84. Agathokles an Constantin.

[66] Synthium, im Aug. 303


Nicht an den Fürsten – der Genügsame bedarf dessen nicht – nicht an den Retter meines Lebens, das dem Sohne des Abendländischen Cäsars, wie dem unberühmten Sohne des Hegesipps nie Zweck, nur Mittel zu höheren Zwecken seyn kann – aber an den geliebten, ewig theuern Freund, der mich im Unwillen verlassen, und nun seit Monden mich vergessen zu haben scheint, wendet sich mein Herz noch einmal. Gegen keinen andern Sterblichen würde ich diesen Schritt thun. Bei dir bin ich sicher, daß du, wenn auch deine Liebe gestorben ist, doch Achtung für mich bewahrst, und mich nicht verkennst.

Ich kann nichts von dem bereuen, was ich gethan habe, ich würde es noch einmal thun, wenn die Gelegenheit wieder einträte: aber ich fühle, daß mein Leben selbst in Theophaniens Armen ohne dich nicht vollendet ist. Das schöne Urbild vollkommenen Seeleneinklangs, das mir in den Gefilden von Carrhä erhaben und stolz vor die[66] Seele trat, ist entflohen, wie die meisten seiner Brüder. Ein verklärtes himmlisches Gebild, ist es zum Himmel zurückgekehrt, aus dem es stammte, nachdem es meine Brust eine Weile entflammt, und manchen nicht unwürdigen Keim entwickelt hatte. So mußte es seyn, und in der Verkettung der Dinge war auch diese Läuterung nothwendig. Aber die Liebe ist zurückgeblieben, rein und warm, wie sie in meinem Herzen entsprang, als ich dich das erstemal sah. Ich schäme mich nicht, es dir zu gestehen, ich schäme mich nicht, als der erste die Hand zur Versöhnung zu bieten. Das, was bei gewöhnlichen Freundschaften das Zartgefühl von diesem Schritte abhalten könnte, deine und meine bürgerlichen Verhältnisse, kann bei uns nicht in Anschlag kommen. Für mich bist du nur Constantin, nur der, in dessen Brust ich die himmlische Flamme hell auflodern sah, an der auch mein Leben sich gern verzehrt.

Ich lebe in Synthium. Wo du dich jetzt befindest, weiß ich nicht bestimmt. Ich sende diesen Brief nach Nikomedien in den kaiserlichen Palast. In acht Tagen, wo immer du dich auf einer der deinigen, oder der kaiserlichen Villa aufhältst, kann ich Nachricht haben. Kömmt mir keine, so werde ich mich bescheiden, und mit der Kraft, mit der ich schon so Manches in diesem Leben ertrug, auch dies ertragen lernen; dich aber soll kein Wort, weder bittend noch vorwerfend, an alte Bande erinnern, die in demselben Augenblicke gegenseitig abgeworfen werden müssen, wo sie den Einen Theil zu drücken anfangen. Leb' wohl.

Quelle:
Caroline Pichler: Agathokles. Erstes bis Sechstes Bändchen, Schriften, Band 35, Stuttgart 1828, S. 66-67.
Lizenz:
Kategorien: