Auff hn. Christoff Vlrichs vnd fraw Elisabeth Wincklers hochzeit:

[84] 1.

Der ehstand ist der beste stand/

Und dessen band ein vestes band/

Damit man bindt auf erden/

Darumb auch in der gantzen welt/

Ein stand der Gotte mehr gefällt/

Nicht mag gefunden werden.


2.

Zwar auch der stand der geistlichkeit/

Der stand der lieben Obrigkeit

Sein billich hoch zuachten/

Weil jener vnser seelen nützt/

Vnd dieser vnser gut beschützt

Welchs billich zu betrachten.
[84]

3.

Doch/ weil der wehrstand nicht besteht/

Der lehrstand nicht von statten geht/

Wo nicht der neerstand mehret

Die (welch' in jhrer jungen zeit

Durch tugend werden vorbereitt)

Der lehr vnd wehrstandt ehret.


4.

Als wird ja billich dieser stand

Als eine quelle/ wie bekant/

Den andern vorgezogen/

Die jhr nu diesen stand veracht/

Vnd was ich sag' in grund veracht

Ey/ sprecht: es sey erlogen.


5.

Was deucht euch/ keuft wol gut vnd geld

Auch etwas in der gantzen welt/

Das dieser sey zu gleichen/

Die man mehr als sich selber liebt/

Die nur erfrewt/ vnd nicht betrübt/

Die nicht kan von vns weichen.


6.

Auf die man alle frewde bawt/

Der man seinn leib vnd gut vertrawt

Vnd der man kühnlich klaget

Was einem übels wiederfährt/

Was einem hie vnd da versehrt/

Was einn im hertzen naget.


7.

Sie tröstet uns/ sie steht vns bey/

Sie lässt vns nicht/ sie ist vns trew/

Es laufe/ wie es wolle.

Wenn vnser klagen niemand hört/

Wenn jeder uns den rücken keert/

Fragt sie doch/ was sie solle.


8.

Sie isst mit vns/ sie steht bey vns/

Sie drinckt mit vns/ sie geht mit vns/

Sie geht mit vns zu bette/

Man neyet sich/ man küsst/ man hertzt/

Man frewet sich/ man rüstt/ man schertzt

Man schläffet in die wette.


9.

Geht 's vns den wol/ sie frewet sich/

Gehts aber schlimm/ sie schewet sich/

Vnd weiss sich fein zu schicken/

Ist vns was lieb/ das läst sie nicht/

Ist vns was leid/ das thut sie nicht

Vnd hält vns offt den rücken.


10.

Herr bräutigam/ drümb preis' ich euch/

Vnd jhr fraw braut/ drumb weis' ich euch/

Daß jhr es wol getroffen/

In dem jhr beyde nun erlangt/

Wo nach euch bangend hat verlangt/

Ewr glücke steht euch offen.


11.

Vnd bringt jhr ewre jugend nu

Mit süsser frewd' vnd tugend zu/

So wartet Amors regens/

Erwartet/ als man euch erwartt/

(Dies ist der liebe wunsch vnd arth)

Erwartet Gottes segens.


12.

Den wünsch' ich euch zu dieser stund'/

In ewren stand' aus hertzen grund'

Er woll' euch benedeyen/

Daß jhr euch ewrer jugend-blum'/

Jhm nur zu lob/ vnd euch zu ruhm/

Im alter möget frewen.

Quelle:
Deutsche Literatur, Reihe Barock, Erg.-Bd., Leipzig 1939, S. 84-85.
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