrage halten, verstirbt also folgenden Tages sehr Christlich.

Sarmont, deß Verstorbenen Freund, hatte um Nerinam vor Robert gebuhlet, und war in dem Hause vor seinem Verreisen in Niederland wol bekandt gewesen: Daher name Falsia, die Magd im Hause, Ursach auszugeben, Sarmont hätte ihren Herrn, den Robert umgebracht, und hielte sich heimlich in der Gegend auf, wie der Degen beglaubt, oder hätte ihn verrätherischer Weise ermorden lassen durch einen andern, Nerinam die hinterlassene Wittib zu freyen.

Diese Verleumbdung wurde hernach offenbar, als Falsia sich auf schweren Fuß befand, und in Kinds- und Todtes-Nöthen bekennete, Morin Sarmonts Diener, welchen er Wehrhafft gemacht, und mit seinen Degen beschencket, wäre Vatter zu ihren Kind, und Roberts Mörder: allermassen auch besagter Morin solche Wahrheit durch seine Flucht bestätiget.

Zu Stockholm hat sichs begeben, daß ein Metzger daselbst sich in seine schöne Dienstmagd verliebet, welche aber in seinen sündlichen Willen nicht willigen wollen, es sterbe denn sein Weib, und daß er sie eheliche. Weil nun die Alte nicht [29] fahren wolte, und ihm das Warten zu lang werden, hat er auf Mittel gedacht, ihr der Marter abzuhelffen, und zu dem Ende einen Sarg machen lassen, weil damals die Pest regierte, und hat ihr im Schlaf mit seinem Schlachtbeil das Haupt zerspaltet, und sie in den Sarg geleget, mit Vorgeben, sie wäre an der Pest gestorben.

Nach ihrer Begräbniß hat er ihm die Magd trauen lassen, und ist solcher Mord niemand als ihm, dem Thäter bewust gewesen. Darauf hat ein erschröcklich Gespenst ihm im Haus grosse Unruhe gemacht, ihn auch endlich dahin bracht, daß er aus dem Haus wegziehen,[84] dasselbe leer stehen, und sich in ein anders begeben müssen, in welchen er zwar für dem Gespenst, aber nicht in seinen Gewissen Ruhe gehabt.

Es hat sich aber begeben, daß als ein Reichstag zu Stockholm ausgeschrieben worden, und eine Adeliche Wittib dahin verreiset, ihrer Rechts-Sache halben, sie aber wegen grosser Menge des Volcks keine Herberg bekommen können, ist sie, ob man ihr schon die Beschaffenheit deß Hauses wegen deß Gespenstes angedeutet, dennoch in demselben eingekehret, mit Vorwenden, daß sie sich nicht scheuete, sondern ihrem GOtt trauete. Zu Mitternacht ist das Gespenst mit grossen Gepolter in die Stuben kommen: Worüber die Wittib zu GOtt gebetet, und ihr Angesicht zur Wand zu gewendet, bis das Gespenst verschwunden, welches sie ein wenig ruckwärts erblicket, und in eines Weibes Gestalt mit zerspaltenem Haupt gesehen. Dieweil ihr nun kein Leid widerfahren, ist sie die folgende Nacht, als das Gespenst wieder erschienen, behertzter gewesen, und hat nach ihrem Gebet es also angeredet: Alle gute Geister loben GOtt den HErrn. Worauf das Gepenst in der vorigen Gestalt ihr geantwortet: Ich bin ein guter Geist, und lobe GOtt den HErrn. Als nun die Wittib hierauf gefragt, warum denn dieser Geist sich in dem wüsten Haus aufhalte? hat nach der Erzehlung der begangenen Mordthat der Geist ihr zuverstehen gegegeben, der Leib könne nicht ruhen, bis ihr Mann von der Obrigkeit zu verdienter Straff gezogen würde.

Hierauf soll nun die Wittib ihren Wappenring von dem Finger abgezogen, und denselben zwischen die zwey Theil deß Haupts geworffen, und sie also den zerspaltenen Schädel mit ihrem Haartuch wieder zusammen gebunden haben. Darauf das Gespenst verschwunden. So bald der Tag angebrochen, hat die Wittib der Obrigkeit alles angedeutet: und weil [30] man ihr nicht glauben wollen ist das Grab eröffnet, das Haartuch, in welchem der Name genehet, samt dem Ring wieder gefunden, und der Mörder zur gebürlichen Straff gezogen worden. Idem lib. cit. part. 3. Hist. 75.

Dieses alles nun beweiset genugsam, daß wahrhafftig Gespenste seyn: und obwoln nicht ohne ist, daß offtmals Menschen-Betrug mit unterlaufft, da ein und anderer durch ein zugerichtes Gespenst den andern geäffet und geschröcket, massen folgende Exempel, unter vielen, beglauben mögen, jedoch aber so folget nicht, daß darum wahrhafftig keine Gespenste seyn solten, oder daß es nur lauter Betrug damit seye.

Balæus schreibt vom Papst Bonifacio dem VIII. er habe durch ein Rohr dem Papst Cœlestino in seine Schlaffkammer schreyen lassen, als wenn es ein Engel thäte: Cœlestine cede, si salvus esse cupis, d.i. Cœlestine[85] weiche vom Päpstlichen Stul, und laß ihn fahren, wenn du selig werden wilt: Durch welches betrügliche Gespenst der einfältige Mann sich dahin hat bewegen las sen, daß er zur Stund resigniret hat.

Erasmus Roderodamus in Epist. gedencket eines Meßpfaffen, der lebendige Krebs genommen, ihnen brennende Lichtlein angebunden, sie auf dem Kirchhof herum kriechen lassen, und hab das Volck offentlich beredet, es seyn Seelen der Verstorbenen, so Meß und Allmosen begehrten, damit sie aus dem Fegfeuer möchten erlöset werden; der Betrug sey aber offenbar worden, daß man etliche Krebs mit Licht-Stümpfflein auf dem Kirchhof des Tags gefunden, die er nicht aufgelesen hatte.

Lavaterus p. 1. de Spectris, c. 9. gedencket eines Jesuiten zu Augspurg, der eine Evangelische Beckers Magd zum Abfall bewegen wollen, und hab ihr deßwegen als ein Gespenst zugesetzet und sie sehr erschröckt und geplagt, mit Vermelden, wenn sie von der Lutherischen Ketzerey nicht würde ablassen, so würde folgende Nacht der Teuffel selbst kommen, und sie holen; es habs aber die Magd dem Knecht geklagt, und gebeten ihr beyzustehen. Was geschicht? folgende Nacht verstecket sich der Knecht in der Magd Kammer, der Geist aber kommt, fängt ein mächtiges Gepolter an, allein der Knecht wischt mit seinem Gewehr herfür, dieses der Jesuiter ersehende, gehet auf ihn mit aufgereckten Händen, ihm also mit seinem Teuffels-Habit einen Schrecken einzujagen; aber der Knecht nicht faul, stieß ihm das Gewehr in den Leib, daß der Geist niederfiel und [31] starr todt war. Der Knecht wecket behend jederman im Haus auf, mit Vermeldung, wie er den Geist erstochen habe; als man aber recht zusahe, sihe, da war es der Jesuiter gewesen.

Fast dergleichen erzehlet Chytræus, 1. de Mort. et vit. æter. p. 2. p. 56 von einem Pfaffen, Herrn Hansen, welcher zu einem reichen Weib, so ihm verwand gewesen, bey der Nacht, in Gestalt eines Gespensts, in ihr Schlaffkammer kommen, und sie übel geängstiget. Sie hat aber einen bekandten Freund zu sich in die Kammer versteckt, welcher einen guten Prügel zu sich genommen, ihm einen guten Rausch getruncken, damit er ein Hertz haben möchte. Da nun das Gespenst herbey kommen, gebrüllet und sich ungebärdig gestellet, sey er mit seinem Prügel herfür gewischt, hab zum Gespenst gesprochen: Bist du der Teuffel, so bin ich seine Mutter, und hab tapffer auf ihn zugeschlagen, hätte ihn auch noch härter getroffen, wenn nicht der Pfaff geruffen hätte: Parce, non sum Anima, sed Dominus Johannes, schone, ich bin keine Seel oder Geist, sondern Herr Hanns.

Ein solch Gespenst ist auch gewesen im Closter Salmonsweil, nahe bey Uberlingen, da ein Mönch sich gestellet, als ob er der Teuffel wäre,[86] und die Gäste tribuliret, den aber ein Graf von Montfort, so daselbst eingekeret, mit dem Degen erstochen hat, wie Crusius Part. 2. Annal. Suev. l. 9. c. 19 schreibet: und daselbst ein anders Exempel erzehlet von einem Schreiber der zu Beichlingen sich zum Gespenst gemacht, und zu Nacht seines Herrn, deß von Werther, Mägde Brüste mit seinen kalten Händen angerühret hat; aber endlich von einem Edelmann über die Stiegen hinunter geworffen, und deß andern Tags, wegen seines durch den Fall übel zugerichteten Angesichts und Stirn, jedermans Gespött, und von seinem Herrn abgeschafft worden ist.

Die Historien, die sich nur vor etlicher Zeit begeben, mit dem Pfaffen zu Clavenna; mit dem Gespenst zu Orleans; mit den Mönchen zu Bern, die Anno 1509 den 31 May, weil sie durch zauberische Teuffels-Kunst, Gespenste gemachet, offentlich verbrennet worden, stehen am hellen Tag.[87]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 78-88.
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