35.

[66] Sollen namenlos uns länger

Tag' um Tage so verstreichen?

Kommt, verliebte Müßiggänger,

Trinker, kommt, die Stunden schleichen:

Sammelt rings euch um den Sänger,

Daß er sei bei seinesgleichen!


Was Vernünft'ge hoch verehren,

Taugte Jedem, der's verstünde;

Doch zu schwer sind ihre Lehren,

Zu verborgen ihre Gründe:

Sie, die von der Tugend zehren,

Ließen übrig uns die Sünde.


Was wir fühlen, was wir denken,

Halten drum wir im Geheimen,

Denn wer möcht ein Korn versenken,

Wenn's noch nicht vermag zu keimen?

Laßt indes uns in den Schenken

Liebliche Gedichte reimen!


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 66.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1834)
Gedichte
Gedichte. Auswahl.
Wer wusste je das Leben?: Ausgewählte Gedichte
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Gedichte: Ausgabe 1834