Nr. 184. Namen und Entstehung des Bergdorfes Lerbach.

[180] Wie das Lerbach noch nicht gewesen ist, da ist einmal ein sehr reicher Ritter durch das herrliche Lerbacher Thal geritten, der hat nach Klausthal reiten gewollt (damals hat die Straße nach Klausthal über die rote Soole geführet). Dieser Reiter[180] ist aber sehr weit hergekommen und sein Pferd hat vor Durst nicht mehr von der Stelle gekonnt. Da band er sein Pferd auf die Wiese dicht über dem Hause, worinnen um 1850 der Vorsteher Bode wohnete, damals hat aber da ein osteröder Rinderstall gestanden. Der Reiter ging, nachdem er sein Pferd angebunden hatte, zum Berge herunter und wollte für sein Pferd unten Wasser suchen. Wie er nun herunter kam, war wegen der langen Hitze kein Fingerhut voll Wasser in dem Bache, er ging ganz hinauf im Bache bis dahin, wo jetzt Hasens Krug stehet. Wie er nun bis dahin gegangen war und noch kein Wasser gefunden hatte, da lief er wieder den Berg hinan und sprach die Worte aus: »Ei du verdammter leerer Bach!« Unter der Zeit aber hatte die Rinderhirtin sein ohnmächtiges Pferd in den Rinderstall gezogen und es da getränket. Als nun der Reiter da sein Pferd wieder froh wiehern hörete, ging er hin, holete sein Pferd wieder und beschenkte die Leute hierfür so reichlich, daß sie die Rinder zu hüten nicht mehr nötig hatten. Darauf – sagen einige – habe Heinrich der Finkler, der Städteerbauer, auch das Bergdorf Lerbach erbauet und ihm wegen des Wortes von jenem Ritter den Namen gegeben: Lerbach.

Die meisten aber erzählen so, daß die Hirtenfrau im Thale und im Walde umher Kräuter gesuchet habe. Sie habe sich auf des Ritters Pferd geschwungen, das unbewachet dagestanden, weil der Ritter Wasser gesuchet, und sei mit ihm nach dem Rinderstalle gejaget. Das Pferd, das ein Schimmel gewesen, sei nun zwar trotz des vorgeschobenen Riegels nicht im Stalle zu halten gewesen, sondern daraus auf wunderbare Weise verschwunden; aber von dem Gelde, das in dem hintenauf geschnallten Mantelsacke gewesen, sei Lerbach erbauet. In das Mühlenthal, das an das große Lerbacher Thal stößet, soll auch der Rinderhirte verwiesen sein, der an dem Raube Teil hatte.

Einige erzählen auch, der Ritter, der dem Bergdorfe Lerbach den Namen gegeben, habe zuvor sein Pferd schon am Teufelsloche bei Osterode tränken wollen und weil der Rand desselben zu steil dazu gewesen, so habe er gesaget: du Teufelsloch! und dadurch auch dem Teufelsloche den Namen gegeben.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 180-181.
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