Auff Hn. Michael Bachmanns vnnd Jungfraw Euphrosynen Heckers hochzeit

[48] Ein artzt nimmt mit gewalt vnd starcken wiedrigkeiten

Nicht allezeit hinweg der kranckheit schwerigkeiten.

Was er nicht feindlich kan durch starcke goldes krafft

Das greifft er freundlich an durch linden kräutersafft.[48]

So hasset vnd verjagt ein wiedrig ding das ander/

So liebet/ trägt vnd zeucht ein freundlich lieb das ander/

So wird offt gifft durch gifft; so wird offt brand durch brand;

So wird offt frost durch frost; vnd weh durch weh gewandt.

So thut der stille stern (nach dem die reiter reiten

Die das blaw-nasse feld ohne alle spur durch schneiten/

Mit einem pferdeschwantz' aus eichen holtz' erdacht/

Eh sie der Eolus auff's druckne land gebracht.)

So thut der stille stern/ er zeucht das/ was das eisen

An sich zeucht/ hertzt vnd küsst: so kan Magnet beweisen

Am eisen seine krafft: so thut der kleine gott/

Er führet listiglich mit lieb' in liebes noth.

Er bringt in liebes-tod: er bringt in liebes-leben;

Er kan durch leben tod; durch tödten 's leben geben:

Er führt durch leid in frewd': er führt durch frewd' in leid/

Durch einerley bezwang/ doch nicht auff eine zeit.

Es hat der kleine schalck gar offt damit verbunden/

Womit er wol zuvor verursacht tieffe wunden:

Er hat wol eh' aus gifft/ aus feindschafft hass vnd neid/

Ein heilsam pflästerlein rechtkunstreich zubereit.

Ist deme nun also/ daß das/ wodurch wir leiden

Verkeeret wer-den kan in vrsach' aller frewden/

Daß/ was vns hat verwundt/ auch heilet wieder zu/

Daß/ was vns hat geschmertzt/ auch wieder sachte thue/

Daß/ was vns hat erkältt/ läst wieder wärme fühlen/

Daß/ was vns hat erhitzt/ kan wieder lieblich kühlen/

Daß/ was vns hat zuvor mit schwermuth fast erdrückt/

Hinwiederumb mit lust erleichtet vnd erquickt.

So thut/ herr bräutigam nach meinem rath von stunden/

Damit geheilet werd' ewr hertze voller wunden/

Voll wunden vnd voll fewr/ durch Amors pfeil' vnd brand/

Gebraucht der artzeney/ die euch nicht vnbekant.

Thut ja nach meinem rath/ thut/ wie die hirsche pflegen

Wenn sie verwundet seyn/ daß sie den schmertzen legen

Sie suchen Dictamnum; jhr/ Euphrosynen-safft

Sie suchen/ was sie hilfft; jhr ewrer ärtztin krafft.

Hat euch der augenliecht ewr sonnen glantz verheeret;

Vnd jhrer stralen krafft den augensafft verzeeret;

Hier habt jhr artzeney: braucht ewren augentrost/[49]

Dergleichen edleskraut hat viel' aus pein erlost.

Habt jhr durch trawrigkeit verletzung am gesichte;

Des hertzens geisterlein verstöret vnd zunichte

Gemacht vnd fast verjagt/ hier habt jhr Euphrosyn

Für die melancholey bewährte medicin.

Ist euch durch bitterkeit der lieb'/ vnd durch verlangen/

Zur speise lust vnd schmack durch bangen gar vergangen?

Hier habet jhr dafür rosinen süssigkeit

Mit labsal artzeney für süsse bitterkeit.

Ist euch durch Amors fewr da 's in euch hat gefangen/

Von wegen druckenheit des hirns der ruch entgangen?

Braucht diese rose nur/ was gilt 's/ ob 's nicht gelingt/

Daß sie verlornen ruch durch wiederkühlen bringt.

Ist euch für ewr beschweer/ leid/ kummer/ angst vnd schmertzen

Für sinn/ für schmack/ für ruch/ für augen vnd für hertzen

Ein artzeney bescheert/ die kräfftig ist vnd gut/

So habt jhr keine noth/ drumb fasset nur ein muth.

Wie soltet jhr doch wol nicht aller pein vergessen/

Wenn jhr vernünfftiglich nur woltet eins ermessen/

Daß euch fraw Venus macht ein irrdisch himmelreich/

Vnd kurtze seeligkeit/ in der euch wenig gleich.

Denn da jhr euch beforcht't/ jhr müstet einsam leben

Hat euch die Venus selbst jhr eigne tochter geben

Ein' aus den Gratien/ drumb weg mit trawrigkeit/

Vnd frewet euch/ denn jhr nun Amors schwager seyd.

Ja frewt euch/ weil jr habt das was man nennt vom frewen;

Das/ was vns männer kan mit hertzen-frewd' ernewen.

Vnd jhr seyd wolbenamt/ viel-tugendreiche braut/

Weil lauter frewd ewr nam' in seiner sprache laut.

In seiner sprache laut ewr name vom erfrewen.

Drumb wollt jhr lust in lieb' vnd lieb' in lust vernewen

Vernewen alte lieb'; erfrewen 's liebe new';

Erfrewen 's junge hertz' ernewen alte trew.

Nun geb' euch beiden Gott/ der alle ding' ernewet/

Daß jhr in diesem new' euch alter liebe frewet/

Grünt/ blühet/ wachset hoch/ vnd habet lust daran/

Wenn Amor von ewr frucht mehr pflaster machen kan.

Quelle:
Deutsche Literatur, Reihe Barock, Erg.-Bd., Leipzig 1939, S. 48-50.
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