Auf Herrn Barthol Schmiedes Christliches absterben

[117] Stropha. 1.


O göldne leyre/ süsses spiel/

Welchs mir Apollo dieses leben

Zwar zu versüssen hat gegeben.

Dieweil es/ leider allzuviel

Mit bitterkeiten/ ohne ziel/

Pflegt auf sein letztes ziel zuschreiten.

O göldnes spiel/ wo deiner säiten

Ergötzlichkeit ein mattes hertz'

Erquicken kan/ wo todes-schmertz

Vnd dieses lebens bitterkeiten

In deines klanges süssigkeiten

Erreichen jhren zweck vnd ziel/

So bist du wol ein süsses spiel.


Antistr. 1.


Ist aber dir dein wiederschall

Vnd fröligkeit nu gantz beraubet/

So ist mir ja mit dir erlaubet

Den vnverhoften todes-fall

Mit hohler stimm' vnd schwachem hall'

In tiefem thone zubeklagen/

Weil schon die Musen leide tragen/

Weil Phoebus seine lorbeer-kron'

Hat abgeleget vnd darvon

Die blätter auf den sarg gestrewet/

Dem der jhm ehr' vnd gonst erzeiget.

Wie solt' ich denn nicht trawrig seyn/

Vnd mit den Musen stimmen ein?


[117] Epod. 1.


Der mensch allhier/ vnd alle seine güte

Ist nur ein gras/ ein glas/ ein rauch/ ein dampff/

Ein wasserschaum/ ein traum/ ein todes-kampff

Ein wasserfall/ ein schall vnd rosen-blüthe:

Den/ vngeacht/ sein fromm vnd trew gemüthe/

Der tod verstöret.


Stropha. 2.


O hertzen-brecher/ grimmer tod!

Wo du vns menschen alles leben/

Daß vns/ der nimmer stirbt/ gegeben/

Wegnemen köntest/ vnd darzu

Vns rauben vnser' himmel ruh:

Wo du die frommen jhrer frewden/

Die jhnen Christus hat bescheiden/

Entsetzen köntest: vnd wo man

Durch dessen kraft/ der alles kan

Nicht solte wieder auferstehen/

Vnd in des herren frewde gehen:

So wärest du in letzter noth

Vns allzuherb'/ o grimmer tod!


Antistr. 2.


Wo aber dir/ des lebens tod

Den todes-stachel weggenommen/

Wie denn gewiss/ so wird den frommen

Ihr sterben kein verderben seyn:

Ihr tod ist nur ein todesschein/

Vnd mehr ein anfang recht zu leben/

Wornach viel frommer hertzen streben/

In welcher zahl auch einer war/

Dem seinerzeit vnd junge jar

Eh' er derselben recht genossen/

In ehr' vnd tugend hingeflossen/

Vnd dessen leib zu seiner ruh/

(Wie christlich) wir begleiten nu/


Epod. 2.


Hie lerne/ welt/ daß alle deine güte

Nur sey ein gras/ ein glas/ ein rauch/ ein dampf

Ein wasserschaum/ ein traum/ ein steter kampf

Ein wasserfall/ ein schall vnd morgenblüthe

Welch'/ vngeacht dein frech vnd stoltz gemüthe

Dertod verheeret.

Quelle:
Deutsche Literatur, Reihe Barock, Erg.-Bd., Leipzig 1939, S. 117-118.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

L'Arronge, Adolph

Hasemann's Töchter. Volksstück in 4 Akten

Hasemann's Töchter. Volksstück in 4 Akten

Als leichte Unterhaltung verhohlene Gesellschaftskritik

78 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon