Nr. 188. Das wilde Mädchen.

[184] (Niederdeutsch, Lerbacher Mundart.)


In Lärpich sind freuer mal paar ohle Lüe west, dei sind sau gottesförchtig ewest un hewwet eine einzige Dochter ehat, dei is sau wild ewest. Kort vor öhren Doe latet se sek von der Dochter anloben, dat se ok will gottesförchtig un nich mehr[184] sau wild sien. Aber dat Mäken hät hernacher sien Wohrt nich eholen un is immer in siene dullen Gesellschaften gahn. Da drögt et sek tau, dat öt den einen Abend an Kerkhowe mot ne Doenkopp langen. Weil düt Mäken bei siener Mutter Grabe dorchkümmt, liet da en witt Laken. Öt geit erscht hen un halt den Doenkopp, wie öt mit den Doenkoppe wedder retour kümmt, liet dat Laken da noch un öt nümmt dat Laken mee. Knappe is öt in dat Hus rin, sau kümmt ok siene Mutter all vor't Fenster un segt: sei wolle öhre Laken hewwen. Öt will et taun Fenster rut recken, aber siene Mutter segt, öt solle et da wedder henbringen, wo öt et wegelanget härre. Sau geit de ganze Gesellschaft mee up den Kerkhof un nöhmet dat Mäken in öhre Midde un weil öt dat Laken eben henschmitt, kümmt en Geist un territt't in veir Schtücke.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 184-185.
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