103. Agathokles an Phocion.

[51] Nikomedien, im Mai 305.


Nun ist der wichtige Schritt geschehen. Gestern Morgens hat Diocletian auf eine sehr feierliche Art der Regierung entsagt, und den Purpur an Galerius übergeben, und diese Nacht ist Constantin von hier fort. Eher war es nicht möglich, ohne auffallend Verdacht zu erregen, und morgen möchte es vielleicht nicht mehr möglich seyn, weil Galerius bereits Schritte gethan hat, um sich seiner Person zu versichern. Um die Rechtmäßigkeit selbst, um den Vorwand zu dieser empörenden Greuelthat kümmert sich ein Augustus, wie der, nicht, und die Geschichte liefert genug Beispiele solcher Thaten, wenn Beispiele ein Verbrechen entschuldigen können. Die Anstalten zu Constantins Entweichung sind zweckmäßig getroffen, und ich[51] erwarte mit Ungeduld einen Boten aus Chalcedon, der mir die Nachricht bringen soll, daß er das Schiff bestiegen hat. Von Byzanz aus ist sodann Alles geheim bereitet. Nichts wird seine Reise aufhalten, er kann ungehindert bis nach Lutetien1, oder nach Eboracum gelangen, wo immer er seinen Vater zu treffen hofft, und dieser wird als Augustus den Sohn zum Cäsar ernennen. So ist dann die nothwendige erste Stufe erstiegen, und das Künftige wird Klugheit und Glück sichern.


Am andern Tage.


Der Bote von Chalcedon ist noch nicht zurück. Dreißig tödtlich lange Stunden sind vorüber, er könnte längst da seyn. Meine Brust ist voll banger Unruhe, und trübe Ahnungen sinken, wie Mitternächte, über meinen Geist herab. Was ist geschehen? Was haben wir zu fürchten? Ich sende den Brief nicht ab, bis ich dir etwas Bestimmtes sagen kann. Gott gebe, daß es nichts Schlimmes ist.

Fußnoten

1 Lutetiä, das heutige Paris.


Quelle:
Caroline Pichler: Agathokles. Erstes bis Sechstes Bändchen, Schriften, Band 36, Stuttgart 1828, S. 51-52.
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