Vorrede

an den günstigen Leser.

Mir zweiffelt gar nicht, freundlicher lieber Leser, es werden sich deren nicht wenige finden lassen, die dieses Buch, von D. Fausti gottlosen ärgerlichen Leben und Wandel, welches doch mit grossem Fleiß, Mühe und Arbeit, als dem rechten Original gemäß, ist zuwegen gebracht worden, ihrem frühzeitigen judicio und verkehrtem Verstand nach, straffen, und auf andere Meinung ziehen und deuten werden, nach jetzigem Welt-Brauch, indeme sie vielleicht vorgeben und sagen mögen, man hätte solche Histori, von wegen der Jugend, die hieraus etwan Böses ziehen und sich ärgern möchte, wol unterlassen können.

Nun ists nicht ohne, daß man, dem Sprüchwort nach, den Teuffel nicht über die Thüre mahlen, oder ihm sonsten Ursach geben soll; denn er für sich selbst gerne bey und um uns zu wohnen, und uns in alle Sünde, Schand und Laster einzuführen, begehret, also, daß wir vielmehr vor dem Teuffel und allen so ihm anhängig und zu gehörig, fliehen sollen, sonderlich so wir uns, wie es doch stündlich geschehen soll, erinnern wollen, wie wir in der H. Tauffe dem Teuffel, all seinem Anhang und Wercken, durch die Wiedergeburt deß Heiligen Geistes, renunciiret und abgesagt haben: Welches denn D. Faustus gantz und gar in Vergessenheit gestellet, und fahren hat lassen.

Derohalben ich dieser Meinung nicht bin, daß ich hiedurch und hiemit eine Anreitzung zur Schwartzenkunst geben wolle, vielmehr aber das Wiederspiel dar zu legen begehre; damit männiglich möge treulich gewarnet und ermahnet werden,[3] sich für dergleichen Nachstellungen und Stricken deß Teuffels um so viel besser vorzusehen, und zu hüten.

Denn kan er die Gottsfürchtigen, auf Gottes Zulassung, hindergehen und bezaubern, massen die Exempel ins künfftige weisen werden, wie vielmehr wird er sich unterstehen, sich an die Unglaubige und Wankelmütige zu machen, dieselbe zu verführen, weiln er doch Tag und Nacht, deß Apostels Petri Worten nach, seiner 1. Epist. im 5. herum gehet, wie ein brüllender Löw, zu suchen, welchen er möge verschlingen: mit welchen Worten denn eben der Apostel, sonderlich mit seinem beygefügten, Seyd nüchtern und wachet, nicht allein die Unglaubigen, sondern auch andere glaubige Christen-Hertzen treulich will erinnert und vätterlich ermahnet haben, sich ja fleissig und augenblicklich vorzusehen, damit sie der schlaue und zugleich unverdrossene Geist nicht zu Fall bringen, und in seine Stricke, ja in das ewige Verderben führen, und stürtzen möge.

Unter vielen Listen und Tücken aber; mit welchen der verdamte Geist dem Menschen nachstellet, ist die Zauberey, und so genante Hexerey, nicht der geringsten eine. Denn der Teuffel, welcher sich auch in einen Engel deß Liechts gar meisterlich verstellen kan, locket durch solche die Leute zu sich, verspricht ihnen, so sie sich ihme mit Leib und Seele ergeben wollen, Kunst, Geschicklichkeit, Ehre und Ansehen, Reichtum und allerley zeitliche Freude, Wollust und Kurtzweil, zu verschaffen: welches er ihnen auch bisweilen leistet, aber letzlich müssen sie es theuer genug bezahlen, in dem er sie, nach einer offt nicht gar langen Geniessung solcher Wollüsten, in die ewigwährende Höllen-pein versetzet.

Daß aber Zauberey seye, ist nicht nur aus der Heyden, bey welchen sie vorzeiten gar gemeine gewesen, (als, da Protheus, deß Iapeti Sohn, sich durch Zauberey in alle Gestalten verwandeln können: Gyges der Zauberer, hat sich können unsichtbar machen: Cynops ein Zauberer, hat dem Evangelisten Johanni in der Insul Pathmo widerstanden: item Moses Cretensis, die Circe, die Medea, und viel andere) hinterlassenen Schrifften, sondern auch aus der H. Schrift, welche der H. Geist selbst hat aufzeichnen lassen, bekandt und offenbar.[4] Denn es wird daselbst gedacht der Warsager, die Pharao hat lassen beruffen, ihm seine Träume auszudeuten, Genes. 14. v. 8. der Zauberer in Egypten, die dem Mosi seine Wunder durch ihre Beschwerungen haben nachgethan, Exod. 7. 11. 22. Ferner wird gedacht deß Bileams, Numer. 22. v. 5. der Zauberin zu Endor, 1. Sam. 28. v. 7. der König Manasse ist auch ein Hexenmann gewesen, der gezaubert hat, 2. Chron. 33. Es hat ingleichen Zauberer gegeben zu deß Propheten Daniels Zeiten, seines Buchs im 2. v. 2.

Im Neuen Testament wird Actor. 8. 9. gedacht Simons, deß Zauberers zu Samaria, der selbst Zauberey getrieben: wie auch deß Zauberers Barjehu, welcher auch Elimas geheissen wird, Actor. 13. v. 6. einer Magd zu Philippis, die einen Wahrsager-Geist gehabt, Actor. 16. v. 16. der sieben Söhne deß Juden Scevae, deß Hohenpriesters, Actor. 19 v. 14.

Und wäre nochmaln zu wünschen, daß solche vermaledeyte Kunst nur bey den aberglaubigen Unglaubigen verblieben wäre, nimmermehr aber auf die Christen, pfui der Schande! transferiret und gebracht worden: immassen denn solches leider! nicht nur vorige von unsern Vättern hingelegte, sondern auch unsere Zeiten beglaubet, und mit Entsetzen erfahren müssen, viel, ach! sehr viel der verführten verstockten Leute, Zauberer, Hexen und Unholden, welche man ihrem Verdienst nach, meistentheils lebendig, verbrennet.

Auch unter den H. Päpsten haben sich etliche die ser Kunst, wenn es anderst eine mit Recht zu tituliren, angesehen und bekandt gemacht; als Sylvester der ander, Benedictus der IX, Johannes der XIII, der XIX, der XX, der XXI, Gregorius der VII, und XI, Clemens der II, Damasus der II, Leo der IX, Paulus der II, Alexander der VI.

Ingleichen schreibet man von dem Bischoff Heinrich von Basel, Johanno Teutonice, von dem Abbt zu Fulda, Orlolffo, Apollonio Thyanæo, Johanne Trithemio, Cornelio Agrippa, Doct. Johanne Fausto, seinem Famulo, Christoph Wagner, Anton. Moro, Petro Apon. Joh. de Luna, Scoto, und andern; welche allesamt hierinnen excelliret, und den Meister gespielet haben.

Gleichwie nun nicht allein wenn in Heiliger Göttlicher Schrifft, sondern auch anderen Historischen Schrifften, mancher[5] Gottloser, Verruchter, in abscheulichen Sünden und Lastern lebender Leute gedacht, und deren ärgerliches Leben und Wandel beschrieben, und gleichsam mit lebendigen Farben abgemahlet wird, nicht eben zu dem Ende beschehen, oder etwan noch heutiges Tages beschihet, daß wir uns daran ärgern, böse Exempel nehmen, oder viel weniger ihnen nachfolgen sollen, ach nein, nimmermehr; viel lieber daß wir uns daran spiegeln, und dadurch von dergleichen Ubelthaten abgehalten, abgeschrecket werden mögen: als haben auch, und zwar eben zu dem Ende, unsere liebe Vorfahren, unter andern die Histori deß berühmten Schwartzkünstlers, D. Johannis Fausti, beschrieben, der Nachwelt hinterlassen.

Und obwohl besagter D. Fausti abentheuerlicher Lebenswandel, und dessen hernachmals erfolgtes erschreckliches Ende, vor diesem mehr als einmal zum öffentlichen Druck kommen, und gelanget; so ist doch gleichwol auch dieses wahr, daß in denselbigen Exemplarien viel unwahres mit eingemischet, viel auch unterlassen worden seye: in dieser Edition aber, als welche dem rechten Original, so Christoph Wagner, der Famulus D. Fausti guten und special Freunden, namentlich, Thomas Wolhaldt, Thomas Hanner, Christoph Haillinger, Caspar Moir, Friderich Bronauer, Gabriel Renner, Johann Victor, auf D. Fausti Befehl, kurtz nach seinem Tod, zu handen geliefert, und in einer alten Bibliothec nachmals aufbehalten worden, allerdings gemässe ist, deren keines anzutreffen.

Uber das ist auch diese Edition mit vielen Christlichen Erinnerungen, welche obbesagter Author vor Jahren darzu gethan, stattlich, und hoffentlich erbaulich versehen: anjetzo aber fast durch und durchvermehret, verbessert, und mit vielen merckwürdigen Begebenheiten und Exempeln, nachdencklichen Fragen und deren kurtzer Erörterung, aus berühmter Leute, die von dergleichen Materie geschrieben, hinterlassenen Schrifften, ausgezieret: daß also verhoffentlich nichts desideriret werden mag, was so wol zur Gemüts-Ergötzung dem günstigen Leser, bey habender Zeit und Gelegenheit dienen, als solchem zugleich einige Warnung und Unterricht abgeben könne.

Der grundgütige GOtt und Vatter im Himmel, der seinen lieben Sohn JEsum Christum darum in diese Welt gesandt[6] hat, daß Er deß Teuffels Wercke zerstöre, der wolle uns insgesamt, und einen jeden insonderheit, für allen Listen und Tücken deß Teuffels, oder wie der Apostel redet, für den feurigen Pfeilen deß Böswichts, behüten, und seine liebe Frongeisterlein, die Heiligen Engel, uns zu ordnen, die uns bewahren in unserm Thun und Leben, auf daß ja der böse Feind keine Macht an uns finden, und haben möge, um seines hochgepriesenen Namens willen, Amen!

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 3-7.
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